Hinweise des IDW zu Aufstellungs- und Offenlegungspflichten bei einer freiwilligen rückwirkenden Anwendung der neuen Schwellenwerte
FAB und HFA geben Hilfestellung
Der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) und der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW haben am 5.4.2024 eine gemeinsame Berichterstattung veröffentlicht (im Mitgliederbereich der Website des IDW), die sich mit den Neuerungen im Bereich der Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Offenlegung befasst, die durch das „Zweite Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ (BGBl. 2024 I Nr. 120 vom 16.04.2024) eingeführt worden sind. Die Berichterstattung gibt Hinweise zur erstmaligen Anwendung der angehobenen monetären Schwellenwerte der §§ 267, 267a und 293 HGB, die wir nachfolgend zusammengefasst haben.Gesetzesänderung
Die Gesetzesänderung dient der Umsetzung der Delegierten Richtlinie 2023/2775 der Kommission vom 17.10.2023 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU. Von der Einstufung in eine Größenklasse hängen bspw. Rechnungslegungs-, Konzernrechnungslegungs- und Prüfungspflichten ab.
Größenklassen für Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften | Bilanzsumme | Umsatzerlöse | ||
§ 267 HGB a.F. | § 267 HGB n.F. | § 267 HGB a.F. | § 267 HGB n.F. | |
Kleinst | ≤ 350 TEUR | ≤ 450 TEUR | ≤ 700 TEUR | ≤ 900 TEUR |
Klein | ≤ 6.000 TEUR | ≤ 7.500 TEUR | ≤ 12.000 TEUR | ≤ 15.000 TEUR |
Mittelgroß | ≤ 20.000 TEUR | ≤ 25.000 TEUR | ≤ 40.000 TEUR | ≤ 50.000 TEUR |
Groß | > 20.000 TEUR | > 25.000 TEUR | > 40.000 TEUR | > 50.000 TEUR |
Schwellenwerte zur größenabhängigen Befreiung eines Mutterunternehmens von der Konzernrechnungslegung | Bilanzsumme | Umsatzerlöse | ||
§ 293 HGB a.F. | § 293 HGB n.F. | § 267 HGB a.F. | § 293 HGB a.F. | |
Konsolidiert | ≤ 24 Mio. EUR | ≤ 30 Mio. EUR | Konsolidiert | ≤ 24 Mio. EUR |
Nicht konsolidiert | ≤ 20 Mio. EUR | ≤ 25 Mio. EUR | Nicht konsolidiert |
≤ 20 Mio. EUR |
Das am 17.4.2024 in Kraft getretene Änderungsgesetz ermöglicht es haftungsbeschränkten Gesellschaften, die um 25% erhöhten monetären Schwellenwerte für die Einstufung als kleinste, kleine, mittelgroße oder große Kapitalgesellschaften bzw. für die Konzernrechnungslegungspflicht (wahlweise) bereits für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 beginnen, anzuwenden (Art. 93 Abs. 2 Satz 1 EGHGB). Das Wahlrecht ist insgesamt auszuüben. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass Mutterunternehmen das jeweilige Wahlrecht für den Jahres- und Konzernabschluss sowie Lagebericht und Konzernlagebericht für dasselbe Geschäftsjahr nur einheitlich ausüben können. Wird von diesem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht, besteht eine Pflicht zur Anwendung der neuen Schwellenwerte erst für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2024 beginnen (Art. 93 Abs. 1 Satz 1 EGHGB).
Hinsichtlich des erforderlichen Zweijahresvergleichs der Schwellenwerte zur Bestimmung der Größenklasse stellt die Gesetzesbegründung in einem Beispiel klar, dass eine Kapitalgesellschaft mit kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr, die das Wahlrecht in Anspruch nimmt, retrospektiv zum 31.12.2023 auf Grundlage der neuen Schwellenwerte des § 267 HGB als mittelgroß einzustufen ist, sofern sie entweder zum 31.12.2023 und 31.12.2022 oder zum 31.12.2022 und 31.12.2021 mindestens zwei der drei angehobenen Schwellenwerte nicht überschritten hatte (BT-Drs. 20/10428, S. 12 f.). Für die Bestimmung anderer Größenklassen sowie der Pflicht zur Konzernrechnungslegung gilt dies analog.
IDW positioniert sich zu Zweifelsfragen
Nach Auffassung der Fachgremien des IDW sind bei Ausübung des genannten Wahlrechts in Bezug auf die Aufstellung und Offenlegung von Abschlüssen die folgenden Hinweise zu beachten:- Ein bereits vor dem 17.4.2024 (bzw. Inkrafttreten des Änderungsgesetzes) festgestellter Jahresabschluss, darf auch nach dem 17.4.2024 durch einen neuen Jahresabschluss ersetzt werden, der entsprechend den Vorgaben für Unternehmen der geringeren Größenklasse aufgestellt worden ist. Im Zuge dessen empfiehlt sich, im Anhang (sofern dieser aufzustellen ist, ansonsten unter der Bilanz) auf diese Vorgehensweise hinzuweisen. Ferner sind die vorgenommenen Änderungen nach IDW RS HFA 6, Tz. 30, zu berichten, der ersetzende Jahresabschluss als solcher zu kennzeichnen und in der Zwischenzeit aufgetretene wertaufhellende Ereignisse zu berücksichtigen. Sollten letztere zu einem geringeren Jahresergebnis als nach dem ursprünglichen Jahresabschluss führen, dürfen im Rahmen von Bilanzierungs- und Bewertungsspielräumen kompensatorische Maßnahmen ergriffen und/oder verfügbare Rücklagen aufgelöst werden (IDW RS HFA 6, Tz. 10).
- Ein nach dem 17.4.2024 festgestellter Jahresabschluss, bei dem das Wahlrecht nicht In Anspruch genommen wurde, darf indes nicht durch einen neuen Jahresabschluss ersetzt werden, der entsprechend den Vorgaben für Unternehmen der geringeren Größenklasse aufgestellt worden ist, da die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Wahlrechts bereits zum Zeitpunkt der Feststellung bestand.
- Bei erstmaliger Aufstellung eines Jahresabschlusses nach dem 17.4.2024 und gleichzeitiger Inanspruchnahme des Wahlrechts zur vorzeitigen Anwendung der neuen Schwellenwerte sollte im Anhang oder ggf. unter der Bilanz auf die Inanspruchnahme des Wahlrechts hingewiesen werden.
- Entfällt rückwirkend die Pflicht zur Aufstellung eines vor dem 17.4.2024 gebilligten Konzernabschlusses, kann das Billigungsorgan den Billigungsbeschluss wieder aufheben. Das Fassen eines solchen Beschlusses zur Aufhebung des Billigungsbeschlusses und die damit einhergehende rechtswirksame „Beseitigung“ des zuvor gebilligten Konzernabschlusses bringen in diesem Fall die Inanspruchnahme des Wahlrechts zum Ausdruck.
- Aufstellungs- und Offenlegungserleichterungen einer niedrigeren Größenklasse dürfen auch ausschließlich für Offenlegungszwecke angewandt werden.
- Ein vor dem 17.4.2024 festgestellter Jahresabschluss braucht nicht erneut nach den für die nunmehr niedrigere Größenklasse maßgeblichen Vorgaben aufgestellt und festgestellt werden, sondern kann mit befreiender Wirkung unter Anwendung der für die niedrigere Größenklasse geltenden Regelung offengelegt werden. Bei einem Wechsel bspw. in die Größenklasse „klein“ darf im Zuge dessen u.a. auf die Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung, eines Lageberichts und des Bestätigungsvermerks verzichtet werden. Auch dürfen die für die niedrigere Größenklasse bestehenden Aufstellungserleichterungen nachträglich allein für Offenlegungszwecke in Anspruch genommen werden. In diesen Fällen ist in der Offenlegungsdatei dem offenzulegenden Jahresabschluss bzw. der zu hinterlegenden Bilanz ein Hinweis voranzustellen, dass der offengelegte Jahresabschluss bzw. die hinterlegte Bilanz von dem festgestellten Jahresabschluss bzw. von dessen Bilanz abweicht und der ggf. weiterhin offenzulegende Bestätigungsvermerk sich auf den festgestellten vollständigen Jahresabschluss bezieht.
- Entfällt rückwirkend die Pflicht zur Konzernrechnungslegung, wurde aber vor dem 17.4.2024 ein Konzernabschluss gebilligt, muss dieser (und der Konzernlagebericht) nicht offengelegt werden.