Aktivitäten des IASB/IFRS IC

Post-Implementation Review zu IFRS 10-12 abgeschlossen

Die Überprüfung nach Einführung (Post-Implementation Review (PIR)) von IFRS 10, IFRS 11 und IFRS 12 wurde am 20. Juni durch den IASB abgeschlossen. Ein PIR wird vom IASB für jeden neuen Standard oder jedes wesentliche Amendment durchgeführt. Der PIR für diese Standards dauerte knapp drei Jahre. Auf Basis der Rückmeldungen der Stakeholder sowie der im Rahmen des PIR durchgeführten Untersuchungen kam das IASB zu dem Schluss, dass die Standards wie beabsichtigt funktionieren („working as intended“). Entsprechend wurde keines der im PiR identifizierten Themen mit hoher oder mittlerer Priorität eingestuft.

Gleichwohl wurden fünf Themen mit dem low priority-Status eingestuft, sodass diese bei der nächsten Agenda-Konsultation untersucht werden könnten, sofern diese dann als high priority eingestuft werden würden. Zu diesen Themen gehören:

  • Tochterunternehmen, die Investmentgesellschaften sind: Möglicher Informationsverlust in sog. multi-layered structures,
  • Transaktionen, die die Beziehung zwischen einem Investor und einem Beteiligungsunternehmen (investee) verändern,
  • Transaktionen unter Einbeziehung von Mantelgesellschaften,
  • Gemeinschaftliche Vereinbarungen (collaborative arrangements) außerhalb des Anwendungsbereichs von IFRS 11,
  • Zusätzliche Anhangangaben zu Beteiligungen an anderen Unternehmen (interests in other entities).

Agenda Decisions des IFRS IC in Q2/2022

Norm

Thema

Monat der Sitzung

IFRS 15

Principal versus Agent: Software Reseller – IFRS 15 Revenue from Contracts with Customers

April

IFRS 9

Cash Received via Electronic Transfer as Settlement for a Financial Asset

Juni

IAS 37

Negative Low Emission Vehicle Credits

 

Juni

IAS 32

Special Purpose Acquisition Companies (SPAC): Classification of Public Shares as Financial Liabilities or Equity

Juni

IFRS 17

Transfer of Insurance Coverage under a Group of Annuity Contracts

Juni

Das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) hat in seiner Sitzung am 20. April 2022 bzw. am 14. bis zum 15. Juni 2022 zu folgenden Themen eine finale Formulierung einer Agendaentscheidung vorgelegt:

  • Principal vs. Agent: Software Reseller (IFRS 15) – Fraglich war, ob beim Verkauf von Softwarelizenzen durch einen Dritten z.B. von IT-Dienstleistern, der IT-Dienstleister als Prinzipal oder Agent einzustufen ist sowie, ob die im indirekten Vertragsmodell zu erbringende Pre-Sales-Beratung und der Verkauf einer Softwarelizenz einzelne Leistungsverpflichtungen nach IFRS 15 darstellen. Das IFRS IC stellte fest, dass vorvertragliche Beratungsleistungen kein implizites Leistungsversprechen darstellen, wenn diese bereits erbracht wurden, bevor ein Vertrag mit dem Kunden über die Bereitstellung von Software-Lizenzen geschlossen wurde und der Kunde kein Entgelt für die Beratungsleistung zu entrichten hat, wenn kein Software-Lizenz Vertrag zustande kommt. Die Software-Lizenzen stellen die einzige Leistungsverpflichtung innerhalb des Vertrags dar, für welche der Intermediär zu beurteilen hat, ob er als Prinzipal oder Agent tätig ist. Die Beurteilung, des Vorliegens einer Prinzipal- oder Agentenrolle sind die jeweiligen Indikatoren nach IFRS 15.B37 entsprechend ihrer Relevanz zu beachten. Der Software-Reseller hat weiterhin zu untersuchen, ob er vor dem Übergang der Verfügungsgewalt auf den Endkunden, selbst Verfügungsgewalt an den Lizenzen erlangt (IFRS 15.33; IFRS 15.B35A(a)). Nur wenn die Beurteilung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, sind die ergänzenden Indikatoren des IFRS 15.B37 in die Beurteilung einzubeziehen.
  • Cash Received via Electronic Transfer as Settlement for a Financial Asset (IFRS 9) - Fraglich war, wann per elektronischer Überweisung erhaltene Bargeldbeträge bilanziell anzuerkennen sind, wenn das elektronische Überweisungssystem mehrere Tage in Anspruch nimmt. Im konkreten Fall, wann die Forderungen aus- und die Zahlungsmittel einzubuchen sind. Sowohl die Forderung als auch die Zahlungsmittel stellen Finanzinstrumente dar, die in den Anwendungsbereich von IFRS 9 fallen. Konkret sind demnach die Ein- und Ausbuchungsvorschriften in IFRS 9.3.2.3 und IFRS 9.3.1.1. einschlägig. Im Ergebnis folgerte das IFRS IC, dass die Forderung erst bei Erhalt der Zahlungsmittel – am Tag der Kontogutschrift – erlischt. Am selben Tag entsteht auch der Anspruch auf die Zahlungsmittel seitens des Gläubigers gegenüber der Bank.
  • Negative Low Emission Vehicle Credits (IAS 37) - Gegenstand des überarbeiteten Staff paper aus November 2021 ist die Frage, ob durch eine Defizitposition bei Gutschriften für energy credits für produzierte/importierte Fahrzeuge bei einem PKW-Hersteller eine Verpflichtung entsteht, die gem. IAS 37 zu passivieren ist. Im Kern ist das IFRS IC bei seiner vorläufigen Entscheidung aus Februar geblieben. Nach Ansicht des IFRS IC hat ein Unternehmen, das PKWs produziert oder importiert, deren durchschnittlichen Kraftstoffemissionen über dem staatlichen Zielwert liegen, eine rechtliche Verpflichtung nach IAS 37, da insoweit eine Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis vorliegt, die unabhängig von künftigen Ereignissen oder Maßnahmen besteht. Eine Verpflichtung zum Ansatz einer Rückstellung ergäbe sich darüber hinaus auch, sofern das Unternehmen eine faktische Verpflichtung haben sollte, wenn es z.B. eine öffentliche Erklärung abgegeben hat, die bei anderen Parteien berechtigte Erwartung geweckt hat, seine negativen „credits“ zu beseitigen.
  • Special Purpose Acquisition Companies (SPAC): Classification of Public Shares as Financial Liabilities or Equity (IAS 32) – das IFRS IC befasste sich erneut mit der Klassifizierung von SPAC-Anteilen (Anteile an einer Special Purpose Acquisition Company) nach IAS 32 und kam zu dem Ergebnis, dass derartige Sachverhalte vielfach und in unterschiedlicher Ausgestaltung vorkommen, so dass die Klärung für einen einzelnen speziellen Fall nicht sinnvoll erscheint. Das IFRS IC schlug vor das Thema im Rahmen des FICE-Projekts (Financial Instruments with Characteristics of Equity) erneut aufzugreifen.
  • Transfer of Insurance Coverage under a Group of Annuity Contracts (IFRS 17) - Fraglich ist, wie nach IFRS 17.B119(a) die Deckungseinheiten zu ermitteln sind, um die gesamte contractual service margin (CSM) für eine Gruppe von Rentenversicherungsverträgen sachgerecht über die Perioden zu verteilen? Das IFRS IC ist bei der vorläufigen Entscheidung aus Februar 2022 geblieben. Da IFRS 17 keine Methode vorgibt, ist eine Methode zu verwenden, die dem Grundsatz in IFRS 17.B119 entspricht, die in jeder Periode erbrachten Leistungen des Versicherungsvertrags abzubilden. Dies ist nach Ansicht des IFRS IC die Methode der konstanten jährlichen Leistung. In Anbetracht einer solchen Agenda-Entscheidung unmittelbar vor Erstanwendung von IFRS 17 ab 01.01.2023 gestand das IFRS IC implizit zu, dass keine Erwartung dahingehend bestünde, dass die Prüfung und etwaige Anpassungen der Bilanzierung aus der AD bis zum 01.01.2023 vorgenommen würden.

Die finalen Agendaentscheidungen stehen unter dem Vorbehalt eines ausbleibenden Vetos seitens des IASB.

Hyperinflation (IAS 29): Aktualisierte Liste des IPTF

IAS 29 ist auf Einzel- und Konzernabschlüsse von Unternehmen anzuwenden, deren funktionale Währung, die eines Hochinflationslandes ist. IAS 29 schreibt dabei kein konkretes Merkmal für den Nachweis einer Hyperinflation vor. Unter den Indikatoren kommt dem einer statistischen Auswertung der über einen Zeitraum von drei Jahren kumulierten Inflation die höchste Bedeutung zu (IAS 29.3(e)). Zur Qualifikation verschiedener Länder hinsichtlich Hyperinflation werden regelmäßig die Daten des Internationalen Währungsfonds (IMF) und des International Practices Task Force (IPTF) des US-amerikanischen Center for Audit Quality (CAQ) zurückgegriffen. Im aktuell veröffentlichten Bericht werden seit Mai 2022 in der Liste der Länder, in denen die kumulative Inflation in den letzten drei Jahren über 100% betrug, folgende neue Kandidaten aufgeführt:

Äthiopien, Suriname, Türkei und Republik Jemen.

Für (Zwischen-)Berichtsperioden, die am oder nach dem 30.06.2022 enden, sind die neu aufgenommen Länder, darunter die Türkei, als Hochinflationsländer nach IAS 29 zu betrachten.

Für Konzerne, die Tochtergesellschaften mit Türkischen Lira als funktionale Währung haben, ist demnach gemäß IAS 21.43 eine entsprechende Anpassung des Abschlusses nach IAS 29.8 (restatement approach) vorzunehmen, bevor der Abschluss in den Konzernabschluss einbezogen werden kann. Weitere Informationen finden Sie in einem Beitrag von Lüdenbach/Freiberg im BB (im Erscheinen begriffen).