Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauchrecht


Mit einem Nießbrauch erhält der oder die Berechtigte das Recht, aus einem Gegenstand die entsprechenden Nutzungen zu ziehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Nießbrauchrechten aus steuerlicher Sicht um Wirtschaftsgüter. Zudem ist das unentgeltlich bestellte Nießbrauchrecht als immaterielles Wirtschaftsgut einlage- und entnahmefähig, somit ist eine Umschichtung zwischen dem Privat- und Betriebsvermögen möglich. Gemäß § 1059 BGB sind Nießbrauchrechte jedoch nicht auf andere Personen übertragbar; entweder erlöschen diese mit dem Tod des oder der Berechtigten oder werden durch eine einseitige Aufgabeerklärung aufgehoben.

Mit Urteil vom 12.12.2023 (Az. 6 K 2489/22 E) hat sich das Finanzgericht (FG) Münster zur steuerlichen Behandlung eines Nießbrauchrechts an einem Grundstück im Falle eines entgeltlichen Verzichts geäußert. Im Zuge einer Erbauseinandersetzung im Jahr 2008 wurde der Klägerin das Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewandt, welches sie seit 2012 an eine Mitunternehmerschaft, deren Komplementärin sie war, vermietete. Das unentgeltlich erworbene – und damit nicht bewertungsfähige - Nießbrauchrecht wurde dabei zu einem Wert von EUR 0 in das Sonderbetriebsvermögen der Klägerin eingelegt. Nach dem Ausscheiden der Klägerin aus der Mitunternehmerschaft wurde das Nießbrauchrecht im Jahr 2018 ebenso zum Nullwert in ihr privates Vermögen zurücküberführt. Die Erbengemeinschaft, in deren Eigentum sich das Grundstück befand, veräußerte jenes unter Vereinbarung einer Kaufpreisfälligkeit bei Erlöschen des Nießbrauchrechtes. Auf Letzteres verzichtete die Klägerin gegen eine Entschädigung im Jahr 2019. 

Den entgeltlichen Nießbrauchverzicht hat das Finanzamt im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung als ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG qualifiziert. Der aus dem Verzicht resultierende Veräußerungsgewinn in Höhe des erhaltenen Entgelts abzüglich der Anschaffungskosten zum Zeitpunkt der Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen wurde anschließend durch das Finanzamt der Besteuerung unterworfen.

Entgegen der Finanzamtsauffassung hat das FG Münster entschieden, dass die Ablösung eines Nießbrauchrechts keine Veräußerung, sondern lediglich einen veräußerungsähnlichen Vorgang darstellt, welcher nicht vom § 23 EStG erfasst ist. Folglich ist der Verzicht auf das Nießbrauchrecht nicht steuerbar. Hierzu führte das Gericht aus, dass es zwar nicht an der Entgeltlichkeit als Voraussetzung für das Vorliegen einer Veräußerung mangelt, jedoch fand in diesem Fall kein Rechtsträgerwechsel statt. Das Nießbrauchrecht ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht übertragbar und dies gilt nach h. M. auch für den schuldrechtlichen Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs. Der Übergang des Nutzungs- und Fruchtziehungsrechts aufgrund der Nießbrauchablösung allein ist nicht entscheidend für das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen einer Veräußerung. Vielmehr ist das Wirtschaftsgut „Nießbrauch“ selbst maßgeblich. Denn ein Nießbrauch verleiht lediglich ein Nutzungs- und Fruchtziehungsrecht - mit der Ablösung wird er in seiner Substanz aufgegeben und nicht übertragen. 

Ähnlich wie der BFH in seinem Urteil vom 10.11.2015 (Az. IX R 3/15) geht das FG Münster bei der Urteilsbegründung davon aus, dass der Wortlaut des § 23 EStG eng auszulegen und nicht auf die veräußerungsähnlichen Vorgänge auszuweiten ist. Abweichend von den gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche seit der Unternehmenssteuerreform 2008 verschiedene Ersatztatbestände (z. B. uneinbringliche Kapitalforderung) explizit einer Veräußerung gleichstellen, regelt § 23 EStG weiterhin ausschließlich den eigentlichen Veräußerungsvorgang. Mithin ist die bisherige, zu einer Kapitalforderung ergangene BFH-Rechtsprechung, die das Finanzamt als Argumentationsgrundlage heranzog, aus der Sicht des Finanzgerichts nicht auf die privaten Veräußerungsgeschäfte übertragbar.
 

Hinweis:
Weiterhin streitig ist, ob der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchrecht ein Veräußerungs- oder lediglich ein veräußerungsähnlicher Vorgang ist, denn die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu steht noch aus. Diesbezüglich ist aktuell ein Verfahren beim BFH (Az. IX R 4/24) anhängig.