Corporate Governance

Durch das FISG werden die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Unternehmensführung und Überwachung erweitert. Für Vorstände börsennotierter Aktiengesellschaften besteht nun eine explizite gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems. Auch für den Aufsichtsrat werden neue Pflichten eingeführt, u.a. zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses und zur Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung. Darüber hinaus gibt es neue Regelungen zur Besetzung der Unternehmensorgane und zur Kommunikation sowie bei Versicherungsunternehmen zur Bestellung des Abschlussprüfers. Nicht zuletzt wurde für den Fall unrichtiger Bilanz- oder Lageberichtseide das Bilanzstrafrecht verschärft.

Wesentliche Änderungen der einschlägigen Gesetze (AktG, HGB, WpHG) sowie daraus resultierenden Handlungsbedarf für Vorstände und Aufsichtsräte bzw. Prüfungsausschüsse stellen wir nachfolgend im Einzelnen dar.

Betroffene Unternehmen: börsennotierte Aktiengesellschaften

Erstanwendung: 1. Juli 2021


Gesetzliche Regelung

Für den Vorstand börsennotierter Aktiengesellschaften wurde eine ausdrückliche gesetzliche Pflicht eingeführt, ein im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenes und wirksames internes Kontroll- und Risikomanagementsystem einzurichten (§ 91 Abs. 3 AktG).


Erläuterung

  • Die Pflicht zur Einrichtung solcher Systeme wird bereits heute auch für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten hergeleitet (z. B. § 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG).
  • Durch § 91 Abs. 3 AktG wird das Ermessen des Vorstands börsennotierter Aktiengesellschaften reduziert. Ausweislich der Regierungsbegründung kann er nur noch über die konkrete Ausgestaltung des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems entscheiden, nicht aber mehr über die Einführung solcher Systeme.
  • Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit und Wirksamkeit ist die Eignung der Systeme zum Einhalten von Gesetzen und unternehmensinternen Richtlinien sowie zur Aufdeckung, Steuerung und Bewältigung wesentlicher Risiken. Darüber hinaus bedarf es der tatsächlichen Implementierung und der kontinuierlichen Durchführung der vorgesehenen Steuerungs- und Überwachungsmaßnahmen im Unternehmen im jeweils betrachteten Zeitraum.
  • Aus tatsächlichen Verstößen gegen Gesetze oder unternehmensinterne Richtlinien oder der Verwirklichung bestimmter Risiken kann nicht unbedingt auf die fehlende Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme geschlossen werden.
  • Wenn der Vorstand seiner Verpflichtung zur Einführung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagementsystems gem. § 91 Abs. 3 AktG nachkommt, wird er damit in der Regel auch seiner Verpflichtung aus § 91 Abs. 2 AktG nachkommen. Ein gesondertes Risikofrüherkennungssystem im Sinne des § 91 Abs. 2 AktG muss in einem solchen Fall nicht eingerichtet werden.

Handlungsbedarf

  • Dokumentation des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems zwecks Nachweis der Angemessenheit
  • Schaffung von Strukturen zum Monitoring der Wirksamkeit der Systeme
  • Beurteilung von Angemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems durch den Vorstand und im Rahmen seiner Überwachungsaufgaben durch den Aufsichtsrat
  • Ggfs. externe Überprüfung von Angemessenheit und Wirksamkeit (Gegenstand der Abschlussprüfung sind lediglich die rechnungslegungsbezogenen Teilbereiche des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems und nicht zwingend die Wirksamkeit der Systeme)


Betroffene Unternehmen: Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIE)

Erstanwendung: 1. Januar 2022


Gesetzliche Regelung

Aufsichtsräte von Unternehmen von öffentlichem Interesse im Sinne des § 316a Satz 2 HGB werden zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses verpflichtet (§ 107 Abs. 4 AktG).


Erläuterung

  • Die Einrichtung eines Prüfungsausschusses dient der Wirksamkeit und der Effizienz der Arbeit des Aufsichtsrats. Sie wird vom Deutschen Corporate Governance Kodex (Empfehlung D.3) bereits empfohlen und entspricht der Best Practice in den meisten Unternehmen.
  • Aufgrund der hohen Bedeutung des Prüfungsausschusses im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess und die Abschlussprüfung wurde die Einrichtung eines Prüfungsausschusses für Unternehmen von öffentlichem Interesse mit der Neufassung des § 107 Abs. 4 AktG gesetzlich verpflichtend geregelt.
  • Besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern, ist dieser auch der Prüfungsausschuss (§ 107 Abs. 4 Satz 2 AktG).
  • Bei Nichteinhaltung der Anforderungen des § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG in der Fassung vom 1. Juli 2021 wird vom zuständigen Registergericht ein Zwangsgeld festgesetzt (§ 407 Abs. 1 AktG).

Handlungsbedarf

Ggfs. erstmalige Einrichtung eines Prüfungsausschusses, Verfassung einer Geschäftsordnung für den Prüfungsausschuss, Besetzung



Betroffene Unternehmen: Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIE)

Erstanwendung: Neubestellungen von Mitgliedern ab dem 1. Juli 2021


Gesetzliche Regelung

Mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats von Unternehmen von öffentlichem Interesse muss über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen (§ 100 Abs. 5 AktG). Dies gilt auch für die Besetzung des Prüfungsausschusses (§ 107 Abs. 4 Satz 4 AktG).


Erläuterung

  • Im Aufsichtsrat und im Prüfungsausschuss von Unternehmen von öffentlichem Interesse muss nun sowohl Expertise auf dem Gebiet der Rechnungslegung als auch auf dem Gebiet der Abschlussprüfung vorhanden sein. Die Besetzung des Aufsichtsrats bzw. des Prüfungsausschusses genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, wenn nur ein Mitglied beide Fachgebiete beherrscht. Der Sachverstand ist auf zwei Mitglieder zu verteilen.
  • Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder der Abschlussprüfung muss nicht zwangsweise durch die Angehörigkeit zu einem steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Beruf nachgewiesen werden. Die erforderliche Kompetenz kann durch eine berufliche Befassung mit Rechnungslegung oder Abschlussprüfung, z.B. als Finanzvorstand oder in den Bereichen Rechnungswesen oder Controlling, oder durch entsprechende Vor- und Weiterbildung erworben werden.

Handlungsbedarf

  • Analyse des Kompetenzprofils des Aufsichtsrats bzw. Prüfungsausschusses
  • Ggfs. Qualifizierungsmaßnahmen
  • Ggfs. Ergänzung des Kompetenzprofils bei der Neubestellung von Mitgliedern


Betroffene Unternehmen: Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIE)

Erstanwendung: 1. Januar 2022


Gesetzliche Regelung

Die Mitglieder des Prüfungsausschusses erhalten über den Prüfungsausschussvorsitzenden ein unmittelbares Auskunftsrecht gegenüber den Leitern der Zentralbereiche des Unternehmens, die für die Kontroll- und Überwachungsaufgaben im Unternehmen zuständig sind (§ 107 Abs. 4. Satz 4 AktG).


Erläuterung

  • Ausweislich der Gesetzesbegründung adressiert das Auskunftsrecht die Zentraleinheiten der ersten Führungsebene unter dem Vorstand, die die Aufgaben verantworten, mit denen sich der Prüfungsausschuss im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG befasst. Somit kommen insbesondere die Leiter des Risikomanagements oder der internen Revision als Adressaten des Auskunftsverlangens in Betracht. Das Auskunftsrecht darf nur im Rahmen der klar umrissenen Aufgaben des Prüfungsausschusses ausgeübt werden. Für die Einholung der Auskünfte in diesem Rahmen ist keine vorherige Zustimmung des Vorstands erforderlich.
  • Das Auskunftsrecht wird durch den Prüfungsausschussvorsitzenden ausgeübt.
  • Über das Auskunftserlangen des Prüfungsausschusses ist der Vorstand unverzüglich zu informieren (§ 107 Abs. 4 Satz 6 AktG).

Handlungsbedarf

  • Kein zwingender Handlungsbedarf.
  • Die Einholung unmittelbarer Auskünfte liegt im Ermessen der Prüfungsausschussmitglieder.


Betroffene Unternehmen: alle Aktiengesellschaften

Erstanwendung: 1. Juli 2021


Gesetzliche Regelung

Zum Aufgabenkreis des Prüfungsausschusses bzw. des Aufsichtsrats gehört eine neue ausdrückliche Pflicht, sich mit der Qualität der Abschlussprüfung zu befassen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG).


Erläuterung

  • Die für börsennotierte Gesellschaften bereits im Deutschen Corporate Governance Kodex enthaltene Empfehlung zur Befassung mit der Qualität der Abschlussprüfung wurde für die Aufsichtsräte bzw. Prüfungsausschüsse aller Aktiengesellschaften gesetzlich kodifiziert.
  • Aufsichtsräte bzw. Prüfungsausschüsse stehen nun vor der Aufgabe, die Qualität der Abschlussprüfung zu definieren und diese anhand von qualitativen und/oder quantitativen Kriterien zu operationalisieren und zu messen.
  • Die Überwachung der Abschlussprüfung umfasst die Prüfung ihrer Qualität von der Auswahl des Prüfers bis zur Beendigung des Auftrags. Art und Umfang der Qualitätsbeurteilung sind davon abhängig, ob die Qualität in der laufenden Mandatsbeziehung oder im Rahmen der Prüferauswahl zu beurteilen ist.
  • Für die Festlegung unternehmensindividueller Kriterien zur Beurteilung der Qualität kann sich der Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss an nationalen und internationalen Musterkatalogen für Audit Quality Indicators orientieren.
  • Zur Beurteilung der Qualität sollte der Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss in einen aktiven Dialog mit dem Abschlussprüfer treten.
  • Von Bedeutung für die Beurteilung sind u.a. folgende Aspekte: Prüfungsstrategie, Prüfungsansatz und -prozess, verwendete IT-Tools, Kommunikation von und Umgang mit Prüfungsergebnissen, branchenspezifische Erfahrungen, Qualifikation der an der Prüfung beteiligten Personen, Einsatz von Spezialisten, Ergebnisse aus dem Enforcement der Rechnungslegung und aus externen Qualitätskontrollen.

Handlungsbedarf

  • Festlegung von Kriterien zur Messung der Qualität der Abschlussprüfung
  • Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung anhand dieser Kriterien


Betroffene Unternehmen: alle Aktiengesellschaften

Erstanwendung: 1. Juli 2021


Gesetzliche Regelung

§ 109 Abs. 1 Satz 3 AktG regelt, dass der Vorstand an Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse im Falle der Hinzuziehung des Abschlussprüfers in seiner Sachverständigenrolle nur dann teilnimmt, wenn der Aufsichtsrat oder der Prüfungsausschuss die Teilnahme des Vorstands als erforderlich ansieht.


Erläuterung

  • Wie bisher hat der Vorstand grundsätzlich keinen Anspruch, an Sitzungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses teilzunehmen.
  • Dies wurde durch das FISG nun explizit auch für Sitzungen des Aufsichtsrats bzw. des Prüfungsausschusses klargestellt, in denen ein Austausch mit dem Abschlussprüfer im Rahmen der Vorbereitung oder der Durchführung der Prüfung stattfindet oder der Abschlussprüfer als Sachverständiger zu Beratung hinzugezogen wird.

Handlungsbedarf

Kein zwingender Handlungsbedarf, da es sich um eine klarstellende Regelung handelt.



Betroffene Unternehmen: Inlandsemittenten

Erstanwendung: 1. Juli 2021


Gesetzliche Regelung

  • Der Strafrahmen für die vorsätzlich unrichtige Abgabe des Bilanz- oder Lageberichtseids (Versicherung der gesetzlichen Vertreter) wird von bis zu drei auf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe angehoben (§ 331a Abs. 1 HGB).
  • Zusätzlich kann bei leichtfertiger unrichtiger Abgabe des Bilanz- oder Lageberichtseids eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden (§ 331a Abs. 2 HGB).
  • Der gleiche Strafrahmen gilt nach § 119a WpHG bei Inlandsemittenten mit Sitz im Ausland, die nicht nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Offenlegung der nach
    § 114 Abs. 2 WpHG in den Jahresfinanzbericht aufzunehmenden Rechnungslegungsunterlagen verpflichtet sind; Erstanwendung ab dem 1. Januar 2022.


Betroffene Unternehmen: Versicherungsunternehmen

Erstanwendung: für ab dem 1. Januar 2022 beginnende Geschäftsjahre


Gesetzliche Regelung

Die Ausnahmeregelung des § 341k Abs. 2 HGB für Versicherungsunternehmen wird aufgehoben. Dies führt dazu, dass der Abschlussprüfer bei Versicherungsunternehmen nicht mehr vom Aufsichtsrat bestimmt, sondern gem. § 318 Abs. 1 S. 1 HGB von den Gesellschaftern gewählt wird.



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