Schenkung bei Gewährung niedrig verzinslicher Darlehen

Die Vereinbarung von Darlehensverträgen mit einem darin ausgewiesenen besonders niedrigen Zinssatz kann eine steuerpflichtige Schenkung auslösen, wie das Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 27.04.2022, Az. 3 K 273/20, (Revision BFH II R 20/22) zeigt.

Im Streitfall schloss eine Schwester mit ihrem Bruder einen Darlehensvertrag i.H.v. ca. EUR 1,8 Mio. mit Grundschuldbestellung ab. Sie gewährte das endfällige Darlehen auf unbestimmte Zeit mit einem Festzinssatz von 1 % p.a. Eine Schenkungsteuererklärung wurde nicht abgegeben. Dennoch ging das Finanzamt im Zeitpunkt des ausgezahlten Darlehensbetrags im Hinblick auf den Jahreswert des Nutzungsvorteils von einem steuerpflichtigen Erwerb aus und setzte letztlich Schenkungsteuer i.H.v. EUR 229.500 gegen den Bruder fest. Schenkung sei die Differenz zwischen tatsächlich vereinbartem Zinssatz und dem in § 15 Abs. 1 BewG gesetzlich fixierten Zinssatz von 5,5 % p.a. und betrage somit 4,5 %. Das FG bestätigte die Auffassung des Finanzamts.

Denn die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, stellt eine freigebige Zuwendung dar, die nach den Regeln des Bewertungsgesetzes zu bewerten ist. Wird das Darlehen nicht zinslos, sondern – wie hier - mit einem niedrigen Zinssatz gewährt, liegt ebenfalls eine freigebige (teilentgeltliche) Zuwendung vor. In diesem Fall ist der Jahreswert des Nutzungsvorteils in Anlehnung an die diesbezüglich bisher ergangene BFH-Rechtsprechung mit 5,5 % abzüglich des vereinbarten Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht.

Ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils steht nicht bereits dann fest, wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können. Vergleichsmaßstab ist vielmehr der marktübliche Zinssatz, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu - abgesehen von der Zinslosigkeit - vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre. So betrugen die Kreditzinsen unter Einbeziehung der im Streitfall einschlägigen Gegebenheiten im Jahresdurchschnitt ca. 3 %. Der Bruder musste also im Vergleich dazu lediglich ein Drittel der Zinsen an seine Schwester zahlen, die er am freien Markt hätte bezahlen müssen. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung im Streitfall unentgeltlich und der Wertunterschied den Vertragsparteien auch bewusst war. Den vom Bruder vorgelegten Kreditangeboten anderer Banken maß das FG mangels Vergleichbarkeit keine Bedeutung bei.

Das FG erkannte hinsichtlich der Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % ferner auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
 
Hinweis:
Kann bei niedrig verzinslichen Darlehen bspw. über Kreditangebote anderer Banken nachgewiesen werden, dass der verbilligte Zinssatz marktüblich ist, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Hierfür muss ein anderer Zinssatz als der des Bewertungsgesetzes von 5,5 % feststehen. Voraussetzung ist daher, dass verbindliche (nicht freibleibende!) Angebote mit vergleichbaren Konditionen insbesondere im Hinblick auf Laufzeit, Tilgung und Sicherheiten vorliegen und zeitgleich mit der Darlehensgewährung eingeholt werden.