Nicht alles auf einmal: Die digitale Transformation ist ein modularer Prozess

Die digitale Transformation ist ein unaufhaltsamer Prozess, der bereits seit Jahren im Gange ist und sich stetig beschleunigt. Für kein Unternehmen stellt sich mehr die Frage des Ob, es bleibt nur noch die Entscheidung über das Wie. Die gute Nachricht ist: Die Digitalisierung muss nicht zwangsläufig mit Millioneninvestitionen auf einen Schlag einhergehen, sie kann auch schrittweise erfolgen – Prozess für Prozess, Anwendung für Anwendung.

Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg ist dabei ein Umdenken und eine Veränderung der Unternehmenskultur. Es ist nötig, die Digitalisierung als Chance zu begreifen und alle Beteiligten bei diesem Veränderungsprozess mitzunehmen. Für die meisten Beschäftigten wird gelten: Mir wird nicht etwas genommen, mir wird etwas gegeben. Andere werden den Fokus ihrer Arbeit anpassen müssen. Für alle wird gelten: Meine Bedeutung wird vielleicht anders, aber nicht geringer.

Die Vorteile liegen auf der Hand: eine höhere Effizienz, schnellere und genauere Entscheidungsprozesse, bessere Kundenzufriedenheit und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit. Digitalisierung ist also gerade der Weg, um im Markt mitzuhalten – nicht das Hindernis. Sie ist auch für kleine und mittelständische Unternehmen eine Chance, sich weiterzuentwickeln. 

Mehrjährige Software-Projekte in Millionenhöhe sind allerdings eine riesige Herausforderung. Häufig gibt es jedoch eine Alternative: Die Verwendung von sogenannten Low-Code-Plattformen, die die Anforderungen verringern und dennoch große Effekte bringen.

Im Folgenden zeigen wir mögliche Anwendungsbereiche dieser niedrigschwelligen Digitalisierungswerkzeuge auf, die schnell einsetzbar sind und eine sehr hohe Hebelwirkung haben.

Dabei stehen wesentliche Themen im Vordergrund: 

  • Prozessoptimierung und -automatisierung
  • Optimierung und Erkenntnisgewinn durch Datenaufbereitung
  • Digitale Zusammenarbeit

Low-Code-Anwendungen

Low-Code-Anwendungen bieten Unternehmen die Möglichkeit, selbst maßgeschneiderte Anwendungen zu erstellen, ohne dass umfangreiche Kenntnisse in der Programmierung erforderlich sind. Über eine visuelle Entwicklungsumgebung können Benutzer schnell Prototypen erstellen und Anwendungen auf Basis von vorgefertigten Bausteinen zusammenstellen. Im Gegensatz zu traditionellen Entwicklungsprozessen, bei denen jede einzelne Funktion von Hand programmiert werden muss, ermöglichen Low-Code-Plattformen eine schnellere Entwicklung von Anwendungen. Entwickler und Nicht-Entwickler können zusammenarbeiten und müssen nicht einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, selbst Code zu schreiben.  

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Low-Code-Anwendungen können für viele Zwecke genutzt werden, beispielsweise für die Automatisierung von sehr spezifischen Prozessen, die Analyse von Geschäftsdaten, für individuell angepasste Workflow-Management-Systeme, mobile Apps, Web-Anwendungen und vieles mehr.  Der Mehrwert dieser Anwendungen: eine effizientere und agilere Arbeitsweise sowie die Verbesserung der Kundenerfahrungen.

Robotics

Ein Ansatz zur digitalen Automatisierung von Prozessen mithilfe von Low-Code-Anwendungen ist RPA: Robotic Process Automation, die Automatisierung von sich wiederholenden Aufgaben. Es gibt verschiedene Anbieter von unterschiedlich umfangreichen Lösungen auf dem Markt, die sich vor allem im Lizenzmodell und den technischen Ansätzen unterscheiden. Die meisten erfordern wenig bis keine Coding-Kenntnisse, sondern bieten eine Plattform, in die Funktionen und Module eingefügt und zu Abläufen zusammengestellt werden können. 

Allen RPA-Anwendungen ist gemein:

  • Es handelt sich bei den „Robotern“ nicht um klassische Maschinen, sondern um Software-Roboter.
  • RPA-Roboter ahmen nach, wie Benutzer mit Anwendungen interagieren.
  • Roboter „denken“ nicht und können zunächst nur regelbasierte Aufgaben ausführen. Ein Zugriff auf KI-Funktionen (z. B. Texterkennung aus Bildern) ist aber bei den meisten Anbietern möglich und erweitert den potenziellen Einsatzbereich.

RPA ist eine sehr niedrigschwellige Automatisierungsmethode. Alles, was ein Mensch am PC ausführen kann, kann auch ein Software-Roboter ausführen. Es bedarf nur weniger Voraussetzungen, um bereits deutliche Effizienzgewinne zu erzielen. Die regelmäßige Durchführung des manuellen Prozesses etwa sollte mehr Zeit in Anspruch nehmen als es dauert, einen Roboter zu programmieren. Allerdings sind nur einfache bis mittelkomplexe Prozesse, die auf immer gleichen Regeln basieren, automatisierbar.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Die Finanzbuchhaltung eines Unternehmens arbeitet mit Kalkulationen, die sich auf mehrere Hundert Einzelprodukte in Hunderten von einzelnen Excel-Tabellen beziehen. Die Tabellen sind mit einer Datenbank verbunden und müssen regelmäßig alle zwei Wochen durch einen manuellen Klick auf einen Button aktualisiert werden. Die gegebene Situation erlaubt es, weder an dieser Ausgangslage etwas zu ändern, noch Hilfskräfte einzusetzen. Das führt dazu, dass eine ausgebildete Betriebswirtin alle zwei Wochen Hunderte Male eine Tabelle öffnet, auf einen Button klickt und die gespeicherte Tabelle wieder schließt. Damit ist sie pro Durchgang zwei volle Werktage beschäftigt.

Auf Buttons klicken kann auch ein RPA-Roboter. Nach kurzer Entwicklungszeit kann er den gesamten Prozess übernehmen. Die Fachkraft startet nur noch den Prozess und kann, während der Roboter die Tabellen aktualisiert, weiterarbeiten. Und zwar an den Aufgaben, für die sie als qualifizierte Fachkraft eingestellt wurde.

Das Stichwort „gegebene Situation“ beschreibt auch noch eine ganze Gruppe von weiteren Anwendungsfällen, z. B. den Umgang mit Altsystemen. RPA kann eine Brücke schlagen zwischen alten EDV-Systemen, die zum Teil noch Jahrzehnte nach Einstellung des Supports in Gebrauch sind, und den bereits auf den neuesten Stand gebrachten weiteren IT-Systemen eines Unternehmens. Und sei es durch Klicken, Kopieren, Einfügen. Klicken, Kopieren, Einfügen … Ein Software-Roboter wird nicht müde durch stupide Tätigkeiten, sondern überträgt auch die hundertste Tabellenzelle zuverlässig an die richtige Stelle im Altsystem.

Die Gelegenheit einer Prozessautomatisierung kann auch zur Prozessoptimierung genutzt werden. Aber RPA macht sich bereits dadurch bezahlt, dass simple, aber zeitraubende Tätigkeiten übernommen werden und die Fachkräfte mit den freigewordenen Kapazitäten Sinnvolleres tun. Das schafft nicht nur Raum für Innovationen und neue Ideen für die nächsten Digitalisierungsschritte, sondern kann auch die Kündigung von frustrierten Angestellten verhindern.

Zusammenarbeit

Im Low-Code-Werkzeugkasten gibt es auch Plattformen, mit denen individuelle Apps zur Digitalisierung der Kollaborationsprozesse entwickelt werden können. Auch hier bieten die Plattformen die Möglichkeit, durch das Verknüpfen von Modulen und Bausteinen komplexe Funktionen und Geschäftslogiken zu erstellen, ohne eine einzige Codezeile schreiben zu müssen.

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Ein Beispiel für eine solche individuelle Entwicklung ist eine einfache Projektmanagement-App. Unternehmen können mit eigenen Entwicklungen sicherstellen, dass die Funktionen wie Task-Management, Ressourcenplanung, Zeitverfolgung und Berichterstellung genau den eigenen Bedürfnissen entsprechen.  Auch die Benutzerführung kann so gestaltet werden, dass Aufgaben und Termine hinzugefügt, Projektfortschritte verfolgt und Berichte erstellt werden können, ohne dass die Anwender erst intensiv geschult werden müssen. Das Design der Anwendung kann direkt an die im Unternehmen verwendete, gewohnte IT-Landschaft angepasst werden.

Hier den Low-Code-Ansatz zu wählen, anstatt eine fertige Lösung zu kaufen oder eine Lösung aufwendig entwickeln zu lassen, bringt mehrere Vorteile:

  • Kurze Entwicklungszeit: Low-Code-Anwendungen stehen schnell zur Verfügung, da sie auf vorgefertigten Bausteinen und Tools aufbauen.
  • Geringere Kosten: Die Entwicklung ist nicht nur schneller, sondern auch einfacher und damit günstiger im Vergleich zu traditionellen Entwicklungsmethoden.
  • Skalierbarkeit: Da Low-Code-Anwendungen auf vorgefertigten Bausteinen aufbauen, können sie einfach erweitert werden, wenn neue Funktionen hinzugefügt werden müssen.
  •  Anpassungsfähigkeit: Low-Code-Anwendungen sind sehr flexibel und können für die spezifischen Anforderungen des Unternehmens maßgeschneidert werden. 

Mit diesem Ansatz sind auch Mikro-Lösungen möglich, die nur einzelne Abschnitte in der Zusammenarbeit digitalisieren und für die sich in der traditionellen Entwicklung keine Beauftragung lohnen würde. Dies könnte eine einfache Aufgabenliste sein, in der Benutzer für sich und für andere Aufgaben erstellen, bearbeiten und verwalten. Eine solche Anwendung könnte auch Benachrichtigungen senden, wenn eine Aufgabe fällig ist oder wenn Änderungen vorgenommen wurden. 

Ein weiterer Anwendungsbereich des Low-Code-Ansatzes ist der Erkenntnisgewinn durch die Analyse von Business -Daten. Durch Analyse-Tools ist es möglich, dass auch Nicht-Data-Scientists bereits mit oberflächlichem Verständnis Zugang zu Informationen aus Machine Learning und KI-gestützten Analysen erhalten.

Business Analytics

Business Analytics (BA) ist ein Prozess, bei dem Daten aus verschiedenen Quellen analysiert werden, um Entscheidungen auf der Grundlage von Daten zu treffen. BA-Tools dienen diesem Prozess dadurch, dass sie eine Plattform bieten, auf der die Datenbereitstellung und -aufbereitung sowie die Visualisierung der Ergebnisse zusammengeführt werden.

Jeder Schritt, von der Bereitstellung der Rohdaten bis hin zur Vorlage einer Geschäftsentscheidung, die auf Grundlage der Daten getroffen wird, ist innerhalb solcher Tools trennbar und muss nicht von denselben hochqualifizierten Experten vorgenommen werden. Wie im obigen Beispiel die Fachkraft aus der Finanzbuchhaltung, die Besseres zu tun hat, als auf Buttons zu klicken, wird eine Datenfachkraft davon entlastet, sich neben dem Erstellen eines komplexen Datenmodells und der Analyse von Zusammenhängen zum Beispiel noch mit der visuellen Aufbereitung befassen zu müssen. Eine zweifellos wichtige Aufgabe – aber eine, die auch von Personen aus anderen Fachbereichen übernommen werden kann, oder sogar von einigen BA-Tools automatisiert bereitgestellt wird.

Die Integration von KI-Funktionen und Machine Learning in BA-Tools geht aber noch weiter. Auch das Erkennen von Korrelationen und Einflussfaktoren sowie das Erstellen von Vorhersagen sind Aufgaben, die BA-Tools bereits für Anwender ohne tiefergehende Statistikkenntnisse übernehmen können.

Ein Beispiel könnte so aussehen:

Als Datengrundlage liegen Vertriebsdaten vor. Das BA-Tool liefert bereits eine Dashboard-Vorlage, die die üblichen KPIs übersichtlich darstellt und nur noch mit den Unternehmensdaten verbunden werden muss. Nach einer Anpassung enthalten die Visualisierungen auch Hervorhebungen von Schwellenwerten bzw. deren Überschreiten. Ein Nutzer könnte nun auf eine Grafik zur Umsatzentwicklung klicken und erhält ein Info-Pop-up mit automatisch generierten Angaben darüber, welcher Außendienstmitarbeiter mit welchem Produkt in welcher Region den größten Einfluss auf das Umsatzergebnis hat. Eine weitere Grafik könnte direkt anzeigen, dass der Einkaufspreis eines Produktes den Schwellenwert überschritten hat, ab dem der Absatz voraussichtlich sinken wird, wenn der Verkaufspreis weiter der üblichen Kalkulation folgt. Ein möglicher Klick auf diese Grafik gibt wiederum das Ergebnis einer Machine-Learning-Analyse aus: weitere Produkte, die im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Produkt häufig ebenfalls gekauft werden und das Potenzial haben könnten, den Absatzrückgang auszugleichen.

BA-Tools ermöglichen es Unternehmen somit, mit einer vergleichsweise geringen Investition in Software und Wissen, wertvolle Informationen und Erkenntnisse aus ihren Daten zu gewinnen, um bessere Entscheidungen treffen zu können.

Fazit und Ausblick

Die digitale Transformation ist eine Aufgabe, die Unternehmen nicht einfach aussitzen können. Sie ist auch nicht irgendwann abgeschlossen. Auch das agilste Tech-Unternehmen ist permanent gefordert, Entwicklungen als unaufhaltsam anzuerkennen und entsprechend zu reagieren.

Das geht nicht ohne Reibungen. Allen Personen und Funktionen innerhalb von Unternehmen wird zugemutet werden müssen, dass sich ihre Aufgaben, Arbeitsabläufe und Bedeutung im Unternehmen in immer kürzer werdenden Abständen wandelt.

Aber das bedeutet nicht, dass traditionellere Unternehmen automatisch einpacken können. Digitale Tools senken die Anforderungen: KI-Funktionen sind in immer mehr Anwendungen integriert und bringen mehr und bessere Ergebnisse bei gleichbleibendem Einsatz. Der Low-Code-Ansatz öffnet den Zugang zur Software-Entwicklung für einen größeren Personenkreis. Für spezielle Anforderungen wie Bildbearbeitung oder Übersetzungen gibt es bereits fertige KI-basierte Anwendungen. 

Die medial sehr präsente Chat-Lösung ChatGPT hat dieser ohnehin schon schnellen Entwicklung noch einmal einen Stoß versetzt, der große Umwälzungen zur Folge haben wird. Bestimmte Professionen und bestimmtes Wissen werden an Bedeutung verlieren – auch im Bereich der Software-Entwicklung. Andere werden wiederum mehr Bedeutung erhalten. Es werden diejenigen Professionen sein, die diese Lösungen entwickeln und kontrollieren sowie diejenigen, die in der Lage sind, diese Werkzeuge klug einzusetzen. Es braucht nur den Mut und den Willen, dies auch zu tun.