ESMA veröffentlicht European Common Enforcement Priorities 2021

Am 29. Oktober 2021 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority; ESMA) ihre europäischen Prüfungsschwerpunkte (common enforcement priorities) für das nachfolgende Kalenderjahr 2022, betreffend Abschlüsse gelisteter Unternehmen aus dem Kalenderjahr 2021, veröffentlicht. Das Public Statement ist unter folgendem Link (hier) zugänglich, die offizielle Presseerklärung ist hier abrufbar.

Die ESMA-Prüfungsschwerpunkte ergänzen – wie in den Vorjahren - die durch die nationalen Enforcer gesetzten Schwerpunkte und sind für die Unternehmen daher von gleicher Relevanz wie die national spezifischen Prüfungsschwerpunkte.

Die Schwerpunkte der ESMA sind in drei Abschnitte aufgeteilt:

Neben den Schwerpunkten erinnert die ESMA die Emittenten auch daran, dass ab dem Geschäftsjahr 2021 alle Jahresfinanzberichte gemäß Artikel 4 der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) in Übereinstimmung mit dem European Single Electronic Format (ESEF) erstellt werden müssen. Auf die die unterstützenden Materialien der ESMA wird verwiesen.

European common enforcement priorities

Die europäischen Prüfungsschwerpunkte bezogen auf IFRS Abschlüsse im Jahr 2021 (Abschnitt 1) sind:

Auswirkungen von COVID-19

Die ESMA weist auf die Berücksichtigung der langfristigen Folgen der COVID-19 Pandemie für die jeweilige Unternehmenstätigkeit der Abschlussersteller in der Berichterstattung, nach reiflicher Abschätzung, hin. Hierzu beruft sich die ESMA auf die bereits im 2020er Bericht gegebenen Hinweise. Im Mittelpunkt stehen u.a.

  • die Vorgaben nach IAS 1.25 (Angaben zu wesentlichen Unsicherheiten in Bezug auf Going Concern) sowie die Beachtung des Lehrmaterials des IASB hierzu sowie
  • transparente unternehmensspezifische Angaben quantitativer und qualitativer Natur zu Liquiditätsrisiken nach IFRS 7.

Die ESMA erwartet von Abschlusserstellern Angaben zur detaillierten Darstellung von Ermessensentscheidungen, Schätzungsprämissen und Annahmen, welche der geänderten ökonomischen Situation geschuldet sind, insofern dies zum allgemeinen Verständnis notwendig ist (bspw. Wertberichtigung/ -aufholung bei nicht-finanziellen Vermögenswerten gem. IAS 36 oder Ansatz von latenten Steuern aus nicht genutzten steuerlichen Verlustvorträgen gem. IAS 12). Ebenso sind Art und Umfang aller bedeutenden öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen gem. IAS 20.39 (z.B. Darlehen) zu erläutern.

Klimabezogene Angaben

Klimawandelbedingte Risiken sind bei der Erstellung und Prüfung des Geschäftsberichts zu berücksichtigen, soweit die einen wesentlichen Einfluss auf diesen haben. Vor dem Hintergrund bestehender internationaler Klimaabkommen haben Abschlussadressaten ein gesteigertes Interesse an den Effekten des Klimawandels auf die Unternehmen sowie den Effekt der Unternehmen auf die Bewältigung des Klimawandels. Daher fordert die ESMA eine konsistente Berichterstattung bezogen auf den Lagebericht, die Finanzberichterstattung, die nicht-finanzielle Berichterstattung und eventuell bestehende Wertpapierprospekte.

Zur adäquaten Berücksichtigung von Klimarisiken bei der Abschlusserstellung verweist die ESMA auf das veröffentlichte Lehrmaterial des IASB. Zugleich seien mit Verweis auf IAS 1.122-124 Informationen zu wesentlichen Ermessenentscheidungen des Managements bezogen auf Aspekten des Klimawandels im Anhang darzustellen. In Anwendung von IAS 1.112(c) sei nach Ansicht der ESMA auch zu erklären, warum beobachtbare signifikante klimabezogene Risiken keinen wesentlichen Einfluss auf den Abschluss hatten. Weiterhin seinen Informationen zu Schätzungsunsicherheit im Zusammenhang mit Klimawandelrisiken zu veröffentlichen, insbesondere etwaige Auswirkungen auf die Schätzung von Restnutzungsdauern bei (im-)materiellem Vermögen (IAS 16/IAS 38) sowie bei der Berücksichtigung als triggering event nach IAS 36.

Zudem sollten Emittenten ebenfalls mögliche Angaben nach IAS 37 berücksichtigen, so z.B. hinsichtlich bedingter Verbindlichkeiten für mögliche klimawandelbezogene Rechtsstreitigkeiten oder die Beseitigung von Umweltschäden bzw. möglicherweise zu begleichende (Klima-)Strafen oder notwendige Restrukturierungen.

Bemessung von erwarteten Kreditverlusten (Expected credit losses) bei Kreditinstituten

Die ESMA legt den Fokus auf eine erhöhte Transparenz in Bezug auf Angaben zu der Bemessung von erwarteten Kreditverlusten (ECL) bei Kreditinstituten. Dies gilt insbesondere für wesentliche Anpassungen der ECL-Berechnung zur Erfüllung der Zielsetzung und Prinzipien von IFRS 7.35B (Einflussvon Kreditrisiken auf zukünftige cash flows), so z.B. wenn im Rahmen der allgemeinen modellbasierten Ermittlung des ECL materielle Anpassungen (sog. model revisions, in-model-bzw. post-model-adjustments) vorgenommen werden. Diesbezügliche Erläuterungen sollen den Einfluss auf die ECL Schätzung, dessen Begründung sowie die angewande Methodik beschreiben.

Weiterhin erwartet die ESMA mehr Transparenz für signifikante Veränderungen des Kreditausfallrisikos (sog. stage transfers; insbesondere signifikante Erhöhungen [SICR]) und in Bezug auf zukunftsgerichtete Informationen (insbesondere auch für makroökonomische Parameter), für Änderungen bei Wertberichtigungen sowie bezogen auf die Auswirkungen der Risken des Klimawandels auf die ECL-Bewertung.

Nicht-finanzielle Berichterstattung (Abschnitt 2)

Auswirkungen von COVID-19

Emittenten sollen verstärkt auf die resultierenden Folgen für selbstgesteckte, eigene Nachhaltigkeitsziele sowie nicht-finanzielle Leistungsindikatoren (KPIs) eingehen. Ebenso sind Abschlussersteller dazu angehalten Einschätzungen in Bezug auf das eigene Geschäftsmodell, vor dem Hintergrund eines sich pandemiebedingt wandelnden wirtschaftlichen Umfelds, transparent darzulegen.

Klimabezogene Angaben

Die ESMA auch hebt die Anforderungen der Artikel 19a und 29a der Bilanz-Richtlinie 2013/34/EU nochmals hervor, wonach die in Bezug auf nichtfinanzielle Aspekte verfolgte unternehmensspezifischen Richtlinien und das Ergebnis dieser anzugeben sind. Die Methode und die damit verbundenen Ergebnisse im Bereich der klimabezogenen Angelegenheiten sind transparent zu machen. Zur Einhaltung der Anforderungen wird auf die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Berichterstattung über klimabezogene Informationen verwiesen. Sofern, wie wiederholt beobachtet, keine Angaben erfolgen, ermutigt ESMA Emittenten - als best practice - eine entsprechende Erklärung der Gründe für eine Nichtberücksichtigung zu geben. Dazu macht die ESMA weitere Empfehlungen zur Darstellung derartiger Aspekte in Geschäftsberichten.

Angaben nach Artikel 8 der Taxonomieverordnung

Zudem weist ESMA Emittenten darauf hin, die notwendigen Vorbereitungen für die Anwendung des einheitlichen europäischen elektronischen Berichtsformats (European Single Electronic Format, ESEF) zu treffen, um die Angabepflichten gemäß Artikel 8 der Taxonomieverordnungzu erfüllen, welche ab dem ab dem 1. Januar 2022 in Kraft tritt.

Alternative Leistungskennzahlen (Abschnitt 3)

Mit Blick auf die Anpassung angewandter und Entwicklung neuer alternativer Leistungskennzahlen (Alternative Performance Measures, APMs) aufgrund der Auswirkungen der COVID-19 Pandemie, ruft die ESMA zu Zurückhaltung auf. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass die allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie vielmehr einen grundsätzlichen Trend darstellen, als ein einmaliges (isoliertes) Ereignis. Daher ist nach Ansicht der ESMA eine Verbesserung der (narrativen) Erläuterungen im Geschäftsbericht bzgl. der financial statements einer Anpassung von Kennzahlen vorzuziehen.

Bereits im Vorjahr betonte die ESMA, wie wichtig es ist, relevante und transparente Informationen über die Auswirkungen von COVID-19 bereitzustellen. Zu diesem Zweck hat die ESMA bereits im Jahr 2020 die Publikation Q&A herausgegeben, das Leitlinien dazu enthält, wie Emittenten die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Geschäftstätigkeit darstellen. Dazu gelten weiterhin  auch die grundsätzlichen Leitlinien der ESMA zu APMs. Die ESMA hebt hervor, dass die herausgegebenen Leitlinien der wichtigste Bezugspunkt für die nationalen Enforcer bei der Prüfung von APMs sein werden.