Erbschaftsteuer: Neue Entwicklung beim 90%-Verwaltungsvermögenstest
Erbschaftsteuer: Neue Entwicklung beim 90%-Verwaltungsvermögenstest
90 %-Verwaltungsvermögenstest
Wird betriebliches Vermögen durch Schenkung oder im Rahmen eines Erbfalls übertragen, können Steuerbefreiungen nach § 13a ff. ErbStG zur Anwendung kommen. § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG schließt hingegen begünstigungsfähiges Betriebsvermögen iSd § 13b Abs. 1 ErbStG von den Begünstigungen aus, wenn das Bruttoverwaltungsvermögen iSd § 13b Abs. 4 ErbStG vor Schuldenverrechnung mindestens 90% des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt. Bei der Übertragung von Unternehmen, die von Natur aus einen hohen Bestand an Finanzmitteln aufweisen, besteht deshalb immer die Gefahr, diesen sog. “Einstiegstest“ nicht zu bestehen. Die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen werden dann vollständig nicht gewährt (sog. „Fallbeileffekt“).
Die Regelung wurde in das Gesetz eingefügt, um eine Mitbegünstigung von übermäßigem Verwaltungsvermögen und damit missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern.
Bisherige Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hatte mit den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 einen umfassenden Katalog erstellt, nach dem das dort aufgeführte betriebliche Vermögen für die Ermittlung des 90 %-Verwaltungsvermögenstestes als schädliches sonstiges Verwaltungsvermögen und Finanzmittel zu berücksichtigen ist. Ein Schuldenabzug zum Ausgleich des Verwaltungsvermögens wurde jedoch nicht zugelassen. Dies führte dazu, dass für zahlreiche Übertragungen von dem Sinn und Zweck des Erbschaftsteuergesetzes nach grundsätzlich zu verschonenden betrieblichen Vermögen die Steuerbefreiungen nicht gewährt wurde. Insbesondere traf dies Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeiten über umfangreiche Finanzmittel verfügen.
BFH negiert Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
Nach dem Urteil des BFH vom 13.09.2023 (Az.: II R 49/21) ist § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG jedoch dahingehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln besteht und deren Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit dient, für den dort verankerten 90%-Verwaltungsvermögenstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind. Der BFH hatte in seinem Urteil jedoch ausschließlich auf Handelsgesellschaften abgestellt, so dass unklar war, ob sich dieses Urteil auch für andere Gesellschaften positiv auswirkt.
Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
Mit gleichlautenden Ländererlassen vom 19.06.2024 hat sich die Finanzverwaltung nunmehr dieser Rechtsprechung angeschlossen und einen Abzug der Schulden zugelassen, soweit es sich bei der Gesellschaft um eine Gesellschaft handelt, deren Hauptzweck eine gewerblichen Tätigkeit iSd § 15 Abs. 1 S. 1 EStG dient. Eine Beschränkung auf Handelsgesellschaften wurde also nicht vorgenommen.
Ausblick
Insgesamt sind das Urteil des BFH vom 13.09.2023 wie auch die auf diesem Urteil aufbauenden Ländererlasse der Finanzverwaltung sehr zu begrüßen, allerdings bleiben zentrale Aspekte nach wie vor offen. Dies betrifft etwa die Frage, nach welchen Kriterien der Hauptzweck eines Betriebs im Falle gemischter Tätigkeiten rechtssicher beurteilt werden kann. Auch fehlen klare Vorgaben, wie in Konzernstrukturen die Entscheidung über den Hauptzweck zu treffen ist, wenn die einzelnen Gesellschaften jeweils unterschiedliche Tätigkeiten verfolgen. Weiter greifen weder das Urteil des BFH noch die Ländererlasse die praktisch bedeutsame Frage auf, wie der Terminus „betrieblich veranlasste Schulden“ genau zu verstehen ist, insbesondere ob hierunter bei Personengesellschaften auch Verbindlichkeiten des Sonderbetriebsvermögens fallen können.
Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung der Praxis auch für diese zentralen Fragen zeitnah verlässliche Kriterien mit an die Hand gibt. Wir werden daher die weitere Entwicklung für Sie im Blick behalten.