Rechtsschutz gegen die Rückforderung von Corona-Hilfen

Nach Asylwelle, Dieselgate & Co. – eine neue Klagewelle rollt auf deutsche Gerichte zu, die spätestens nach Ablauf der Rückmeldefristen der einzelnen Förderprogramme des Bundes und der Bundesländer einen ersten Höhepunkt erreichen wird. Mit ihrem Eintreffen wird aller Voraussicht nach 2023 zu rechnen sein, nachdem die Frist zur Schlussabrechnung für die Überbrückungshilfe I bis IV, sowie November- und Dezemberhilfen auf den 31. Dezember 2022 verlängert wurde.

Für Einrichtungen im Gesundheitswesen sind Unterstützungsleistungen mitunter auf zahlreichen spezialgesetzlichen Grundlagen erfolgt, z.B. § 21 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes („KHG“), §§ 5 Abs. 3i, 6a, 15 des Krankenhausentgeltgesetzes („KHEntgG“), Änderungen in der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung („PPUGV“) sowie in dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz („SodEG“). Bereits gegenwärtig finden insoweit streitige Auseinandersetzungen zur Rückgewährung von erhaltenen Leistungen statt (z.B. Intensivbettenpauschale, § 4 SodEG etc.). Auch künftig sind gerichtliche Auseinandersetzungen zu erwarten.

I. Rechtsgrundlage für Rückforderungen

Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Corona-Hilfen sind die verwaltungsgerichtlichen Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten, wie sie in §§ 48 und 49 des VwVfG des Bundes und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen zu finden sind. Hinzu kommt § 49a VwVfG analog, der eine weitere Rechtsgrundlage bereitstellt. Der Charme dieser Regelungssystematik des Vorbehalts einer endgültigen Regelung besteht darin, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 VwVfG, insbesondere im Bereich des Vertrauensschutzes, gebunden zu sein. § 49a VwVfG analog ist danach immer dann anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt, der die Corona-Hilfe zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die zugewendete Corona-Hilfe endgültig in geringerer Höhe festsetzt bzw. vollständig ablehnt.

Die anwendbare Rechtsgrundlage bei der Rückforderung von Corona-Hilfen, Rücknahme und Widerruf gemäß §§ 48 f. VwVfG einerseits sowie Ersetzung durch Schlussbescheid analog § 49a VwVfG, bestimmt nicht nur die Reichweite von Vertrauensschutzerwägungen, sondern schlägt bereits auf Ebene der statthaften Klageart unmittelbar auf das Prozessrecht durch. Bilden Rücknahme bzw. Widerruf von Verwaltungsakten gemäß §§ 48 f. VwVfG die anwendbare Rechtsgrundlage, vollzieht sich die Rückforderung von Corona-Hilfen prozessual in den Formen der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO, während bei einer Ersetzung einer vorläufigen Regelung durch eine endgültige Regelung analog § 49a VwVfG die Verpflichtungsklage (in Form der Versagungsgegenklage) gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO die statthafte Klageart ist.

Im Rahmen der materiellrechtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit der gewährten Bewilligung von Corona-Hilfen sind die Förderrichtlinien als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften heranzuziehen. Als solche begründen die Förderrichtlinien nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre behördliche Anwendung in ständiger Verwaltungspraxis Außenwirkung und binden die Gerichte auf diesem Wege an den Zweck der Corona-Hilfen, wie ihn der Geber der Hilfen verstanden hat.

II. Fallstricke

Dabei lassen sich als Fallstricke folgende Tendenzen in den Förderrichtlinien und der Rechtsprechung erkennen:

1. Fristgerechte Rückmeldung bzw. fristgerechte Schlussabrechnung

Nach den Vollzugshinweisen der Förderprogramme ist der Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten zur fristgerechten Rückmeldung und fristgerechten Vorlage einer Schlussabrechnung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht mahnt die Bewilligungsstelle den Antragsteller einmal an mit der Aufforderung, die Schlussabrechnung und alle seine Angaben belegenden Nachweise innerhalb der auf die Mahnung folgenden vier Wochen nachzureichen. Kommt der Antragsteller dieser Aufforderung nicht fristgerecht nach, kann die Bewilligungsstelle die gesamte Corona-Hilfe zurückfordern.

2. Keine Bewilligung von Corona-Hilfen an „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne der Gruppenfreistellungsverordnung

Gemäß § 2 Nr. 18 der Gruppenfreistellungsverordnung (VO EU 651/2014), auf die in den Vollzugshinweisen der Förderprogramme Bezug genommen wird (§ 2 Abs. 6 Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020 und § 2 Abs. 7 der Bundesregelung Fixkostenhilfe 2020) ist eine Auskehrung von Corona-Hilfen an „Unternehmen in Schwierigkeiten“ zum Stichtag 31.12.2019 rechtswidrig, da eine kausal durch die COVID-19 Pandemie hervorgerufene Schieflage ausscheidet, wenn sich das antragstellende Unternehmen bereits zuvor in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat.

3. VG Düsseldorf, Verwaltungspraxis zu Corona-Soforthilfen (VG Düsseldorf, Urt. v. 16.08.2022, Az.20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22)

Das VG Düsseldorf hat in drei Verfahren entschieden, dass die Schlussbescheide des Landes NRW rechtswidrig sind. Gegenstand der Verfahren waren Schlussbescheide zur Gewährung von Corona-Soforthilfen.

Zur Begründung führte das VG Düsseldorf aus, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schlussbescheide es auf die Förderpraxis des Landes während des Antragsverfahrens bis zum Erlass der Bewilligungsbescheide ankam und dass die in den Bewilligungsbescheiden zum Ausdruck gekommene Verwaltungspraxis mit den in den Schlussbescheiden getroffenen Festsetzungen nicht übereinstimmte.

Die Empfänger hätten - auf Grundlage von Formulierungen in online vom Land bereit gestellten Hinweisen, den Antragsvordrucken und den Zuwendungsbescheiden - während des Bewilligungsverfahrens davon ausgehen dürfen, dass pandemiebedingter Umsatzausfälle für den Erhalt und das Behaltendürfen der Geldleistungen ausschlaggebend sein sollten. Das Land stellte dagegen bei den Schlussbescheiden auf einen Liquiditätsengpass ab. Das VG Düsseldorf entschied, dass diese Verwaltungspraxis rechtfehlerhaft sei, da diese Handhabung von der damaligen Förderpraxis abwich. Auf die Richtlinie des Wirtschaftsministeriums vom 31. Mai 2020, die erstmals eine Definition des Begriffs des Liquiditätsengpasses enthielt, durfte trotz ihres rückwirkenden Inkrafttretens bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schlussbescheide nicht zurückgegriffen werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die Berufung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Sollten die Erwägungen bestätigt werden, dürfte dies im Einzelfall auch Auswirkungen auf die Bewertung der Verwaltungspraxis zu anderen Programmen haben.