Kürzere Gebäudenutzungsdauer und Nießbrauch
Kürzere Gebäudenutzungsdauer und Nießbrauch
Ein Gebäude kann gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 EStG grundsätzlich über die typisierte Nutzungsdauer von 50, 40 oder 33 1/3 Jahren abgeschrieben werden. Bei einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer kann die Gebäude-AfA stattdessen gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 EStG entsprechend mit einem höheren Prozentsatz angesetzt werden. Hierfür bedarf es einer sachverständigen Schätzung der Nutzungsdauer im Rahmen eines Gutachtens, die sich insbesondere auf die individuellen Gegebenheiten des Objekts bezieht. Zum Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer kommt jede hierfür als geeignet erscheinende sachverständige Methode in Frage, so der BFH bereits im Urteil vom 28.07.2021 (Az. IX R 25/19; BDO Insight). Die Entscheidung wurde teilweise jedoch als eine generelle Nachweiserleichterung missverstanden, was zu einem Anstieg der Anträge auf Berücksichtigung einer kürzeren Nutzungsdauer – allein unter Berufung auf die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und ohne Einbeziehen eines oder einer öffentlich bestellten Sachverständigen - geführt hat.
In seinem aktuellen Urteil vom 23.01.2024 (Az. IX R 14/23) räumt der BFH die entstandene Fehlinterpretation aus und stellt klar, dass er ausschließlich eine Verengung auf eine bestimmte Gutachtenmethode oder ein bestimmtes Ermittlungsverfahren bei der sachverständigen Begutachtung ablehnt. Damit widerspricht er jedoch der Verwaltungsauffassung im BMF-Schreiben vom 22.02.2023, wonach das Gutachten Ausführungen zu sämtlichen für die Restnutzungsdauer maßgeblichen Determinanten (den technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Einflussfaktoren) enthalten muss. Somit wäre aus der Sicht der Finanzverwaltung ein Verkehrswertgutachten auf Grundlage der ImmoWertV für baurechtliche Zwecke für die Nachweisführung der Restnutzungsdauer eines Gebäudes für steuerrechtliche Zwecke ungeeignet.
Nach Maßgabe der BFH-Entscheidung genügt jedoch auch ein auf die Vorgaben der betreffenden ImmoWertV gestütztes Sachverständigengutachten, um Aufschluss über die für die tatsächliche Nutzungsdauer maßgeblichen Determinanten zu geben. Die ImmoWertV stellt zwar nicht auf den technischen Verschleiß eines Gebäudes ab; vielmehr wird die Restnutzungsdauer nach den Vorgaben der ImmoWertV nach wirtschaftlichen Kriterien bestimmt. Allerdings ist eine kürzere wirtschaftliche oder rechtliche Nutzungsdauer entweder nur bedingt oder zumeist gar nicht vom technischen Gebäudezustand abhängig. Die Notwendigkeit von sachverständigen Feststellungen zum technischen Verschleiß des Gebäudes entfällt zumindest dann, wenn die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer auf einer wirtschaftlichen Abnutzung oder auf rechtlichen Gegebenheiten beruht.
Hinweis:
Der BFH erleichtert zwar die Nachweisführung über eine kürzere Gebäudenutzungsdauer gegenüber der strengen Auffassung der Finanzverwaltung. Letztlich muss der Steuerpflichtige jedoch weiterhin ein Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen vorlegen, um eine kürzere Nutzungsdauer und demzufolge einen höheren Abschreibungssatz geltend machen zu können. Angesichts der Gutachtenkosten ist dann jedoch die Verhältnismäßigkeit der Aufwendungen zum angestrebten steuerlichen Vorteil im Einzelfall zu prüfen.
Des Weiteren war die Berücksichtigung des Wertes eines Nießbrauchrechts bei der Bemessungsgrundlage für die Gebäude-AfA strittig. Die Klägerin hatte vermächtnishalber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück erhalten, Erben waren ihre beiden Söhne. Hierfür verpflichtete sie sich, die auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten zu übernehmen. Zu einem späteren Zeitpunkt erwarb sie den hälftigen Miteigentumsanteil eines ihrer Söhne. Aus dem damit angeblich verbundenen Wegfall des hälftigen Nießbrauchsrechts leitete sie in Höhe dessen kapitalisierten Werts Gebäudeanschaffungskosten ab. Dies lehnte das Finanzamt ab und wurde insoweit vom BFH bestätigt.
Denn bereits tatbestandlich setzen Anschaffungskosten Aufwendungen des Steuerpflichtigen voraus und erfordern eine wirtschaftliche Belastung. Im Streitfall hatte die Berechtigte jedoch in Bezug auf das Nießbrauchsrecht keinen mit dem Eigentumserwerb am Grundstück in Zusammenhang stehenden Aufwand getragen. Sie gab das Nießbrauchsrecht nicht hin, um den Miteigentumsanteil an dem Grundstück unbelastet zu erwerben. Vielmehr blieb die Klägerin nach geltender Rechtslage (§ 889 BGB) trotz Eigentumserwerbs Inhaberin des Nießbrauchsrechts. Dieses besteht als Eigentumsrecht des (neuen) Eigentümers fort. Für Anschaffungskosten war insoweit deshalb kein Raum.
Andererseits hatte die Nießbrauchsberechtigte im Zuge der Nießbrauchsbestellung auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeiten übernommen. Auch wenn ein Nießbraucher zur Tragung gewisser öffentlicher und privatrechtlicher Lasten - insbesondere der Zinsverbindlichkeiten aus den Grundstücksbelastungen zum Zeitpunkt der Nießbrauchbestellung – verpflichtet ist, geht die Einwilligung der Nießbraucherin, den Eigentümer auch von der Darlehenstilgung zu entlasten, über diese gesetzliche Verpflichtung hinaus. Insoweit entstehen daher Anschaffungskosten für das Nießbrauchsrecht. Für das auf diese Art entgeltlich erworbene Nießbrauchsrecht kann die Berechtigte über die Dauer des Nießbrauchs die AfA geltend machen. Da das Finanzgericht zur Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten keine Feststellungen getroffen hatte, verwies der BFH das Verfahren zurück.