Änderungen des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts aufgrund schwer kalkulierbarer Energie- und Rohstoffpreise geplant

Die Bundesregierung hat deshalb insolvenz­recht­liche Änderungen beschlossen. Maßgeblich geht es um die Verkürzung des Betrachtungszeitraums in der insolvenzrechtlichen Fortführungsprognose auf 4 Monate bezüglich der Insolvenzantragspflicht bei der Überschuldung sowie Erleichterungen in der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren mit der Verkürzung des Zeitraums auf ebenfalls 4 Monate für den dabei vorzulegenden Finanzplan, den für Maßnahmen im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) vorzulegenden Finanzplan sowie die Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung bis zum 31. Dezember 2023 von derzeit sechs auf acht Wochen.

Insbesondere die vorübergehende Reduzierung des Betrachtungszeitraums für die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose von 12 auf 4 Monate im Rahmen der Überschuldungsprüfung dürfte - abgesehen von einer Haftungspriviligierung der Organe bzw. Erleichterung bei der rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags - keine besonderen, insbesondere Haftungsgefahren verringernden Wirkungen für Unternehmen und Organe mit sich bringen. Unverändert sind Insolvenzanträge weiterhin ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (§ 15a Absatz 1 Satz 1 InsO). Die Höchstfrist darf nicht ausgeschöpft werden, wenn zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann. Die Höchstfrist zur Antragstellung wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt hingegen unberührt.

Neben der Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantragstellung ist mit § 1 StaRUG eine zusätzliche potenziell haftungsbegründende Handlungspflicht für Organe zu beachten. Kernbestandteil ist dabei die Verpflichtung zum adäquaten Krisenmanagement, deren Verletzung eine eigene Haftung der Organe begründen kann. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wird grundsätzlich mehr zu fordern sein als eine lediglich viermonatige Planung. Zeigt sich nun aber, dass mittelfristig über den Zeitraum von 4 Monaten hinaus eine Zahlungsunfähigkeit einzutreten droht und bestehen absehbar keine Möglichkeiten (z. B. durch die Nutzung der Instrumente des StaRUG) zu deren Vermeidung, kann mithin auch aus § 1 StaRUG  eine mittelbare bzw. sogar faktische Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung resultieren.

Krisenmanagement: Rechtlicher Rahmen als Chance - Möglichkeiten in der Krise (eines Unternehmens) (bdo.de)

Zum anderen bewirkt die Verkürzung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung keine erleichterten Voraussetzungen für die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen und die Einleitung erforderlicher Finanzierungsmaßnahmen. Denn die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen kann rechtssicher und ohne Anfechtungs- bzw. Haftungsrisken in der Krise des Unternehmens nur auf Grundlage eines Sanierungskonzepts oder auch eines Restrukturierungsplans nach StaRUG erfolgen, deren Grundlage eine mittel- bzw. langfristige Planung bildet. Zudem kann die Inanspruchnahme einer Finanzierung, deren Rückzahlung zu diesem Zeitpunkt auf Grundlage der Unternehmensplanung wegen einer perspektivisch eintretenden Zahlungsunfähigkeit bereits fraglich ist, auch weiterhin strafrechtlich relevant bleiben. Unternehmensplanung in unsicheren Zeiten – wie Unternehmen in unsicheren Zeiten resilienter werden und Vertrauen stärken (bdo.de)

Zuletzt hat die Anpassung des Planungshorizonts für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose keine Auswirkungen auf die handelsrechtlichen Anforderungen der Unternehmensfortführung. Auch mit Blick auf die Erstellung des Jahresabschlusses wird daher weiterhin ein Planungshorizont von mindestens 12 Monaten zu fordern sein. Insofern führt die Reduzierung des Betrachtungszeitraums für die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose vielmehr zu einer temporären Entkopplung zwischen Insolvenz- und Handelsrecht hinsichtlich der jeweils relevanten Planungszeiträume.

Im Ergebnis mag die Verkürzung eine Erleichterung bringen, wenn es kurzfristig zu einer Stabilisierung der Märkte kommt, hierdurch wieder höhere Planungssicherheit in Bezug auf Bezugspreise besteht, oder der Unternehmensfortbestand von sich kurzfristig abzeichnenden etwaigen weiteren Hilfsmaßnahmen abhängig ist. Besteht jedoch struktureller Sanierungsbedarf, dürften die Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen lediglich gering ausfallen.

Die Erleichterungen im Zusammenhang mit der Planung in der Eigenverwaltung und im Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen haben eher verfahrensrechtliche Bedeutung, als dass sie Unternehmen bzw. ihren Leitungen tatsächlichen Mehrwert liefern.

Zu allen angesprochenen Aspekten im Rahmen von Überschuldungsprüfung Sanierungskonzepten oder Restrukturierungsplänen stehen wir Ihnen für eine individuelle Beratung gerne zur Verfügung.

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