Frühwarnsysteme: Neue gesetzliche Vorgaben als Chance nutzen

Herausforderung

Zum Beginn des Jahres 2021 stellt der Gesetzgeber höhere Anforderungen an die Qualität und Aussagekraft von Unternehmensdaten. Insbesondere wird die Pflicht für die Unternehmensleitung normiert,

  • fortlaufend über die Entwicklung des Unternehmens zu wachen
  • auf negative Entwicklungen zu reagieren.

Die Corona-Krise zeigt, dass Unternehmen plötzlich und unverschuldet in eine Krisensituation geraten können. Entscheidend ist es dann, frühzeitig die Situation auf einer tauglichen Datenbasis genau zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mit eingerichteten Frühwarnsystemen kann Anpassungs-/ ggf. Restrukturierungsbedarf frühzeitig ermittelt werden. Das mindert das Risiko einer Organhaftung nach den Regelungen des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungs­gesetz (StaRUG) maßgeblich.

Was ist zu tun: Absicherung durch Frühwarnsysteme

Um sicher auf die ab Beginn des Jahres 2021 geltenden gesetzlichen Regelungen zu reagieren, ist die Einrichtung von Frühwarnsystemen ein effektives und gesetzlich vorgesehenes Mittel, § 101 StaRUG. Grundlage sind aus der integrierten Unternehmensplanung abgeleitete Basiskennzahlen. Die Konkretisierung erfolgt aus der Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögenslage (z. B. Cashflow-Rate, Schuldentilgungsdauer bzw. dynamischer Verschuldungsgrad, Working Capital, Veränderungen von Lagerdauer, Debitoren- und Kreditorenziel; Gesamtkapital- und Umsatzrentabilität sowie Eigenkapitalquote).

BDO Ansatz: Tools zur Prüfung und dem Aufbau von Frühwarnsystemen

Zur Überprüfung oder dem Aufbau stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung:

  • BDO-StaRUG-Check zur strukturierten Identifikation der wesentlichen Unternehmensrisiken und Ableitung einer Bottom-up-Planung mit der Entwicklung von Optimierungs-/Restrukturierungsmaßnahmen;
  • Plausibilisierung der Unternehmensplanung – materielle Prüfung der Schlüssigkeit, Beurteilung der Kapitaldienst- und Wettbewerbsfähigkeit;
  • Analyse der vorhandenen Systeme, standardorientiertes Vorgehen;
  • Aufbau eines Monitoring-Tools (mit Risiko-Ampel für gesetzliche Krisentatbestände) mit Liquiditätscockpit, das zu einem Planungs-Tool, das künstliche Intelligenz und einen predictive Ansatz nutzt, ausgebaut werden kann.

Damit entsteht eine tragfähige Entscheidungs-grundlage und rechtliche Absicherung für den Fall, dass sich Gefahren für das Unternehmen nicht ohne weiteres abwehren lassen. Es können dann auf dieser Basis geeignete Schritte eingeleitet und rechtliche Maßnahmen ergriffen werden, um das Unternehmen nachhaltig zu stabilisieren und den Bestand zu sichern.

Nutzen eines Frühwarnsystems

Unternehmen können mit Hilfe eines geeigneten Frühwarnsystems frühzeitig Entwicklungen aus verschiedensten Perspektiven wahrnehmen und Risiken effektiv erkennen sowie proaktiv ange-hen. Entscheidungen können auf einer besseren Datenlage frühzeitiger getroffen und somit bes-ser erklärt werden.

Ein Frühwarnsystem ist Voraussetzung, um mit den Möglichkeiten des Stabilisierungs- und Re-    strukturierungsrahmens (StaRUG) die sich bietenden Chancen einer Neuausrichtung zu nutzen. Gleichzeitig mindert sich damit das Risiko einer Organhaftung nach den neuen Regelungen, wenn es nicht gelingt, den Bestand des Unternehmens zu sichern.

Ausgestaltung eines Frühwarnsystems

Um Anhaltspunkte für sich abzeichnende Veränderungen zu erkennen, sollten Geschäftsleiter*innen verschiedene Perspektiven einnehmen:

grafik R-P 01-21

Auf der Grundlage der notwendigen Basiskennzahlen lassen sich für den Einzelfall angepasste und entwickelte Systeme aufbauen, die von einfachen Excel-Modellen bis hin zu KI-predictive Analytics-Systemen reichen.

Im Frühwarnsystem können allgemein gültige Finanzkennzahlen um individuell zu bestimmende Perspektiven oder Branchenkennzahlen ergänzt werden. Hierzu zählt z. B. die Personalfluktuation – insbesondere ist der vermehrte Verlust von Führungspersonal ein Warnsignal – oder auch Kennzahlen zur Qualität wie die Dauer von Produktionsausfällen und Entwicklung des Instandhaltungsaufwands. Auch Book-to-bill Ratio als Differenz zwischen dem Ist-Auftragsbestand und dem Planumsatz sowie Rückmeldungen von Key Accounts sollten ebenso wie das Verhalten und die Aktivitäten der Wettbewerber beobachtet werden. Eine (plausibilisierte) Unternehmensplanung mit möglichst monatlich durchzuführenden Soll-Ist-Vergleichen kann im Rahmen eines Frühwarnsystems dazu genutzt werden, gezielt und kurzfristig einzugreifen und negativen Entwicklungen vorzubeugen.

Hintergrund und Inkrafttreten

Mit dem StaRUG wird die Haftung der Unternehmensleitung normiert, wenn Krisen erkennbar werden. Ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit (keine positive Zahlungsfähigkeitsprognose über 24-Monate) gilt dann die nun auch gesetzlich geregelte Pflicht, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ziel des Gesetzgebers ist es, die Unternehmensleitung zu einer frühzeitigen Gefahrenabwehr zu bringen und dafür Frühwarnsysteme einzurichten. Die rollierende Unternehmensplanung und insbesondere Liquiditäts­planung haben sich dafür etabliert.

Das StaRUG schafft rechtliche Rahmenbedingungen für modular zu nutzende Restrukturierungsmaßnahmen, die auf die langfristige Bestandsfähigkeit eines Unternehmens ausgerichtet sind. Sie kommen in verschiedenen Konstellationen und Kombinationen zum Einsatz. Auch Gestaltungen ohne Öffentlichkeit sind möglich.

Das StaRUG ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten.

Handlungsbedarf

Wenn wir Sie bei der Ausgestaltung eines Frühwarnsystems, Implementierung einer integrierten Unternehmensplanung, der Nutzung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens oder bei Portfoliobereinigungen oder -verstärkungen unterstützen können, sprechen Sie uns bitte an. Mit unseren multidisziplinären Teams können wir flexibel passgenaue Lösungen für konkrete Problemstellungen anbieten. Bei Bedarf ziehen wir zudem gern unsere Kollegen der jeweiligen BDO Member Firms aus unserem internationalen Netzwerk in mehr als 160 Ländern hinzu.