Erwartungen das Management geopolitischer Risiken - Auswirkungen auf Governance und Risk Frameworks


Die EZB hat Ende 2024 hervorgehoben, wie wichtig es ist, geopolitische Risiken in die Governance der Banken, die Risikotragfähigkeitsrechnung (ICAAP), den internen Prozess zur Bewertung der Angemessenheit der Liquidität (ILAAP), sowie das Kreditrisikomanagement und andere Risikokategorien zu integrieren. Diese Erwartungen stehen im Einklang mit den regulatorischen Prioritäten der EU zur Stärkung der Finanzstabilität in Zeiten erhöhter geopolitischer Unsicherheiten und ergänzen die bevorstehende Eigenkapitalrichtlinie CRD VI und die Eigenkapitalverordnung CRR III. 

Angesichts der zunehmenden Bedeutung geopolitischer Risiken sind Finanzinstitute gefordert, diese systematisch in bestehende Strukturen des Risikomanagements zu integrieren, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber geopolitischen Unsicherheiten zu stärken . Die Einhaltung der Erwartungen der EZB und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sowie eine solide wirtschaftliche Sicht auf die Risikotreiber und ihre Ursachen sind entscheidend für die Aufrechterhaltung der Finanzstabilität und der operativen Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors. Durch die Anwendung systematischer Methoden zur Bewertung geopolitischer Risiken und die Weiterentwicklung der internen Szenarioanalysen, insbesondere im Bereich der Stresstests, können Finanzinstitute ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber geopolitischen Unsicherheiten erhöhen und ihre finanzielle Stabilität stärken.  

Das vorliegende Papier beleuchtet unsere Sicht auf die wichtigsten regulatorischen Erwartungen, Best Practices und Erkenntnisse von Branchenexpertinnen und -experten innerhalb und außerhalb des Finanzdienstleistungssektors sowie konkrete Implikationen aus aktuellen Projekten. 

Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie gerne bei der Optimierung bestehender Risikomanagement-Rahmenwerke, Messansätze sowie Steuerungs-, Controlling- und Berichterstattungsprozesse, um eine risiko- und portfoliospezifische Berücksichtigung geopolitischer Risiken zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, Ihnen praxisnahe und pragmatische Lösungen aufzuzeigen, die Sie in herausfordernden Zeiten unterstützen. Teil 1 unserer Serie gibt einen Überblick und bildet die Grundlage für ein Arbeitsprogramm, das wir Banken zur Umsetzung empfehlen. 

 

Geopolitische Risiken sollten in die strategischen Entscheidungsprozesse und Governance-Strukturen integriert werden. Die Operationalisierung erfolgt beispielsweise durch definierte Schwellenwerte für die Risikobereitschaft innerhalb des Risikoprofiles, unter Berücksichtigung von Stressszenarien. Dies ermöglicht es dem Management, bei Annäherung an oder Überschreitung von Frühwarnindikatoren und Limiten angemessen zu reagieren und erforderliche Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Die Risikoinventur bildet die Grundlage für ein effektives Risikomanagement. Eine Erweiterung der qualitativen und, sofern möglich, quantitativen Analysen ist essenziell, um die Auswirkungen geopolitischer Risiken über alle Risikokategorien hinweg zu bewerten. Dabei sollte die Risikoidentifikation systematisch durchgeführt werden, um potenzielle Gefahrenquellen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Die Entwicklung von Handlungsleitfäden für die identifizierten geopolitischen Risikofelder sollte prioritär erfolgen, da ein aktives Monitoring und Management in Krisensituationen unerlässlich sind. Es empfiehlt sich, Erkenntnisse aus vergangenen oder aktuellen Krisen zu analysieren, um das proaktive Krisenmanagement zu optimieren. Die Einhaltung der bevorstehenden Eigenkapitalrichtlinie CRD VI und der Eigenkapitalverordnung CRR III soll sicherstellen, dass geopolitische Risiken angemessen in die Risikomanagementsysteme und die Kapitalplanung von Banken integriert werden. Die Orientierung an aufsichtsrechtlichen Offenlegungsvorgaben, wie beispielsweise den Säule-3-Offenlegungspflichten, ist für die Transparenz und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen von BedeutungUm die Risikokontrolle auf Geschäftsleitungsebene zu stärken, sollten geopolitische Risiken in die Risikostrategie sowie in die Herleitung des Risikoappetits integriert und in der Governance-Berichterstattung berücksichtigt werden. Dies gewährleistet die Einhaltung regulatorischer Vorgaben auf strategischer Ebene und ermöglicht eine konsistente Überwachung der Risikofaktoren innerhalb der Entscheidungsprozesse.  

  • Die Datenerhebung muss auf der Grundlage von Bewertungen der Wesentlichkeit geopolitischer Risiken erfolgen, wobei eine flexible Differenzierung nach Risikostufen und Regionen möglich ist. 

  • Der Geopolitical Risk Index (GPR) misst das globale geopolitische Risiko anhand der Häufigkeit spezifischer Begriffe in internationalen Medienberichten. Die EZB hat zudem einen bankenindividuellen Indikator für geopolitische Risiken entwickelt, der die spezifische Anfälligkeit einzelner Banken gegenüber geopolitischen Spannungen bewertet  (siehe Anhang). 

  • Die Verwendung von Schätz- und Proxyverfahren ist zulässig, wenn keine belastbaren Daten verfügbar sind; jedoch sollte der Rückgriff auf solche Methoden mit der Verbesserung der Datenqualität schrittweise reduziert werden.  

  • Spezifische Risikokennzahlen, insbesondere für Bankensektoren mit Exposition in Ländern mit erhöhtem Länderrisiko, bedürfen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, um die Transparenz und Aussagekraft im Risikomanagement zu erhöhen.  

    Szenarioanalysen sollten traditionelle Risikomodelle ergänzen, um die Auswirkungen geopolitischer Risikofaktoren auf die Finanzstabilität angemessen zu berücksichtigen. 

  • Geopolitische Risiken sollten explizit in den ICAAP-Szenarien berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die Bewertung der Eigenmittelausstattung auch Risiken wie Sanktionen, Handelsunterbrechungen und makroökonomische Instabilitäten angemessen reflektiert.  

    Szenariobasierte Stresstests sollten geopolitische Schocks einbeziehen, um die Auswirkungen auf die Finanzstabilität unter adversen Bedingungen zu bewerten. Geopolitische Risiken sollten im ICAAP durch spezifische Kapitalpuffer und Modell-Overlays adressiert werden, um potenzielle Verluste aus geopolitischen Spannungen abzudecken. Die Kapitalplanung muss erhöhte Finanzierungskosten und Marktvolatilität infolge geopolitischer Spannungen berücksichtigen. 

  • Geopolitische Risiken sollten in die Liquiditätsstresstests integriert werden, um potenzielle kurzfristige Liquiditätsengpässe und mittelfristige Finanzierungsschocks angemessen zu berücksichtigen. Konzentrationsrisiken sollten im Zusammenhang mit geopolitischer Instabilität bewertet werden, insbesondere hinsichtlich der Abhängigkeit von bestimmten Regionen oder Gegenparteien.  

  • Banken sollten Notfallpläne zur Bewältigung von Liquiditätsengpässen infolge geopolitischer Störungen entwickeln. Diese Pläne sollten klare Eskalationsauslöser und Berichtslinien definieren, die auch politische Konflikte berücksichtigen, indem sie Kommunikationswege über verschiedene Länder und Funktionen der Bank hinweg festlegen. Gemäß den MaRisk der BaFin ist die regelmäßige Überprüfung und Anpassung dieser Maßnahmen auf ihre Durchführbarkeit erforderlich. Geopolitische Risiken sollten im ILAAP angemessen berücksichtigt werden, indem sie in die Liquiditätsrisikoszenarien integriert werden, um potenzielle Marktstörungen infolge geopolitischer Ereignisse zu erfassen.  

  • Geopolitische Risiken sollten explizit in den Kreditrisikovorsorgemodellen berücksichtigt werden, um potenzielle Kreditausfälle und eine Verschlechterung der Kreditqualität angemessen abzubilden. 

  • Große Institute sollten Modellanpassungen auf Parameterebene vornehmen, um geopolitischen Unsicherheiten angemessen zu berücksichtigen. Anpassungen bei der Bewertung von Sicherheiten sollten vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die Abschläge geopolitische Risiken angemessen widerspiegeln. Dies ist insbesondere relevant, da geopolitische Spannungen die Marktwerte von Sicherheiten beeinflussen können.  Zukünftige Informationen sollten PD-, LGD- und CCF-Anpassungen enthalten, die sich an die dynamische Entwicklung geopolitischer Risikofaktoren anpassen. 

    Die sektorale Risikovorsorge sollte einem kollektiven Top-Down Ansatz folgen, der erhöhte Risiken in Branchen wie Handelsfinanzierung und Energie berücksichtigt, insofern geopolitische Risiken noch nicht in umfassendem Maß in Form der einzelfallbezogenen Analyse der betroffenen Finanzinstrumente berücksichtigt sindGeopolitische Risiken beeinflussen die Asset-Qualität entsprechend der jeweiligen RisikopositionImportorientierte KMU und Unternehmen mit interkontinentalen Verbindungen können unmittelbar unter Druck geraten, während lokal ausgerichtete KMU ebenfalls betroffen sein können, wenn anhaltende Schocks die Inlandsinflation erhöhen. Rückstellungsmodelle sollten diese Risiken berücksichtigen, indem sie potenzielle Kreditausfälle und eine Verschlechterung der Kreditqualität einbeziehen. 

  • Geopolitische Risiken sollten in die Kreditvergabeprozesse, die Risikoklassifizierung und das Portfoliomanagement integriert werden, um potenzielle Auswirkungen auf die Aktiva-Qualität und die Finanzstabilität angemessen zu berücksichtigen. Wesentlichkeitsanalysen sollten die finanziellen Auswirkungen geopolitischer Risiken auf Geschäftspartner, Branchen und Regionen untersuchen. Banken sollten ihre Engagements in geopolitischen Krisenregionen bewerten und ihre Kreditvergabestrategien entsprechend anpassen, um potenzielle Risiken zu mitigieren 

    Die EZB betont die Notwendigkeit für Banken, auf geopolitische Schocks vorbereitet zu sein und ihre Risikomanagementsysteme zu stärken. Institute sollten von Unternehmen in Hochrisikosektoren die Entwicklung und Vorlage von Notfallplänen verlangen, um Transparenz und Risikobereitschaft sicherzustellen. Diese Anforderung steht im Einklang mit den MaRisk der BaFin, die von Finanzinstituten verlangen, angemessene Risikomanagementsysteme einzurichten und aufrechtzuerhalten.  

Wesentlichkeitsbewertung & Dateninfrastruktur 

  • Die Wesentlichkeit geopolitischer Risiken sollte konsistent im ICAAP, ILAAP und dem Gesamtrisikorahmen bewertet werden.   

  • Eine kontinuierliche Überwachung und Präzisierung der geopolitischen Risikodaten ist für die Transparenz unerlässlich. 

  • Spezialisierte Risikokomitees sollten die geopolitischen Risikobewertungen und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen überwachen.  

Kreditrisiko und Stresstests

  • Banken sollten prospektive Risikomodelle, die geopolitische Szenarioanalysen integrieren, validieren und gegebenenfalls implementieren. Diese Modelle ermöglichen eine fundierte Einschätzung der Auswirkungen geopolitischer Ereignisse auf die Risikopositionen und die Kapitaladäquanz der Institute.   

  • Institute sollten bei Geschäftspartnern in Hochrisikoregionen verstärkte Verfahren zur Kreditwürdigkeitsprüfung und Due-Diligence-Prüfung anwenden. 

  • Regulatorische und ökonomische Stresstests sollten geopolitische Risikofaktoren integrieren, um die Resilienz gegenüber verschiedenen Szenarien sicherzustellen.  

Liquiditätsrisiko und Szenarienplanung 

  • Liquiditätsrisikorahmen sollten Stresstestmethoden enthalten, die geopolitische Schockszenarien simulieren.   

  • Banken sollten ihre Risikominderungsstrategien mit den Erwartungen der EZB und der EBA abstimmen, insbesondere in Bezug auf die Integration von Klima- und Umweltrisiken in ihre Geschäftsstrategien und Risikomanagementprozesse.  

  • Szenariobasierte Modelle sollten die Auswirkungen geopolitischer Risiken auf Finanzierung und Kapitalpuffer bewerten. 

Wie BDO Ihre Institution unterstützen kann

  • Eine umfassende Analyse des gesamten Risikomanagements und der bestehenden Risikoinventur, um Optimierungspotenzial top down zu identifizieren und fundierte Wesentlichkeitsbewertungen abzuleiten, die in die Festlegung der Risikobereitschaft einfließen.  

  • Entwicklung geopolitischer Risikoszenarien, um potenzielle Auswirkungen auf die Kapitaladäquanz und die Liquidität sowie die Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells zu bewerten.  

  • Durchführung von ICAAP- und ILAAP Stresstests, die geopolitische Schockszenarien integrieren.  

  • Erstellung von Playbooks und Durchführung von Dry Runs zur Krisensimulation sowie zur Optimierung von Notfallplänen für eine effektive Krisenbewältigung und Notfallkommunikation im Sinne eines Dynamic Risk Managements. 

  • Optimierung von Risikomodellen zur präziseren Abbildung geopolitischer Risiken und Bereitstellung fachkundiger Beratung bei der Implementierung entsprechender Strategien.


Anhang: EZB-Indikatoren für die Bewertung geopolitischer Risiken 

Um die Integration geopolitischer Risiken in das Risikomanagement von Finanzinstituten zu fördern, hat die EZB spezifische Risikoinidikatoren entwickelt, die eine strukturierte Bewertung dieser Risiken ermöglichen.  

  • Geopolitical Risk (GPR) Index 

Der Geopolitical Risk Index (GPR) ist ein globaler Indikator für geopolitische Unsicherheit, basierend auf der Häufigkeit von Begriffen wie „Krieg“, „Terrorismus“ und „Konflikt“ in Zeitungsartikeln. Er bewertet geopolitische Spannungen durch die Analyse von Nachrichtenberichten und kategorisiert diese in risikotreibende Ereignisse. Dieser Index dient als umfassender Indikator für geopolitischen Stress und beeinflusst die Marktvolatilität, die wirtschaftliche Stimmung sowie die finanzielle Stabilität.  

  • Bank Exposure-Weighted Geopolitical Risk Index 

Der Bank Exposure-Weighted Geopolitical Risk Index ist eine von der EZB entwickelte Kennzahl, die auf dem GPR Index basiert und die spezifische Exposition einzelner Banken gegenüber geopolitischen Risiken misst. Dieser Index gewichtet die nationalen GPR-Indizes entsprechend der geografischen Verteilung der Vermögenswerte einer Bank, um die Auswirkungen geopolitischer Bedrohungen auf die jeweilige Bank zu bewerten.  

Banken mit signifikanter Präsenz in Hochrisikoregionen erzielen höhere Werte im Bank Exposure-Weighted Geopolitical Risk Index, was auf eine erhöhte Risikokonzentration hinweist. Dieser risikogewichtete Ansatz ermöglicht es den Instituten, ihre Eigenkapitalausstattung und Stresstests gemäß den Anforderungen des ICAAP und ILAAP zu optimieren. Zudem unterstützt er die Durchführung gezielter Szenarioanalysen, um die Auswirkungen geopolitischer Unsicherheiten auf die finanzielle Stabilität besser zu verstehen und entsprechende Risikominderungsstrategien zu entwickeln.