Wachstumschancengesetz

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat am 21.02.2024 Änderungen zum umstrittenen „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (Wachstumschancengesetz) vorgeschlagen, die der Bundestag in seiner Sitzung am 23.02.2024 beschlossen hat. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, muss ihm allerdings auch der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am 22.03.2024 zustimmen. Wir stellen die wesentlichen steuerpolitischen Maßnahmen – die weit hinter den ursprünglichen steuerpolitischen Vorhaben mit diesem Gesetz zurückbleiben - nachfolgend vor.

Verbesserung des steuerlichen Verlustabzugs

Nach dem geltenden Recht ist der Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr nur bis zu einem Sockelbetrag von EUR 1 Mio. (bzw. EUR 2 Mio. für zusammenveranlagte Ehegatten) unbeschränkt möglich. Für den diese Beträge überschreitenden Teil ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt (sog. Mindestgewinnbesteuerung). Die Prozentgrenze soll temporär für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf nunmehr 70 % angehoben werden. Diese Regelung soll allerdings nur für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und nicht für die Gewerbesteuer gelten. Die noch im bisherigen Gesetzgebungsprozess vorgesehenen Änderungen zum Verlustrücktrag wurden hingegen gestrichen.

Verbesserung bei den Abschreibungsmöglichkeiten

Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung soll für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind, anstelle der linearen Abschreibung gelten. Dabei soll die degressive Abschreibung nach einem unveränderlichen Prozentsatz vom jeweiligen Buchwert (Restwert) vorgenommen werden können; der anzuwendende Prozentsatz darf höchstens das Zweifache (bisheriger Gesetzgebungsprozess: Zweieinhalbfache) des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % (bisheriger Gesetzgebungsprozess: 25 %) nicht übersteigen. Hinsichtlich der Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG ist geplant, diese von bisher 20 % auf 40 % (bisheriger Gesetzgebungsprozess: 50 %) anzuheben. Die Berücksichtigung dieser betragsmäßigen Auswirkungen ist erstmals bei Wirtschaftsgütern anzuwenden, die nach dem 31.12.2023 angeschafft oder hergestellt werden.

Aufgrund des akuten Wohnraummangels sowie der anhaltenden wirtschaftlichen Belastungen durch hohe Baukosten soll zur Förderung des Wohnungsbaus und zur Unterstützung der Bauwirtschaft die Inanspruchnahme einer geometrisch-degressiven Abschreibung für alle in einem EU-Mitgliedsstaat belegene Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird, mit fallenden Jahresbeträgen befristet ermöglicht werden. Die Abschreibung in fallenden Jahresbeträgen soll nach einem unveränderlichen Prozentsatz in Höhe von 5 %, und nicht mehr wie im bisherigen Gesetzgebungsprozess noch vorgesehen 6 %, vom jeweiligen Buchwert (Restwert) vorgenommen werden können.

Die Baukostenobergrenze im Rahmen der Sonderabschreibung für die Herstellung neuer Mietwohnungen nach § 7b EStG soll von bisher EUR 4.800 auf EUR 5.200 je Quadratmeter Wohnfläche erhöht werden. Der zeitliche Anwendungsbereich der Sonderabschreibung soll zudem auf Wohnungen erweitert werden, für die der Bauantrag oder die Bauanzeige entweder vom 01.09.2018 bis zum 31.12.2021 oder vom 01.01.2023 bis zum 30.09.2029 (bisher: 31.12.2026) gestellt wird. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt max. EUR 4.000 (bisher: EUR 2.500) je Quadratmeter Wohnfläche.

Die noch im bisherigen Gesetzgebungsprozess vorgesehenen Änderungen zur Sofortabschreibung eines geringwertigen Wirtschaftsguts und zur Abschreibung im Rahmen eines Sammelpostens wurden gestrichen.

Reform der Thesaurierungsbegünstigung und der Option zur Körperschaftsbesteuerung

Bei der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG soll der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, erhöht werden. Damit steht künftig ein höheres Thesaurierungsvolumen zur Verfügung. Zudem werden die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung konkretisiert und der Anwendungsbereich in bestimmten Fällen der unentgeltlichen Betriebsübergabe ausgeweitet. Die neuen Regelungen bei der Thesaurierungsbegünstigung sollen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden sein.

Hinsichtlich der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG sind Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität dieser Regelung geplant. Beispielsweise soll zukünftig neu gegründeten Gesellschaften die Möglichkeit gegeben werden, von vorneherein zur Körperschaftsbesteuerung optieren zu können. Dazu ist es dann ausreichend, wenn der Antrag bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags gestellt wird. Die Anpassungen bezüglich der Option zur Körperschaftsbesteuerung sollen bereits nach dem Tag der Gesetzesverkündung in Kraft treten.

Private Nutzung von Elektrofahrzeugen

Bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz, das keine CO2-Emissionen hat (reine Elektrofahrzeuge inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge), ist im Rahmen der sog. 1 %-Regelung nur ein Viertel des Bruttolistenpreises bzw. im Rahmen der sog. Fahrtenbuchregelung nur ein Viertel der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen anzusetzen. Dies gilt bislang jedoch nur, wenn der Bruttolistenpreis des Kfz nicht mehr als EUR 60.000 beträgt. Vor dem Hintergrund gestiegener Anschaffungskosten solcher Fahrzeuge soll der Höchstbetrag für ab dem 01.01.2024 angeschaffter Elektrofahrzeuge auf EUR 70.000 erhöht werden.

eRechnung

Die gesetzliche Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen zwischen inländischen Unternehmen (eRechnung) soll zum 01.01.2025 eingeführt werden. Es sind allerdings Übergangsregelungen vorgesehen. Danach sollen Unternehmer generell noch bis zum 31.12.2026 auf andere Rechnungsformate als die elektronische Rechnung ausweichen können. Für Unternehmer, deren Gesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als EUR 800.000 betragen hat, wird die Übergangsregelung auf den 31.12.2027 verlängert.

Weitere bürokratische Erleichterungen

Die Freigrenze für Geschenke in Höhe von derzeit EUR 35 soll auf EUR 50 erhöht werden. Der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, die im Fahrzeug übernachten, soll von EUR 8 auf EUR 9 steigen. Zukünftig sollen zudem Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften steuerfrei bleiben, wenn der hieraus erzielte Gesamtgewinn im Kalenderjahr weniger als EUR 1.000 betragen hat; bisher gilt eine diesbezügliche Freigrenze in Höhe von EUR 600.

Des Weiteren sollen die Schwellenwerte für die Buchführungspflicht bestimmter steuerpflichtiger Einzelkaufleute angehoben werden. Künftig kann bei Umsatzerlösen bis EUR 800.000 sowie bei einem Jahresüberschuss bis EUR 80.000 von einer handelsrechtlichen Buchführung mit Jahresabschlusserstellung (und entsprechender steuerlicher Gewinnermittlung) auf eine Gewinnermittlung mittels Einnahmen-Überschuss-Rechnung mit vereinfachter Buchführung gewechselt werden. Dies ist für Umsätze der Kalenderjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2023 beginnen.

Ebenso werden die Schwellenwerte für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung (Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten) von bisher EUR 600.000 auf EUR 800.000 ab dem 01.01.2024 und zur Befreiung von der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von EUR 1.000 auf EUR 2.000 ab dem 01.01.2025 angehoben. Zusätzlich sollen sog. Kleinunternehmer erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr grundsätzlich befreit werden. Die Voraussetzungen für die Anwendung der sog. Kleinunternehmerregelung sind dann von dem Unternehmer eigenständig zu überwachen und sollen anhand der Angaben in anderen Steuererklärungen – insbesondere der Einnahmen-Überschuss-Rechnung – kontrolliert werden.

Die noch im bisherigen Gesetzgebungsprozess geplanten Erhöhungen der Pauschalen für Mehraufwendungen im Rahmen einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit von derzeit EUR 28 bzw. EUR 14 auf EUR 32 bzw. EUR 16 sowie des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen von derzeit EUR 110 auf EUR 150 wurden hingegen kassiert. Ebenso wird die Einführung einer gesetzlich geregelten Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht weiter verfolgt.

Änderung des Umwandlungssteuergesetzes

Es ist eine erhebliche Verschärfung für alle ab dem 18.07.2023 (= Tag nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs am 17.07.2023) angemeldeten Spaltungen vorgesehen. Danach soll ein Buch- oder Zwischenwertansatz bei einer Spaltung ausgeschlossen sein, wenn damit eine nachfolgende Veräußerung von mehr als 20 % der Anteile innerhalb von fünf Jahren vorbereitet oder eine Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird.

Rein konzerninterne Umstrukturierungen wie beispielsweise das Umhängen von Beteiligungen im Konzern im Zusammenhang mit der Spaltung oder im Anschluss daran waren im Referentenentwurf nicht begünstigt. Die hieran vielfach geäußerte Kritik nahm das Bundeskabinett bereits in seinem Regierungsentwurf auf. Danach sollen solche Vorgänge grundsätzlich kein schädliches Ereignis mehr darstellen, das zum Versagen eines Buch- oder Zwischenwertansatzes führt. Veräußert das verbundene Unternehmen die Anteile allerdings anschließend an eine außenstehende Person, ist dieser Vorgang den obigen Prüfungskriterien zu unterwerfen.

Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung

Die Förderung nach dem Forschungszulagengesetz erfolgte bisher nur in Bezug auf die dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslöhne von im Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beschäftigten Arbeitnehmern, die Eigenleistung eines Einzelunternehmers in Höhe von EUR 40 je Arbeitsstunde bei maximal 40 Arbeitsstunden pro Woche sowie anteilig (60 %) in Bezug auf das Entgelt für Auftragsforschung.

Zukünftig soll unter bestimmten Voraussetzungen auch der Teil der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens zu den förderfähigen Aufwendungen eines nach dem 31.12.2023 beginnenden Wirtschaftsjahres gehören. Ferner soll der Betrag der Eigenleistung eines Einzelunternehmers auf EUR 60 je Arbeitsstunde angepasst werden.

Bemessungsgrundlage sind die im Wirtschaftsjahr entstandenen förderfähigen Aufwendungen des Anspruchsberechtigten. Sie beträgt jedoch höchstens für nach dem 01.01.2020 und vor dem 01.07.2020 entstandene förderfähige Aufwendungen EUR 2 Mio., für nach dem 30.06.2020 und vor dem 01.01.2024 entstandene förderfähige Aufwendungen EUR 4 Mio. und für nach dem 31.12.2023 entstandene förderfähige Aufwendungen EUR 10 Mio. und nicht mehr wie im bisherigen Gesetzgebungsprozess vorgesehen EUR 12 Mio.

Die Forschungszulage beträgt für alle Anspruchsberechtigten 25 % der Bemessungsgrundlage. Kleine oder mittlere Unternehmen im Sinne der KMU-Definition der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung können zusätzlich eine Erhöhung der Forschungszulage um 10 Prozentpunkte beantragen.

Hinweis:
Die im bisherigen Gesetzgebungsprozess vorgesehenen Regelungen zur Einführung eines sog. Klimaschutz-Investitionsprämiengesetzes sowie die vielfach kritisierten Mitteilungspflichten innerstaatlicher Steuergestaltungen wurden durch den Vermittlungsausschuss gestrichen.

Die erforderlichen sog. MoPeG-Anpassungen insbesondere zum Grunderwerbsteuergesetz sowie die nach EU-Recht vorgesehene Reform der Zinsschranke wurden bereits im Dezember 2023 im Rahmen des sog. Kreditzweitmarktförderungsgesetzes beschlossen.