Nachfolge im Familienunternehmen – Transformation „at its best“?

So kommt nach einer aktuellen Schätzung des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung im Zeitraum 2022 bis 2026 bei etwa 190.000 Unternehmen in Deutschland eine Übertragung in Betracht. Fokus sind hier der Dienstleistungssektor und der norddeutsche Raum (vor allem Bremen und Niedersachsen).1

Die Unternehmensnachfolge ist jedoch kein Selbstläufer, sondern muss in einem wohlüberlegten Planungsprozess langfristig betrachtet und aktiv von allen beteiligten Parteien umgesetzt werden. Neben dem Ausgleich familien- und unternehmensinterner Interessen steht oftmals die steuerliche Optimierung der Übertragung im Mittelpunkt der Überlegungen.

Familienunternehmen – Vielfalt als Stärke

Mittelständische und regelmäßig familiengeführte Unternehmen bilden die Stütze der deutschen Wirtschaft. Familienunternehmen zeichnen sich durch eine enge Verzahnung von unternehmerischer und privater Sphäre, eine häufig internationale Aufstellung sowie familiär geprägte Strukturen – auch in der Firmenkultur – aus. Diese Faktoren – zusammen mit Tradition, strategischem Verständnis und Wandlungsfähigkeit – garantieren nachhaltiges Wachstum.

Bei allen Gemeinsamkeiten bleibt aber festzuhalten, dass jedes Familienunternehmen einzigartig ist. So reicht die Bandbreite der Unternehmensstrukturen von patriarchalisch geführten Betrieben mit Ausrichtung auf einen bestimmenden (Senior-)Gesellschafter über Unternehmen, bei denen die Geschäftsführung durch Familienmitglieder oder externe Manager ausgeübt wird, bis hin zu börsennotierten Gesellschaften, deren Stimmrechtsmehrheit oftmals bei der Familie gebündelt ist.

Diese Vielfalt erfordert eine individuelle Ausgestaltung der Unternehmensnachfolge in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße und Komplexität der Gesellschafterstruktur. Nichtsdestotrotz lassen sich übergreifende Erfolgsfaktoren erkennen, deren Beachtung den Übertragungsprozess effizient gestaltet.

Phase 1:

Bestandsaufnahme – rechtzeitig und umfassend

Kritischer Faktor der Nachfolgeplanung ist die notwendige Zeit, da die Umsetzungsplanung bereits zwei bis fünf Jahre vor der eigentlichen Übergabe beginnen sollte.

Am Beginn eines rechtzeitigen Nachfolgeprozesses stehen folgende Fragen im Hinblick auf die Unternehmens- und Eigentümerstruktur:

  • Kann das Unternehmen in seiner gegenwärtigen Rechtsform übertragen werden?
  • Kann das Unternehmen durch das Management allein weitergeführt werden oder ist eine weitere Beteiligung des bisherigen Eigentümers erforderlich?
  • Wie setzt sich die (ggf. internationale) Gesellschafterstruktur zusammen?
  • Welche Generation aus dem Gesellschafterkreis ist für die Nachfolge potenziell geeignet?
  • Muss ggf. alternativ eine externe personelle Besetzung gesucht werden?
  • Soll das Unternehmen dauerhaft in Familienhand erhalten werden oder ist der Verkauf von Gesellschaftsanteilen an fremde Investoren (z. B. aus dem Privat-Equity-Segment) denkbar?
  • Welche finanziellen (z. B. Kaufpreis) und haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Nachhaftung) sind bei einem Unternehmensverkauf zu berücksichtigen?

Sollten sich Antworten auf diese Fragen nicht bereits aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, bietet sich die vorgreifliche Regelung in einer Familiencharta an, die für Mitglieder der Anteilseignerfamilie verbindliche Anordnungen in Bezug auf zentrale Werte wie die Familienstrategie (auch in Bezug auf das Unternehmen oder im Fall von Anteilsveräußerungen) oder auch die Family Governance im Umgang miteinander bei gesellschaftsbezogenen Entscheidungen enthält. Dieser Katalog schafft Transparenz und hilft, Schwierigkeiten im Familienverbund zu vermeiden oder zu lösen.

Der Unternehmer sollte die Handlungsfähigkeit seines Unternehmens und seiner Angehörigen als Nachfolger im Fall von Tod oder schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung unbedingt gewährleisten und in einem „Vorsorgepaket“ frühzeitig Anordnungen treffen, um durch eine testamentarische Verfügung über den Nachlass oder eine Generalvollmacht und Patientenverfügung Klarheit für unerwartete Entwicklungen zu schaffen.

Schließlich sind die Zusammensetzung des Gesamt-vermögens und dessen Struktur in der betrieblichen bzw. privaten Sphäre des Unternehmers zu klären. Eine zumindest indikative und auch für die spätere steuerliche Strukturierung oder einen potenziellen Verkaufsprozess nutzbare Bewertung des Vermögens sowie eine vollständige Erfassung im Rahmen einer Vermögensübersicht bilden die sachliche Basis des in den nächsten Phasen anstehenden Nachfolgeplans.

Phase 2:

Zielvereinbarung – interessengerecht und verbindlich

In der Visionsphase sind die Erwartungen und Ziele im Dreieck „Übergeber – Nachfolger – Unternehmen“ verbindlich zu klären und als Leitbild dem Nachfolgeplan voranzustellen. Etwaige im Nachgang entwickelte Handlungsoptionen sind hieran stets zu messen und ggf. individuell anzupassen.

Fragen in diesem Stadium des Nachfolgeprozesses sind häufig:

  • Welche persönliche Lebensplanung verfolgt der Übergeber nach dem Austritt?
  • Wie soll die Ausschüttungspolitik in der Gesellschaft zukünftig aussehen, um sowohl den persönlichen Bedarf des Übergebers als auch den Finanzspielraum im Betrieb gleichermaßen abdecken zu können?
  • Welchen Nachfolger können das Management und die Mitarbeiter im Unternehmen, aber auch externe Stakeholder (z. B. Kunden), akzeptieren?
  • Ist meine familiäre Situation als Nachfolger aus dem Gesellschafterkreis geeignet, das Unternehmen sach-gerecht fortführen zu können (z. B. familiärer Lebensmittelpunkt im Ausland)?

Phase 3:

Planung – flexibel und steuerlich optimiert

Zur Planungsphase gehört vorrangig die Formulierung eines verbindlichen Anforderungsprofils für den zukünftigen Nachfolger; dies gilt bei Angehörigen der Gesellschafterfamilie genauso wie bei einem Manager aus dem eigenen oder einem fremden Unternehmen.

Kompetenzprofil des Nachfolgers

Die (zukünftige) strategische Ausrichtung des Unternehmens ist bei der Erarbeitung des Kompetenzbilds eines zukünftigen Nachfolgers genauso wichtig wie persönliche Anforderungen und das nötige Feingefühl im durchaus spannungsgeladenen Ausgleich zwischen Familien- und Unternehmensinteressen.

Folgende Fragen können hier eine Rolle spielen:

  • Welche persönlichen (z. B. Charakter, Loyalität, Führungserfahrung) und sachlichen (z. B. Ausbildung, beruflicher Hintergrund) Kriterien muss ein zukünftiger Geschäftsführer erfüllen, um in einem absehbaren Zeitraum die Unternehmensleitung übernehmen zu können?
  • Muss ein familieninterner Nachfolger ggf. erst die erforderlichen Kompetenzen durch Studium, Ausbildung oder einen Auslandsaufenthalt bzw. die aktive Berufstätigkeit in einem anderen Unternehmen erwerben?
  • Kann sich ein nicht aus der Familie stammender Geschäftsführer in die spezielle Firmenkultur des Familienunternehmens dauerhaft einleben und diese aufgrund externer Erfahrungen ggf. weiterentwickeln?

Steuerliche Überlegungen

Die Planungsphase wird durch die Konzeption steuerlich sowie rechtlich vorteilhafter und vor allem operativ umsetzbarer Handlungsoptionen geprägt, die eine Einschaltung externer Berater unbedingt erforderlich machen. Eine frühzeitige und vertrauliche Einbindung interner Wissensträger aus dem Unternehmen (z.B. aus der Geschäftsführung, anderen Gremien oder dem Finanz- und Steuerbereich) ist für das Gelingen des Projekts der Unternehmensnachfolge ebenso unumgänglich. Allen Beteiligten muss hier eine inhaltliche Flexibilität erlaubt sein, die auch internationale Gestaltungsmöglichkeiten ins Auge fasst und keinen Denkverboten unterliegt.

Ausgewählte steuerliche Fragestellungen sind erfahrungsgemäß:

Erbschaftsteuer

Das geltende Erbschaftsteuerrecht sieht eine erhebliche steuerliche Privilegierung der Unternehmensnachfolge im Vergleich zur Übertragung anderer Vermögensarten (z. B. Immobilien oder liquide Assets) vor.

Wird ein Unternehmen mit bestimmter Rechtsform (z. B. GmbH & Co. KG) übertragen, kommt eine vollständige Steuerbefreiung des gesamten Produktivvermögens grundsätzlich in Betracht. Allerdings darf dem Betrieb dann nicht übermäßiges Verwaltungsvermögen – etwa Wertpapiere oder Finanzmittel  – beigemischt sein. Insoweit sind umfassende Bewertungs- und Analysearbeiten erforderlich, um eine zielgenaue Aussage zu erbschaftsteuerlich optimalen Handlungsoptionen und ggf. vorab notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel ein Carve-Out, treffen zu können. Weiterhin gilt es zu beachten, dass die Finanzverwaltung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 zur Vermeidung von Gestaltungsoptionen den erbschaftsteuerlichen Handlungsspielraum zunehmend einschränkt.

Ertragsteuern

Ist eine Versorgung des Betriebsübergebers nach der Übertragung gewünscht, sind ertragsteuerliche Aspekte (z. B. Betriebsverpachtung) zu beachten. So muss bei der unentgeltlichen Nachfolge in eine Personengesellschaft
z. B. darauf geachtet werden, dass keine funktional wesent-lichen Vermögensgegenstände zurückbehalten werden, um eine steuerpflichtige Aufdeckung stiller Reserven bei der Anteilsübertragung zu verhindern. Eine steuerneutrale Ausgliederung in ein fortbestehendes Betriebsvermögen des Übergebers kann hier eine denkbare Lösung sein.

Doppelstiftung

Ist eine Unternehmensnachfolge auf einen Familienangehörigen nicht möglich oder gewollt, kann der Betrieb als Lebenswerk durch Übertragung auf eine Stiftung dauerhaft fortgeführt werden.

Dem Einwand des Eigentumsverlusts an die Stiftung kann bei der ausschließlich die Versorgung des Stifters und seiner Angehörigen sichernden Familienstiftung mit einer Hybridlösung aus Grundstock- und Verbrauchsvermögen begegnet werden.

Eine „Doppelstiftung“ in Kombination von gemeinnütziger Stiftung und Familienstiftung kann zudem erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile mit sich bringen, wenn das Unternehmen in der Substanz auf den gemeinnützigen Rechtsträger übertragen wird. Die Versorgung und der Einfluss der Familie auf die unternehmerischen Entscheidungen wird dann durch die Partizipation an Gewinnausschüttungen sowie die Einräumung einer Stimmrechtsmehrheit in den Gesellschafterversammlungen abgesichert.

Stiftungslösungen bieten sich zudem an, wenn bei unternehmerischen Großvermögen (Wert des begünstigten Vermögens überschreitet die Grenze von 26 Millionnen Euro) die Verschonungsbedarfsprüfung zur erbschaftsteuerlichen Optimierung beantragt werden soll oder im internationalen Kontext die zum 1. Januar 2022 erheblich verschärfte Wegzugsbesteuerung für Vermögensübertragungen auf im Ausland (zukünftig) lebende Gesellschafter einschlägig ist.

Holdingstruktur

Ist optional ein Unternehmensverkauf nicht ausgeschlossen, bietet sich aufgrund lang laufender steuerlicher Haltefristen bei Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft und neuerdings auch bei „optierten“ Personengesellschaften die frühzeitige Implementierung einer Familienholding an, um beim Exit den Veräußerungsgewinn im Zusammenhang mit der operativen Beteiligung steuerbegünstigt mit einem Steuersatz von ca. 1,5 Prozent  thesaurieren zu können. Die Familienholding kann dann als Family Office weiterbestehen und verfügbare finanzielle Mittel in andere Asset-Klassen zur Vermögensverwaltung investieren.

Phase 4: Umsetzung – pragmatisch und kommuniziert

Der Nachfolgeprozess mündet schließlich in die Übergabephase. Ist die Entscheidung für eine Handlungsoption gefallen, kann deren tatsächliche Umsetzung beginnen und im Idealfall kurzfristig abgeschlossen werden, in Übereinstimmung mit den Erwartungen der beteiligten Parteien. Dies umfasst vor allem bei Übertragung an einen familieninternen Nachfolger die rechtliche und steuerliche Compliance, z. B. Formulierung von Verträgen und notwendige steuerliche Deklarationsarbeiten. Gleichzeitig führt der Übergeber seinen Nachfolger an die unternehmerischen Aufgaben heran und überträgt zunehmend Verantwortung für die unternehmerischen Aufgaben.

Der vollständig ausscheidende Gesellschafter kann wichtiger Berater im Aufsichtsrat oder einem vergleichbaren Gremium bleiben und insbesondere die notwendige unternehmensinterne, offene Kommunikation an andere Manager, Mitarbeiter und Kunden erfolgreich begleiten.

Im Verkaufsfall ist vorher die strukturierte und pragmatische Abwicklung des M&A-Prozesses notwendig, der von der Unternehmensbewertung über die Erstellung der erforderlichen Dokumentation in der Interessentenauswahl bis hin zu Due-Diligence-Arbeiten und (Preis-)Verhandlung bzw. Signing/Closing reicht.

Fazit:

Die Nachfolge und Übergabe des Lebenswerks gehört in einem Familienunternehmen sicherlich zu den einschneidendsten Formen der Transformation. Wird auch in diesem sensiblen Bereich ein strukturierter und für alle Beteiligten in Voraussetzungen und Konsequenzen transparenter Prozess verfolgt, kann eine konsensfähige Lösung als Garantie für eine nachhaltige und erfolgreiche Fortführung des Unternehmens sowohl in der nächsten Generation als auch durch familienfremde Manager oder Investoren gefunden werden.