Immobilien- und Baubranche im Krisenmodus

Hohes Zinsniveau und sinkende Nachfrage stellen Unternehmen vor Herausforderungen

Erst erwischte es die Automobilindustrie und den Handel, dann den Gesundheitssektor. Und inzwischen stecken auch die Immobilien- und die Baubranche in einer tiefen Krise. Immobilienentwickler gehen pleite, Unternehmen wie Vonovia haben den Neubau eingestellt, in vielen Städten lösen sich große Städtebauprojekte in Fantasie auf. Nach den goldenen Boomjahren, in denen die Immobilienpreise nur den Weg nach oben kannten und die Baubranche sich vor Aufträgen nicht retten konnte, folgte der Absturz. Der ifo Geschäftsklimaindex für den Wohnungsbau ist auf ein Allzeittief gefallen.

Gestiegene Zinsen, hohe Kostensteigerungen, eine allgemein schwierige Wirtschaftslage – die aktuellen multiplen Krisenursachen wirken in ihrem Zusammenspiel wie ein Brandbeschleuniger. So stehen die Immobilien- und die Baubranche teilweise vor denselben Herausforderungen wie die Autobranche, der Handel und das Gesundheitswesen. Durch ihre Komplexität und Dimension stehen sie perspektivisch sogar vor noch größeren spezifischen Herausforderungen, was Faktoren wie Nachhaltigkeit und Belastbarkeit der Lieferkette angeht. Denn hier gibt es auch eine gesellschaftliche Komponente: Wohnraumknappheit bedeutet sozialen und politischen Sprengstoff. Umso mehr ist es jetzt daran, tragfähige Lösungen zu entwickeln.

Worauf es jetzt ankommt

Oberstes Gebot muss es sein, die Risiken im eigenen Immobilienbestand oder -projekt zu erkennen und durch eine Diversifizierung des Portfolios zu reduzieren. In vielen Fällen empfehlen wir, in verschiedene Arten von Immobilien oder in unterschiedliche geografische Regionen zu investieren. Dafür sollten fundierte wirtschaftliche Daten zugrunde gelegt werden, die insbesondere das Zusammenspiel der jeweiligen mikroökonomischen Situation des Unternehmens und die darauf wirkenden makroökonomischen Faktoren berücksichtigen. Wichtig ist dabei der richtige und klare Blick auf die rechtlichen und insbesondere regulatorischen Rahmenbedingungen. Unter Umständen ist in Betracht zu ziehen, sich von nicht strategischen Immobilienbeständen zu trennen, um nötiges Kapital für neue Investitionen freizusetzen.

Das weiterhin hohe Zinsniveau und sinkende Nachfrage lassen die Marktwerte der Immobilien weiter fallen. Wer derzeit zum Verkauf gezwungen ist, wird dies in der Regel nur zu geringeren Preisen realisieren können. Mit Hilfe einer professionellen Transaktionsbegleitung lässt sich durch eine geeignete Exit-Strategie, eine passende Investorenauswahl sowie eine geschickte Verhandlungsführung und Vertragsgestaltung erfahrungsgemäß ein besserer Verkaufserfolg erzielen. Besonders wichtig ist es dabei, mit den Beteiligten die Zeitachse so zu gestalten, nicht „unter Druck” zu kommen – ansonsten droht eine weitere Reduktion des Verkaufspreises.

Ist ein Verkauf von Immobilien keine Option, müssen regelmäßig Werthaltigkeitsprüfungen (Impairment Tests) vollzogen werden, die das Ausmaß etwaiger Wertminderungen aufdecken. Sind infolgedessen die Buchwerte auf den aktuellen Marktwert (Fair Value) zu korrigieren, weil sie dem erwarteten Risiko der zukünftigen Cashflows nicht mehr gerecht werden, kann dies erheblichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben. Wenn die bilanzielle Abwertung des Immobilienvermögens zu einer Verringerung des Eigenkapitals und Verschlechterung der Eigenkapitalquote führt, gefährdet dies die Kreditwürdigkeit und verursacht höhere Finanzierungskosten. Es ist daher ratsam, mit Hilfe erfahrener Wertgutachterinnen und -gutachter 

die wertbeeinflussenden Faktoren bei der Immobilienbewertung zu nutzen. Um hier im Sinne der Wertstabilität Unsicherheiten bei den Beteiligten - insbesondere den Finanzierern - zu vermeiden, ist es entscheidend, proaktiv zu handeln und Transparenz zu schaffen. So lässt sich Ruhe in den Prozess bringen und Werte können gesichert werden.

Aktuelle Risiken

Da die Immobilien in der Regel auch zur Kreditsicherung eingesetzt werden, erschweren sinkende Marktwerte eine Überbrückungs- oder Anschlussfinanzierung. Bei begrenzten Finanzierungsoptionen droht schlimmstenfalls ein Engpass an liquiden Mitteln. Insbesondere in diesem Zusammenhang gilt es, durch frühzeitiges Handeln verschiedene Szenarien zu entwickeln, die auch eine Worst-Case-Absicherung beinhalten. Hierbei geht es insbesondere auch um die Vermeidung der persönlichen Haftung der Unternehmensleitung.

Liquiditätsprobleme

Darüber hinaus bestehen derzeit am Immobilienmarkt weitere Auslöser für Liquiditätsrisiken. Die zu Beginn von vielen Projektentwicklern angenommenen Verkaufserlöse lassen sich aufgrund der enormen Zinssteigerungen und damit einhergehenden Renditeerwartungen nicht mehr realisieren. Dies gefährdet die Kapitaldienstfähigkeit und sorgt für Liquiditätsprobleme. Allein in diesem Jahr sind aufgrund dessen mehrere namhafte Immobilienprojektentwickler in die Insolvenz gerutscht.

Zudem ist die Anfälligkeit der eigenen Finanzierungsstruktur und Renditeplanung für eine negative Zinsentwicklung zu prüfen. Wenn ein Großteil der Schulden auf variablen Zinssätzen basiert oder nur kurzfristige Absicherungen bestehen, kann dies ein erhöhtes Zinsrisiko darstellen. Höhere Zins- und damit Finanzierungskosten reduzieren die Renditen der Immobilieninvestitionen. Die ausbleibenden Gewinnbeiträge bringen schnell auch große Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage. Aufgrund dieser multiplen Herausforderungen ist davon auszugehen, dass sich die gegenwärtig zu beobachtende Marktbereinigung der Projektentwickler mit weiteren Insolvenzen fortsetzen wird. Es ist zu befürchten, dass sich diese Marktlage vor dem Hintergrund eines noch nicht als durchschlagend erkannten politischen Handlungsprogramms in absehbarer Zeit auch auf die Baubranche auswirkt.

In Anbetracht der Herausforderungen ist erfolgskritisch, jederzeit wirtschaftlich überzeugende Lösungen zu haben, die an die jeweilige Situation und rechtlichen Rahmen- und Gestaltungsbedingungen angepasst werden können.

Zusammengefasst kommt es nach unserer Erfahrung maßgeblich darauf an, 

  • eigene Analysen der Situation auf Basis belastbarer, aktueller Zahlen durchzuführen,
  • Risiken zu identifizieren und zu quantifizieren, um
  • Handlungsbedarf zu bestimmen und lösungsorientiert Maßnahmen zu entwickeln.

Höchste Bedeutung hat dabei Transparenz. Sie ist die Basis für Konzepte, die auch von Dritten überprüfbar sind und Grundlage möglicher Handlungsszenarien bilden, die insbesondere rechtlich bewertbar und gestaltbar sind.

Den entscheidenden Unterschied macht das Erkennen bedeutender Risiken, die Analyse der darauf einwirkenden Faktoren und frühzeitiges Handeln auf Basis ganzheitlicher Ansätze, die zu vielschichtigen Antworten und Lösungen führen. Dies gilt nicht zuletzt auch im Rahmen der Risko- und persönlichen Haftungsabwehr der Unternehmensleitung. So bewähren sich in der Krise immer mehr die Möglichkeiten einer Sanierung unter dem Schutz des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (“StaRUG”) zur Vermeidung einer Insolvenz.

Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die vorgenannten Punkte, insbesondere in ihrer Verknüpfung, ausschlaggebend sind, um Stakeholder – insbesondere (Finanz-) Gläubiger und Gerichte – zu überzeugen. Nach unserer Einschätzung dürfte das insbesondere im Zusammenhang mit Fondsfinanzierungen relevant sein, um sich überschlagende Entwicklungen und eine Insolvenz im Sinne der langfristigen Wertsicherung zu vermeiden.