Umsatzsteuer: BMF-Schreiben zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

Zuvor galt die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes stets als unternehmerisch im Sinne des UStG.

Dieses Urteil erging auf Basis der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 13.06.2019).

Dies hat das BMF veranlasst, den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) zu überarbeiten, was mit BMF-Schreiben vom 08.07.2021 bekannt gegeben wurde.

Abschnitt 2.2. des UStAE wird damit dahingehend erweitert, dass für jedes Aufsichtsratsmitglied eine eigenständige Prüfung zu erfolgen hat, ob die konkret ausgeübte Tätigkeit zu einer Unternehmerstellung des Aufsichtsratsmitglieds führt. Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob das Aufsichtsratsmitglied ein Vergütungsrisiko trägt. Dies hängt davon ab, ob die Vergütung variabel oder fest ist. Als Beispiel für eine Festvergütung wird eine pauschale Aufwandsentschädigung aufgeführt, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Genannte Beispiele für variable Vergütungen sind Sitzungsgelder, die das Aufsichtsratsmitglied nur erhält, wenn es tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sowie nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen.

Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, liegt eine unternehmerische Tätigkeit vor, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 % der gesamten Vergütung einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen betragen (vgl. A 2.2. Abs. 3a S. 5 UStAE neue Fassung). Dabei gelten Reisekostenerstattungen nicht als Vergütungsbestandteile.

Diese Prüfung hat für jedes Mandat eines Aufsichtsrates separat zu erfolgen.

Darüber hinaus wurden weitere Detail-Regelungen getroffen, denen aber keine weiteren Anhaltspunkte zur Differenzierung zwischen fester und variabler Vergütung zu entnehmen sind. Diese Differenzierung wird sich in einigen Fällen auf Basis der Rechtsprechung und des neuen Abschnitts im UStAE schwierig gestalten. Besteht zum Beispiel eine Abhängigkeit der Höhe der Vergütung von den Unternehmensergebnissen, sind die Berechnungs-Parameter aber im Voraus klar definiert, stellt sich die konkrete Höhe des Vergütungsbetrags zwar erst nach Ablauf des Leistungszeitraums heraus, das Aufsichtsratsmitglied übt in diesem Fall aber im Unterschied zu einem Unternehmer keinen nennenswerten Einfluss auf die Höhe seiner Einnahmen aus.

Dieses Kriterium der Einflussnahme auf die Höhe der Einnahmen für die Feststellung, ob mit der ausgeübten Tätigkeit ein wirtschaftliches Risiko einhergeht, hat der EuGH bestimmt. In Rn. 42 des Urteils heißt es:

„Die Situation eines Aufsichtsratsmitglieds wie des Klägers des Ausgangsverfahrens zeichnet sich außerdem im Gegensatz zu der eines Unternehmers dadurch aus, dass mit der ausgeübten Tätigkeit keinerlei wirtschaftliches Risiko einhergeht. Dem vorlegenden Gericht zufolge bezieht ein solches Aufsichtsratsmitglied nämlich eine feste Vergütung, die weder von seiner Teilnahme an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt. Daher übt er im Unterschied zu einem Unternehmer keinen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben aus.“

Zwar mag es sein, dass der Aufsichtsrat als Organ insgesamt durch seine Entscheidungen einen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben ausübt, auf das einzelne Organmitglied trifft dies unseres Erachtens aber nicht zu, was sicher einen gewissen Argumentationsspielraum eröffnet.

Die Interessenlage, ob eine Unternehmerstellung des Aufsichtsratsmitglieds gewünscht ist, dürfte von Fall zu Fall divergieren: In Fällen von vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen wird wohl regelmäßig eine unternehmerische Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder günstiger sein, da in diesen Fällen auch die Aufsichtsratsmitglieder ihrerseits Vorsteuerbeträge abziehen können. Nicht vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen sind hingegen günstiger gestellt, wenn die Vergütungen ohne Umsatzsteuer zu zahlen sind.

Nicht nur die Aufsichtsratsmitglieder selbst sondern auch Unternehmen, die die Vergütungen an ihre Aufsichtsratsmitglieder im Wege der Gutschrift berechnen (§ 14 Abs. 2 S. 2 UStG), sollten überprüfen, ob die bisher getroffene steuerliche Würdigung auf Basis der Rechtsprechung und des neuen Abschnitts im UStAE anzupassen ist.

Das BMF-Schreiben sieht zwar eine Übergangsregelung vor, nach der Leistungen des Aufsichtsratsmitglieds, die bis einschließlich 31.12.2021 ausgeführt worden sind, generell weiterhin als steuerpflichtig behandelt werden dürfen. Dennoch ist es für Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder empfehlenswert, bereits jetzt den umsatzsteuerlichen Status zu prüfen, um für die Zukunft sicher aufgestellt zu sein.

Um künftig eine Umsatzsteuerpflicht zu vermeiden, kann auch die Vergütung neu ausgestaltet werden. Hier besteht ein gewisser Gestaltungsspielraum.