BDO Studie: Erstmals rückläufiger Goodwill börsennotierter Unternehmen in Deutschland

BDO Studie: Erstmals rückläufiger Goodwill börsennotierter Unternehmen in Deutschland

Rückgang nur teilweise durch Abschreibungen begründet

Lediglich 4,8 Mrd. Euro dieses Rückgangs sind Folge von Wertberichtigungen wegen unzureichender Ertragskraft der Bilanzierer. Größere Bedeutung hatten hingegen Wechselkursveränderungen, welche sich im aus Auslandsinvestments entstandenen Goodwill auswirken. Insbesondere die 15-prozentige Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro im Laufe des Jahres 2017 führte zu einem Abschmelzen des Goodwill deutscher US-Investitionen, so beispielsweise bei SAP um 2,2 Mrd. und bei Merck um 1,4 Mrd. Euro.

Goodwill entsteht bei Unternehmensübernahmen als Differenzbetrag aus Kaufpreis und Zeitwert des erworbenen Nettovermögens. Ursächlich schlug sich somit auch die Zurückhaltung deutscher Unternehmen bei Mergers & Acquisitions im Jahr 2017, insbesondere das Ausbleiben großer Akquisitionen, in einem entsprechend geringen Zugang von Goodwill nieder. „2018 zeigt wieder zunehmende M&A-Aktivitäten, und insgesamt ist der Rückgang des Goodwill 2017 keinesfalls als Umkehr des bisherigen Trends zu interpretieren“, so Hartmut Paulus, Partner und Leiter des Bereichs Corporate Finance bei BDO in Deutschland.

Goodwill in Relation zu Börsenwert der Unternehmen auf historisch niedrigem Niveau

Relativ zur Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen war das Goodwill-Niveau Ende 2017 mit 9,6 Prozent sogar niedriger als 2004, dem Jahr der Abschaffung der planmäßigen Abschreibungen. Seitdem diese Quote 2008 mit rund 27 Prozent ihren bisherigen Höhepunkt erreichte, hat sich die Situation kontinuierlich entspannt, weil die insgesamt bilanzierten Goodwillbeträge nur noch moderat stiegen oder sich rückläufig entwickelten und zugleich die Aktienkurse bis Ende 2017 stetig zugelegt hatten.

Mit der Goodwill-Quote von 9,6 Prozent des Börsenwerts liegen die deutschen Unternehmen deutlich unter dem Niveau der US-amerikanischen und auch der europäischen Unternehmen, deren Quoten sich auf 15,6 bzw. 16,9 Prozent belaufen. Bemerkenswert ist, dass sich bei den US-Unternehmen die Quote seit 2014 von 12,6 auf 15,6 Prozent erhöhte – kennzeichnend für die oftmals sehr aggressive Akquisitionsstrategie der US-Unternehmen. Deren Goodwillbeträge erhöhten sich seit 2013 um 63 Prozent, die der deutschen Unternehmen nur um 24 Prozent.

Goodwill in deutschen Bilanzen hat im internationalen Vergleich geringe Bedeutung

Der Anteil des Goodwill am Gesamtvermögen beträgt für deutsche Unternehmen, die Finanzbranche ausgenommen, lediglich 9,4 Prozent. Vergleichsweise höher und in den letzten Jahren mit kontinuierlich ansteigender Tendenz lag diese Quote für europäische Unternehmen bei 17,7 und bei US-amerikanischen Unternehmen sogar bei 19,1 Prozent. Dies dokumentiert den bei deutschen Unternehmen vergleichsweise geringen Einfluss von Unternehmenserwerben auf die Entwicklung des Betriebsvermögens.

Während sich die Quote für die deutschen Unternehmen seit 2012 um weniger als einen Prozentpunkt erhöhte, ist bei den US-amerikanischen Unternehmen ein Anstieg um 2,6 Prozentpunkte zu beobachten.

Nur geringe Abschreibungen auf bilanzierten Goodwill

Die Abschreibungen deutscher Unternehmen auf den bilanzierten Goodwill von 4,8 Mrd. Euro im Jahr 2017 leicht oberhalb des Durchschnitts der Jahre seit 2005 von 4,4 Mrd. Euro. Mit 1,3 Prozent des insgesamt bei den Unternehmen bilanzierten Goodwill liegt die Quote sogar unterhalb des langjährigen Durchschnitts, der seit 2005 1,8 Prozent beträgt.

Wie in den letzten Jahren repräsentieren die drei Unternehmen mit den höchsten Abschreibungen (Deutsche Telekom EUR 2.071 Mio., McKesson Europe EUR 991 Mio., RWE EUR 479 Mio.) annähernd drei Viertel (73%) der gesamten Abschreibungen.

Positive Wachstumsprognosen und ein unverändertes Niedrigzinsumfeld sind zentrale unterstützende Faktoren bei der Bestätigung der Werthaltigkeit des Goodwill. Dies erklärt, dass nicht in der Breite der Unternehmen Wertberichtigungen des Goodwill zu verzeichnen waren, sondern diese vielmehr primär auf Branchenkrisen oder im Einzelfall fehlgeschlagene Investitionsentscheidungen zurückzuführen waren.

Hohe Bedeutung des Goodwill in Telekommunikation/Medien- und IT-Branche

Unternehmen der Telekommunikation/Medien- und der IT-Branche führen mit einem Goodwill-Anteil von 18,9 bzw. 14 Prozent des bilanzierten Gesamtvermögens das Feld an. In beiden Branchen ist der Goodwill seit 2013 deutlich angestiegen. Die Goodwill-Quote der Unternehmen der Branche Telekommunikation/Medien liegt damit annähernd doppelt so hoch wie die aller deutschen börsennotierten Unternehmen.

Nicht überraschend entstammen die Unternehmen mit der höchsten Goodwill-Quote diesen Branchen: 1&1 Drillisch 61,9 %, Tele Columbus 54,4 %, SAP 50,1 %. „Auffallend ist jedoch“, so Hartmut Paulus, „dass die Unternehmen mit den höchsten Goodwill-Quoten noch vor zwei Jahren fast ausschließlich dem DAX entstammten, heute aber die Zusammensetzung von weniger großen Unternehmen geprägt ist. Aufgrund des weniger diversifizierten Geschäftsmodells sind diese erheblich höheren Abschreibungsrisiken ausgesetzt“

Dabei überschreitet der ausgewiesene Goodwill in vielen Fällen das bilanzielle Eigenkapital erheblich, teilweise um das Vielfache: Fyber N.V. 969 %, UNITEDLABELS 495,3 %, Siemens Healthineers 243 %. „In der Gesamtbetrachtung unserer Analysen wird deutlich“, so Hartmut Paulus, „dass hinsichtlich der Goodwill-Intensität weniger ein Problem in der Breite der Unternehmen existiert, als dass vielmehr einige Unternehmen mit besonders hohen Goodwillbeträgen einem Abwertungsrisiko ausgesetzt sind“.

Ausblick

Zum Jahresende 2017 befand sich die ganz überwiegende Mehrzahl der deutschen Unternehmen in bester Verfassung. Die Gewinne bewegten sich auf Rekordniveau. Das gesamtwirtschaftliche Umfeld, insbesondere positive Wachstumsprognosen, und ein unverändert historisch niedriges Zinsniveau, sind begünstigende Faktoren bei der Beurteilung der Werthaltigkeit des Goodwill.

Seitdem ist die Entwicklung durch das Auftreten zahlreicher Risikofaktoren geprägt: die politische und insbesondere die wirtschaftspolitische Lage hat sich in verschiedenen Regionen der Welt eingetrübt, das Zinsniveau in den USA hat sich erheblich nach oben bewegt. Zahlreiche Unternehmen mussten im Verlauf des Jahres ihre Gewinnprognosen, teils mehrfach, nach unten korrigieren. Dies ist auch an den zwischenzeitlich deutlich gefallen Aktienkursen abzulesen. Insofern scheint die nach langen Jahren des kontinuierlichen Aufschwungs erwartete Marktkorrektur nun im Gange zu sein. „Auf Sicht ist in der Breite mit einem deutlichen Anstieg von Goodwill-Abschreibungen zu rechnen“ resümiert Hartmut Paulus.