Finanzverwaltung erkennt inkongruente Gewinnausschüttungen an

Nach dem Urteil des BFH vom 28.09.2022, VIII R 20/20, ist ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung einer GmbH unter bestimmten formalen Voraussetzungen als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss auch der Besteuerung zugrunde zu legen. Die Finanzverwaltung übernimmt die Urteilsgrundsätze und ändert damit ihre bisher im BMF-Schreiben vom 17.12.2013 niedergelegte Rechtsauffassung. 

Mit aktuellem Schreiben vom 04.09.2024 erkennt die Finanzverwaltung nun inkongruente – also vom Verhältnis der Anteile am Grund- oder Stammkapital abweichende – Gewinnausschüttungen steuerrechtlich grundsätzlich an. Den BFH-Grundsätzen folgend setzt dies aber zwingend voraus, dass der entsprechende Ausschüttungsbeschluss zivilrechtlich wirksam ist. Das BMF-Schreiben erläutert die Grundlagen und Besonderheiten der insoweit praktisch auftretenden Konstellationen. 

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) 

Wurde bereits im Gesellschaftsvertrag ein vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichender Aufteilungsmaßstab festgesetzt und entspricht die Ausschüttung diesem Verhältnis, ist die steuerliche Anerkennung unproblematisch. Allerdings setzt die Finanzverwaltung für eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertrags zur Regelung einer inkongruenten Gewinnverteilung voraus, dass dieser auch die Gesellschafter zustimmen, die von der Veränderung nachteilig betroffen sind. Ob dies bei bestimmten Beteiligungskonstellationen und Mehrheitserfordernissen (Mehrheitsbeteiligung liegt über der für Vertragsänderungen erforderlichen Mehrheit) aber für die zivilrechtliche Wirksamkeit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderlich ist, erscheint fraglich. 

Die steuerliche Anerkennung einer abweichenden Gewinnverteilung besteht ebenfalls, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Klausel enthält, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine von der satzungsmäßigen oder gesetzlichen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann. Voraussetzung ist wegen der nötigen zivilrechtlichen Wirksamkeit jedoch, dass der Beschluss auch mit den erforderlichen Gesellschafterzustimmungen und der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Mehrheit gefasst worden ist. 

Über diese bisher schon anerkannten Konstellationen hinaus wird nun auch ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung steuerlich anerkannt. Dieser muss von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden sein und darf von keinem Gesellschafter angefochten werden können. Auch wenn das BMF-Schreiben – unter Bezugnahme auf den vom BFH entschiedenen Fall – nur von einer Vorabausschüttung spricht, dürften diese Grundsätze auch für jegliche Gewinnausschüttungen gelten. 
 

Hinweis:

Diese (wenigen) formalen Vorgaben gelten nur für einen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss, dessen Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme erschöpft und nicht die Satzung mit Wirkung für die Zukunft ändert. Bei einem satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschluss, der eine gewisse Dauerwirkung entfaltet, sind darüber hinaus alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung einzuhalten.

Aktiengesellschaft (AG)

Bei einer AG ist für die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung unverändert erforderlich, dass bereits die Satzung einen vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel festlegt und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine bloße Öffnungsklausel in der Satzung oder ein satzungsdurchbrechender Beschluss können somit die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung nicht begründen.
 

Hinweis:

Mit Übernahme der bereits vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze auch durch die Finanzverwaltung werden die Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis zumindest bei GmbHs erfreulicherweise deutlich erweitert. Dennoch sollte auf die jeweiligen formalen Anforderungen ausreichend Sorgfalt gelegt werden. Die Einschränkungen bei der AG sind vor dem Hintergrund der bereits gesellschaftsrechtlich deutlich restriktiveren Regelungen nachvollziehbar.