unabhängig davon, ob Stammhaus oder Betriebsstätte Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind (Abschn. 2.9 Abs. 2 S. 2 UmsatzsteuerAE). Dies könnte sich auf Grund eines neuen EuGH-Urteils vom 11.03.2021 ändern:
Der EuGH sieht die Organschaft (Summe aller Organgesellschaften und des Organträgers) umsatzsteuerlich als einen eigenständigen Unternehmer an. Danach handelt es sich bei dem Stammhaus und dessen in einem anderen Staat gelegener Betriebsstätte umsatzsteuerlich um zwei unterschiedliche Unternehmer, wenn einer oder beide Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind. Nur wenn weder Stammhaus noch Betriebsstätte Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind, bleibt es lt. EuGH bei der bisherigen rechtlichen Konsequenz, dass umsatzsteuerlich nur ein Unternehmer gegeben ist.
Auch wenn vom EuGH nur ein Einzelfall entschieden wurde, hat die Entscheidung vor dem Hintergrund der angestrebten Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts in allen EU-Mitgliedstaaten eine enorme Bedeutung sowohl für deutsche Unternehmer, die außerhalb ihres inländischen Organkreises Betriebsstätten im Ausland unterhalten, als auch für inländische Betriebsstätten mit einem Stammhaus Ausland.
Dieses Urteil hat für Versicherungsunternehmen besondere Bedeutung, da dadurch in vielen Unternehmen zusätzlich entstehende Umsatzsteuer allenfalls teilweise als Vorsteuer abziehbar wäre. Hier stellen sich deshalb zahlreiche Fragen, u.a.:
- Wird die Finanzverwaltung des betreffenden EU-Mitgliedstaats das Urteil anwenden und wenn ja ab wann (ggf. auch rückwirkend für alle noch offenen Zeiträume)?
Die Umsatzsteuer entsteht bei sonstigen Leistungen zwischen Unternehmern regelmäßig im Mitgliedstaat des Leistungsempfängers. Die Steuer wird dann vom Leistungsempfänger geschuldet (Reverse Charge).
- Können Kostenumlagen des Stammhauses an seine Betriebsstätte(n) und umgekehrt umsatzsteuerpflichtig werden? Hierfür müssen u.E. nicht zwingend schuldrechtliche Vereinbarungen zugrunde gelegt werden. Auch die im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach dem AStG und der BsGaV zu berücksichtigenden „Dealings“ könnten damit der Umsatzsteuer unterfallen.
- Sind im Fall einer Steuerbarkeit im Einzelfall Steuerbefreiungstatbestände einschlägig (insbesondere § 4 Nr. 10a, Nr. 10b oder Nr. 11 UmsatzsteuerG)?
- Wirken sich die steuerpflichtigen Ausgangsleistungen auf den Vorsteuerschlüssel aus? Welche Auswirkung hat dies auf den Vorsteuer-Abzug?
- Ist es im Einzelfall möglich/vorteilhaft für den Vorsteuerabzug, Rechnungen künftig aufgeteilt nach Stammhaus und Betriebsstätten ausstellen zu lassen?
- Ist es im Einzelfall sinnvoll, die umsatzsteuerliche Organschaft insgesamt aufzulösen oder zumindest das Stammhaus herauszulösen? Wie wäre dabei vorzugehen? Welche regulatorischen Folgen hätte dies?
Gerne unterstützen wir Sie bei der Überprüfung und Umgestaltung der von dieser Rechtsprechung betroffenen Strukturen.