Rückstellungsbildung für Altersfreizeit

Nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden, was nach dem sog. Maßgeblichkeitsprinzip auch für die Steuerbilanz gilt. Zu den Voraussetzungen der Rückstellungsbildung zählt zum einen die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit. Zum anderen muss diese Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein. Außerdem muss der Schuldner ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen.

Der BFH stimmte in seinem Urteil vom 05.06.2024 (Az. IV R 22/22) der steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Rückstellung für Altersfreizeit zu, wenn diese an betriebliche Umstände wie bspw. die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpft. So standen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Klägerin im Streitfall nach dem einheitlichen Manteltarifvertrag neben ihrem vertraglichen Jahresurlaub zwei zusätzliche bezahlte freie Arbeitstage für jedes volle Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Streitig war die wirtschaftliche Verursachung der zurückgestellten Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag und damit der Erfüllungsrückstand seitens der Arbeitgeberin in Bezug auf ihre Leistungsverpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Aufgrund der tarifvertraglichen Bindung der Arbeitgeberin war im Streitfall das Entstehen einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung auf Gewährung von Altersfreizeit hinreichend wahrscheinlich. Die Verbindlichkeit war nur der Höhe nach ungewiss. Nach der einschlägigen früheren BFH-Rechtsprechung muss aber auch für eine erst in der Zukunft entstehende ungewisse Verbindlichkeit eine Rückstellung gebildet werden.

Der BFH hat zudem entschieden, dass die wirtschaftliche Verursachung der ungewissen Verbindlichkeit in der Zeit vor dem entsprechenden Bilanzstichtag bzw. in der Vergangenheit lag. Entgegen der Sichtweise des Finanzamts mussten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die zusätzlichen Freizeittage keine Mehrarbeit leisten, um so in einen Leistungsüberhang zu kommen. Ein Vergangenheitsbezug entstand bereits durch die Anknüpfung der Anzahl der künftigen Freizeittage an die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Bei der Altersfreizeit handelte es sich somit um ein Entgelt für während der Betriebszugehörigkeit erbrachte Arbeitsleistungen sowie für die Nichtausübung des Kündigungsrechts bzw. die Betriebstreue im Erdienenszeitraum. Insoweit erbrachten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Vorleistung, sodass kein für die steuerrechtliche Bilanzierung schädlicher Schwebezustand entstand. Bei der Aufschiebung der Auszahlung auf die Zeit kurz vor Pensionierung handelte es sich lediglich um eine Fälligkeitsabrede. Die Arbeitgeberin geriet mithin in einen Erfüllungsrückstand. Denn sie hatte am Bilanzstichtag weniger geleistet, als sie gemäß der tarifvertraglichen Zusatzvereinbarung zu leisten verpflichtet war.

Nach Auffassung des BFH ist es in Anlehnung an den sog. Grundsatz der Unternehmensfortführung auch nicht von Bedeutung, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor dem Erreichen der erforderlichen Altersgrenze das Unternehmen verlassen, nicht zumindest einen anteiligen Anspruch auf Altersfreizeit geltend machen können.

Hinweis:
Der Streitfall ist vergleichbar mit der Zusage einer Zuwendung für ein Arbeitnehmer- oder Firmenjubiläum. Denn in beiden Fällen orientiert sich die Zusatzleistung an der bisherigen Betriebszugehörigkeit und verknüpft das zukünftige Ereignis mit den anteilig in der Vergangenheit erbrachten Diensten der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zudem bestehen im Fall einer Jubiläumsrückstellung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenfalls keinerlei Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber auf eine anteilige Leistung bei Ausscheiden unmittelbar vor dem Stichtag.