Datum: 

Nachhaltigkeit ist Chefsache

Wie Sie die Chancen zur nachhaltigen Transformation nutzen

LkSG, CSRD, CSDDD, EU-Taxonomie – Nachhaltigkeitsregulatorik hat in Berlin und Brüssel einen hohen Stellenwert, auch wenn die Diskussionen teils sehr divers sind. Neue Vorschriften wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichten Unternehmen zunehmend, ihre Leistungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) transparent und umfassend offenzulegen. Doch wie gelingt es Unternehmen, im regulatorischen Korsett durchzuatmen? Wie können Vorstände und Aufsichtsräte die eigentliche nachhaltige Transformation meistern? 

Nachhaltiges Handeln ist längst kein „Nice-to-have“ mehr, sondern ein elementarer Bestandteil der Geschäftsstrategien und des Pflichtenheftes von Unternehmen. Das ist auch in den Vorstandsetagen angekommen. Es gilt dabei, unternehmerische Chancen zu nutzen und gleichzeitig Reputationsschäden oder potenzielle Haftungsrisiken abzuwenden. Das Ignorieren oder Verletzen von Verpflichtungen kann zu erheblichen Imageverlusten sowie Unmut bei Stakeholdern führen. Dies gefährdet die Loyalität von Kundinnen und Kunden sowie Beschäftigten – von Finanzierungsherausforderungen ganz zu schweigen. Und auch wenn die externen Erwartungen und die regulatorischen Hürden oftmals als unnötig und überbordend wahrgenommen werden, wächst prinzipiell das Verständnis, dass Nachhaltigkeit auch eine wesentliche Chance darstellt. Das Streben nach Nachhaltigkeit kann den Strategie- und Innovationsmotor antreiben: von Produktinnovationen über optimierte Prozesse bis hin zu alternativem Rohstoffeinsatz und Kosteneinsparungen. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet, Ressourcen effizienter einzusetzen. Die Minimierung von Ausschuss und Abfall durch Recycling oder die Optimierung von Lieferketten bieten erhebliche Einsparpotenziale und bringen echten Nutzen. 

Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen an einem Wendepunkt: Das Nachhaltigkeitsmanagement ist nicht länger eine bloße Compliance-Übung, sondern eine transformative Reise hin zu einem integrierten, ganzheitlichen Ansatz, der fest in der Unternehmensstrategie verankert ist. Doch wo sollte man ansetzen? Wie können Vorstände sicherstellen, dass die Transformationsreise gelingt? 

ESRS – klare Rollenverteilung 

Bereits heute sind die Vorstände für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts verantwortlich, während der Aufsichtsrat die Überwachung übernimmt. Die CSRD und die damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisieren diese Inhalte jetzt sowohl für die börsennotierten Unternehmen als auch für eine große Zahl von Unternehmen aus dem europäischen Mittelstand.   

Das Ziel der ESRS ist es, Nachhaltigkeitsinformationen mit Bezug auf die wesentlichen Themen des Unternehmens, sowie überprüfbar und vergleichbar zu gestalten. Im Governance Standard ESRS G1 stehen sechs Kernaspekte der Unternehmenspolitik im Mittelpunkt: Unternehmensführung, Management der Beziehungen zu Lieferantinnen und Lieferanten (einschließlich Zahlungspraktiken, politischen Engagements und Lobbytätigkeiten), die Verhinderung von Korruption und Bestechung sowie das etwas losgelöste Thema Tierschutz. 

Doch deckt sich das bereits mit der Realität? Werden diese Anforderungen bereits in der Praxis gelebt? In einer aktuellen Studie hat BDO gemeinsam mit Kirchhoff Consult die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichtserstattung der 80 Leitindex-Unternehmen aus der DACH-Region (DAX 40, ATX, SMI) in Hinblick auf ihre Berichterstattung zur Corporate Governance untersucht.1 Mit 86 Prozent hat bereits der Großteil das Thema ESG auf der Vorstandsebene verankert. 

Die Vertreter aus dem DAX 40 liegen dabei mit 83 Prozent leicht hinter denen aus ATX (90 %) und SMI (90 %) zurück, wo jeweils lediglich zwei Unternehmen eine entsprechende Berichterstattung vermissen ließen. Sowohl im ATX als auch im SMI berichteten alle Unternehmen, dass die Vorstandsebenen über ESG-Belange informiert werden. Im DAX 40 liegt diese Zahl bei lediglich 78 Prozent. 

Neben dem Governance-Standard ESRS G1 legt der übergreifende und verpflichtende Standard ESRS 2 besonderen Wert auf die Einbindung von Vorstand und Aufsichtsrat in Entscheidungsprozesse sowie auf die Integration von ESG in das Risikomanagement. Der ESRS 2 fordert verschiedene Offenlegungspflichten und regelt spezifische Anforderungen auch im Bereich Governance und Strategie. So müssen beispielsweise Angaben dazu gemacht werden, welche Kompetenzen die Führungs- und Aufsichtsorgane eines Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeit haben und ob diese Aspekte auch in die Vergütung integriert sind. So soll Transparenz und Verantwortlichkeit in der Steuerung und Berichterstattung gewährleistet werden. 

ESG-Überwachung durch den Vorstand 

Ein effektiver Führungsansatz ist entscheidend, um das Nachhaltigkeitsmanagement in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Vorstände müssen zusammen mit den Fachverantwortlichen ESG-Risiken und -Chancen für ihr Unternehmen identifizieren, priorisieren und systematisch im klassischen Risikomanagement verankern. Ein Benchmarking mit anderen Unternehmen und Stakeholdern kann dabei helfen, die wesentlichen ESG-Themen zu definieren und regelmäßig zu aktualisieren. Die Integration von ESG-Risiken in die bestehenden Risikomanagementsysteme ist betriebswirtschaftlich notwendig, um eine umfassende und strategische Risikosteuerung zu gewährleisten, die nicht mehr zwischen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Risiken unterscheidet, sondern das Unternehmen ganzheitlich im Blick behält.  

Vorausschauende Vorstände werden die Integration von Nachhaltigkeit nicht als zusätzliche Belastung sehen, sondern die Aktivitäten rund um ESG-Faktoren als Chance begreifen, die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern und zukünftige Chancen zu nutzen. Investorinnen und Investoren legen zunehmend Wert auf ESG-Kriterien, weil sie wissen, dass der Klimawandel Vermögenswerte bedroht. Mögliche Szenarien reichen von überfluteten Produktionsstätten bis hin zum Zusammenbruch von Lieferketten durch Dürreperioden. Unternehmen, die diese Faktoren in ihrer Strategie berücksichtigen und Risiken managen, haben gute Chancen, Finanzmittel zu besseren Konditionen zu erhalten. So treibt die Europäische Union mit ihren Regulierungen den Markt für sogenannte Green Bonds voran. Die grünen Anleihen, die speziell zur Finanzierung ökologischer Projekte gedacht sind, haben einen Preisvorteil gegenüber herkömmlichen Anleihen, z. B. durch niedrigere Zinsen. 

Auch aus Kundensicht hat Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen: Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen erhöhen die Attraktivität der angebotenen Leistungen eines Unternehmens. Für die Unternehmen kann das bedeuten, dass Leistungen als Spitzenprodukte verkauft werden können, was zu höheren Gewinnspannen führt. Dass dieser Ansatz auch ohne Preisaufschlag funktionieren kann, beweisen Supermärkte und Discounter mit Bio-Eigenmarken, die neben ökologischen Versprechen auch mit einem günstigen Preis überzeugen. 

Aufsichtsratsrolle in der ESG-Governance 

Neben der kommunikativen Einbindung des Vorstands in die ESG-Geschicke des Unternehmens hat auch der Aufsichtsrat in Bezug auf ESG-Belange seine Aufsichtsfunktion wahrzunehmen, wobei ein besonderes Augenmerk der ESRS auf die entsprechenden Kompetenzprofile gelegt wird. ESG-Sachverstand ist heute eine unabdingbare Voraussetzung für Aufsichtsräte zur Erfüllung der ihnen obliegenden inhaltlichen Prüfungspflicht. Unternehmen bzw. Anteilseignerinnen und Anteilseignern ist zu empfehlen, entsprechend dem gesetzlich erforderlichen Sachverstand von Aufsichtsratsmitgliedern zur Rechnungslegung oder Abschlussprüfung zusätzlich einen ESG-Sachverstand von mindestens einem Aufsichtsratsmitglied sicherzustellen. Darüber hinaus können Aufsichtsräte – analog zum Prüfungsausschuss – die Einrichtung eines ESG-Ausschusses in Erwägung ziehen. Erst dadurch kann eine wirksame Überwachung der unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistung sowie eine Beratung durch den Aufsichtsrat auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit sichergestellt werden. Wie genau lässt sich dieser nötige Sachverstand greifen? In unserer Untersuchung ließen sich in nur 58 Prozent der Berichte Hinweise darauf finden, dass es einen ESG-Bezug zum Aufsichtsrat und eine Beschreibung der Kompetenzprofile relevanter Mitglieder gibt. Im DAX 40 liegt der Wert mit 48 Prozent sogar knapp unter der Hälfte. In Zukunft werden aber genau diese Angaben zu machen sein. Die Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder sind daher gut beraten, sich frühzeitig mit der Notwendigkeit zur Qualifikation in Bezug auf ESG-Themen auseinanderzusetzen.  

Neben der Qualifikation wird es in Zukunft vor allem deutlich stärker um die strategische Steuerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Kerngeschäft gehen. Unternehmen müssen ihre mit dem Nachhaltigkeitsmanagement verbundenen Prozesse überdenken und erweitern, um Risiken zu minimieren und Chancen zu nutzen – nicht nur, um den Anforderungen der CSRD gerecht zu werden.  

Der erste Schritt in diese strategische Richtung ist die Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse, um die für das Unternehmen relevanten ESG-Themen zu identifizieren und zu priorisieren. Die doppelte Wesentlichkeit, die sowohl die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft als auch die finanziellen Risiken durch externe Umwelt- und soziale Faktoren umfasst, spielt hierbei die entscheidende Rolle.  

Fazit  

Die ökologischen und sozialen, aber auch regulatorischen Herausforderungen, vor denen nicht nur die großen kapitalmarktorientierten Unternehmen in der EU stehen, machen eine strukturierte Unternehmensführung im Sinne einer ganzheitlichen und effektiven ESG-Governance unerlässlich. Vorstände und Aufsichtsräte sind gefordert, sich kontinuierlich weiterzubilden und den unternehmensinternen Diskurs anzuführen, um die aufkommenden ESG-Aspekte im Blick zu behalten und zur langfristigen Resilienz des Unternehmens beizutragen.  

Ein zentraler Aspekt, den es zu beachten gilt, ist die kontinuierliche Risikobewertung, die es Unternehmen ermöglicht, relevante ESG-Risiken und -Chancen zu identifizieren. Stakeholder-Beiträge, Benchmarking mit anderen Unternehmen und die Dokumentation eines strukturierten Bewertungsrahmens sind wesentliche Schritte in diesem Prozess. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist entscheidend, um ESG-Faktoren in die bestehenden Managementprozesse zu integrieren und klar definierte Maßnahmen zur Adressierung identifizierter Risiken zu entwickeln. Der Einsatz eines maßgeschneiderten ESG-Rahmens ermöglicht es, nachhaltigkeitsrelevante Risiken und Chancen effektiv zu managen und diese in messbare Ziele zu überführen, die sowohl dem Unternehmen als auch seiner Wertschöpfungskette zugutekommen.  

In Hinblick auf die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit, sowie die Ausweitung des Anwenderkreises der CSRD in den kommenden Jahren sollte eine entsprechende Auseinandersetzung mit den Anforderungen durch die Unternehmensführung unerlässlich sein.

 

1 BDO & DKI (2024): „BDO/Kirchhoff Consult (2024): Governance – Reporting zur nachhaltigen Unternehmensführung. URL: https://www.kirchhoff.de/fileadmin/static/pdfs/2024_news/20241216_DAX160_Studie%E2%80%93Teil_3.pdf. [Stand: 28.01.2025]

Dieser Artikel wurde verfasst von