Berücksichtigung einer Erhaltungsrücklage


Bei der Vermietung von Eigentumswohnungen leisten in der Regel die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft monatliche Wohngeld-Zahlungen. Nach dem Wohnungseigentümergesetz (WEG) muss diese eine angemessene Erhaltungsrücklage – vor der Gesetzesänderung durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.10.2020 als „Instandhaltungsrückstellung“ bezeichnet – für die Instandhaltung der Immobilie bilden. Ungleich den Vorschüssen für die Betriebs- und Verwaltungskosten, können die Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage nach aktuellem Rechtsstand nicht zum Zahlungszeitpunkt als Werbungskosten berücksichtigt werden, sondern erst, wenn die Rücklagen tatsächlich für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für andere Maßnahmen verausgabt werden. 

Das bedeutet für die Praxis, dass in den Wohngeld-Zahlungen enthaltene Zuführungsbeträge zur Erhaltungsrücklage gekürzt werden müssen und die Vermietungseinkünfte erst bei tatsächlicher Verausgabung für Erhaltungsmaßnahmen mindern. Das gilt unabhängig davon, dass die Beiträge zur Erhaltungsrücklage mit der Zahlung bei der Wohnungseigentümerin oder dem Wohnungseigentümer abgeflossen sind und ihr bzw. ihm nicht mehr zur freien Verfügung stehen. Dieselben Rechtsgrundsätze sind auch in den Fällen der selbstgenutzten Eigentumswohnungen für die Berücksichtigung einer Steuerermäßigung für haushaltsnahe Aufwendungen nach § 35a EStG maßgebend. Die Aufwendungen aus der Erhaltungsrücklage sind ferner nur verteilt auf die gewöhnliche Nutzungsdauer als Absetzung für Abnutzung abziehbar, wenn es sich dabei um größere Anschaffungen oder Maßnahmen, die zu Herstellungskosten führen, handelt. Die zugeführten und noch nicht verbrauchten Rücklagenbeträge spielen zudem im Fall einer Veräußerung der Immobilie eine Rolle – der übertragene Anteil der Erhaltungsrücklage geht auf die Erwerberin bzw. den Erwerber über und kann daher nicht von der Veräußerin bzw. dem Veräußerer zum Abzug gebracht werden.

Im Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Nürnberg vertrat ein Vermieter die Ansicht, dass bei vermieteten Eigentumswohnungen die Zuführung zur Erhaltungsrücklage als sofort abzugsfähige Werbungskosten – d.h. nach dem Zu- und Abflussprinzip gemäß § 11 EStG im Zeitpunkt der Zahlung – berücksichtigt werden muss. Er begründete dies damit, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der besagten Reform des WEG zum 01.12.2020 die Rechtsfähigkeit erlangte. Bisher ist diese Rechtsauslegung des „neuen“ WEG noch keine gängige Praxis in der Finanzverwaltung. Das FG Nürnberg lehnte im Urteil vom 12.03.2024 (Az. 1 K 866/23, aktuell nicht veröffentlicht) den Werbungskostenabzug für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage bereits im Zeitpunkt des Abflusses ab, ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung jedoch die Revision zu.
 

Hinweis:

Der Vermieter hat gegen die Entscheidung des FG Nürnberg Revision eingelegt. Damit muss der BFH (Az. IX R 19/24) abschließend über den Zeitpunkt des Werbungskostenabzugs für die Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage nach der Novellierung des WEG entscheiden. Wenn steuerlich sinnvoll, können Vermieterinnen bzw. Vermieter grundsätzlich mittels Einspruchs die Fälle offenhalten und mit Verweis auf den BFH ein Ruhen des Verfahrens bis zu seiner Entscheidung beantragen.