Der Gewinn aus der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft wird gem. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als sog. Einbringungsgewinn II besteuert, wenn im Rahmen einer Sacheinlage i.S.d. § 20 Abs. 1 UmwStG oder eines qualifizierten Anteilstausches i.S.d. § 21 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert eingebrachte Anteile innerhalb von sieben Jahren seit der Einbringung durch die übernehmende Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar veräußert werden und insoweit dieser Veräußerungsgewinn beim Einbringenden nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund kommt eine solche rückwirkende Besteuerung vor allem bei natürlichen Personen als Einbringende in Betracht.
Unter einer Veräußerung versteht man dabei insbesondere die entgeltliche Übertragung der eingebrachten Anteile auf einen anderen Rechtsträger. Daneben kann die rückwirkende Besteuerung nach § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG aber auch bei Erfüllung von Ersatztatbeständen im Rahmen bestimmter Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge ausgelöst werden. So kommt es nach dem BFH-Urteil vom 18.11.2020, Az. I R 25/18, zu einem Einbringungsgewinn II, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird. In seinem Urteil vom 27.11.2024, Az. X R 26/22, hatte der BFH zu klären, ob es auch dann zu einem Einbringungsgewinn II kommt, wenn der Formwechsel nicht die übernehmende Kapitalgesellschaft, sondern die Gesellschaft betrifft, deren Anteile in die übernehmende Kapitalgesellschaft eingebracht worden sind.
Im Streitfall waren zwei natürliche Personen als Gesellschafter mit 98 % bzw. 2 % sowohl an der XA-GmbH als auch im selben Verhältnis an der X-GmbH beteiligt. Auf einer Gesellschafterversammlung der X-GmbH wurde eine Erhöhung des Stammkapitals dieser Gesellschaft beschlossen. Dazu brachten die Gesellschafter ihre jeweiligen Anteile an der XA-GmbH im Rahmen eines sog. qualifizierten Anteilstausches gem. § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG in die X-GmbH zum Buchwert ein. Anschließend wurde der Formwechsel der XA-GmbH in die XA-KG zu Buchwerten beschlossen. Dieser stellte nach Auffassung des Finanzamts eine Veräußerung der Anteile an der XA-GmbH durch die X-GmbH dar und führte somit zur Entstehung eines Einbringungsgewinns II gem. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG. Das FG Münster und der BFH sahen dies genauso.
Wird eine Kapitalgesellschaft (im Streitfall: XA-GmbH), deren Anteile in die übernehmende Gesellschaft (im Streitfall: X-GmbH) eingebracht wurden, formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt, stellt dies eine Veräußerung dieser Anteile durch die übernehmende Gesellschaft i.S.d. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG dar. Der zivilrechtlich identitätswahrende Charakter des Formwechsels (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) steht dem nicht entgegen, da der ertragsteuerrechtliche Begriff der Veräußerung in ständiger BFH-Rechtsprechung umwandlungssteuerspezifisch zu verstehen und somit auch der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als Vermögensübergang („tauschähnlicher entgeltlicher Rechtsträgerwechsel“) anzusehen ist.
Aus der Sicht des BFH kam auch keine sog. teleologische Reduktion, also eine einschränkende Auslegung der Vorschrift, in Betracht. Die rückwirkende Besteuerung nach § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG bezweckt nämlich, dass die im Zeitpunkt des qualifizierten Anteilstausches in den eingebrachten Anteilen ruhenden stillen Reserven, die in der Hand des Einbringenden nach Maßgabe der allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen steuerverstrickt waren, bei einer innerhalb von sieben Jahren stattfindenden Veräußerung durch die übernehmende Gesellschaft auch weiterhin der Besteuerung unterliegen. Dem stand im Streitfall aber entgegen, dass sich durch die Umwandlung der XA-GmbH in eine Personengesellschaft die stillen Reserven dieser Gesellschaft mit denen der X-GmbH vermischt haben. Vor dem Formwechsel waren die stillen Reserven der XA-GmbH und ihrer – seit dem Anteilstausch – alleinigen Anteilseignerin X-GmbH ertragsteuerrechtlich voneinander getrennt. Aufgrund des Formwechsels wurde das Trennungsprinzip dann aber durch das für Personengesellschaften kennzeichnende Transparenzprinzip ersetzt. Die Sphären der X-GmbH und der XA-KG waren also nicht mehr voneinander getrennt. Vielmehr waren der X-GmbH die Wirtschaftsgüter der XA-KG und damit auch deren stille Reserven ertragsteuerrechtlich anteilig zuzurechnen.
Hinsichtlich einer möglichen teleologischen Reduktion ist auch zu beachten, dass die Anteile an der XA-GmbH nach dem Formwechsel weder formell noch hinsichtlich der möglichen Steuerbelastung in den steuerlichen Status zurückfallen konnten, in dem sie sich vor dem Anteilstausch befunden hatten. Würde nämlich die X-GmbH ihre Anteile an der nunmehrigen XA-KG veräußern, wäre dies bei einem Körperschaftsteuersatz von 15 % immer noch deutlich günstiger als es vor dem Anteilstausch die Veräußerung von Anteilen an der XA-GmbH durch die natürlichen Personen als Gesellschafter gewesen wäre, bei der es zu einer Anwendung des sich auf bis zu 45 % belaufenden progressiven Einkommensteuertarifs auf 60 % des Veräußerungsgewinns gekommen wäre.
Unerheblich ist, ob im konkreten Fall durch eine andere Reihenfolge der einzelnen Umstrukturierungsschritte (zunächst Formwechsel, dann Einbringung der Anteile) eventuell eine steuerneutrale Umsetzung des Gestaltungsziels hätte erreicht werden können. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung sind stets der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt und die darauf anwendbaren Rechtsvorschriften.
Da im Streitfall nicht feststand, ob es nicht noch kurz vor dem Formwechsel zu einer Anteilsveräußerung von 2 % gekommen war, wurde die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Münster zurückverwiesen.
Das Besprechungsurteil zeigt, dass bei Folgeumwandlungen innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist nach § 22 UmwStG besondere Aufmerksamkeit geboten ist. Eine Umstrukturierungsmaßnahme nach einem Einbringungsvorgang nach §§ 20, 21 UmwStG unterhalb des gemeinen Werts kann nur in Ausnahmefällen – wie bspw. unter Anwendung von § 22 Abs. 2 S. 6 i.V.m. Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG – ohne ungewollte Steuerbelastungen vollzogen werden. In bestimmten darüber hinausgehenden Einzelfällen in anderen Konstellationen, in denen insbesondere keine Statusverbesserung eintritt, kann auch von einer Besteuerung abgesehen werden (Rn. 22.23 des Umwandlungssteuererlasses vom 02.01.2025); insoweit ist aber eine vorherige Abstimmung mit der Finanzverwaltung geboten.