Zur tatsächlichen Durchführung von Gewinnabführungsverträgen

Für eine ertragsteuerliche Organschaft muss ein Gewinnabführungsvertrag für eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer tatsächlich durchgeführt werden. Der BFH äußert sich in seinem Urteil vom 02.11.2022, Az. I R 29/19, insbesondere zur zweitgenannten Voraussetzung, wenn sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch über das Vermögen der Organgesellschaft Insolvenzverfahren eröffnet wurden.

Im Streitfall wurde beginnend ab dem Jahr 2006 eine ertragsteuerliche Organschaft vereinbart. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 01.06.2009 lagen für die Jahre 2006 und 2007 die festgestellten Jahresabschlüsse sowie für das Jahr 2008 lediglich ein vorläufiger Jahresabschluss vor. Der Insolvenzverwalter reichte infolgedessen für den Organträger für die Streitjahre 2006 und 2007 geänderte Steuererklärungen ein, in denen er abweichend von den bisher unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Veranlagungen mangels tatsächlicher Durchführung des Gewinnabführungsvertrags keine ertragsteuerliche Organschaft mehr erklärte. Das Finanzamt hingegen ging weiterhin von einer bestehenden Organschaft aus. Der BFH gab im Wesentlichen dem Insolvenzverwalter Recht, wies die Rechtssache aber zwecks weiterer Sachverhaltsaufklärung an das erstinstanzliche Finanzgericht zurück.

Die tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags setzt u.a. die endgültige Ermittlung des zutreffenden handelsrechtlichen Ergebnisses sowohl auf Ebene des Organträgers als auch auf Ebene der Organgesellschaft voraus. Kann ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigiert werden und wäre bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze im endgültigen Jahresabschluss ein anderes Ergebnis auszuweisen, gilt der Gewinnabführungsvertrag als nichtdurchgeführt. Es kommt mithin insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der ertragsteuerlichen Organschaft. Für den Streitfall bedeutete dies, dass der Insolvenzverwalter aufgrund des dadurch deutlich reduzierten Jahresüberschusses des Organträgers Steuererstattungsansprüche zur Sicherung der Masse und zum Zweck der Gläubigerbefriedigung erlangte.

Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass die Verbindlichkeiten aus dem Gewinnabführungsvertrag durch die Insolvenz zu Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO werden, die grundsätzlich nicht mehr bedient werden dürfen.
 

Hinweis:
Abgesehen von Spezialfällen wie der Insolvenz, die keine Korrekturmöglichkeit des vorläufigen Jahresabschlusses aufgrund insolvenzrechtlicher Restriktionen zulässt, sollte im Übrigen eine ertragsteuerliche Organschaft bestehen bleiben. Dies gilt insbesondere, wenn der Fehler entweder für Zwecke der tatsächlichen Durchführung geheilt oder der fehlerhafte Jahresabschluss noch geändert werden kann.