Erste Updates und Zweites Update zum fachlichen Hinweis des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung
Aus den Konsequenzen der russischen Kriegshandlungen gegen die Ukraine seit dem 24.2.2022, wie auch aus den gegen Russland verhängten Sanktionen (nebst Gegensanktionen von russischer Seite), können sich Auswirkungen auf die Rechnungslegung eines Unternehmens ergeben, da zahlreiche Unternehmen Geschäftsbeziehungen in die Ukraine oder nach Russland unterhalten.
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hatte Anfang März 2022 einen Fachlichen Hinweis „Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung und deren Prüfung“ veröffentlicht, der sich zunächst den Fragen hinsichtlich des Abschlussstichtages 31.12.2021 widmete.
Zum 8.4.2022 erfolgte ein erstes Update mit umfangreichen Ergänzungen von Fragen und Antworten zu den Konsequenzen für die Rechnungslegung des ersten Quartals 2022 (HGB und IFRS) sowie deren Auswirkung auf die Abschlussprüfung. Am 14.4.2022 erfolgte das zweite Update des Fachlichen Hinweises, welches hinweise zu Fragestellungen zur Bestimmung des fair value nach IFRS 13, zu Wertminderungen von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, zu Sicherungsbeziehungen sowie zum Ausweis von finanziellen Verbindlichkeiten nach IFRS ergänzt.
Nachfolgend werden überblicksartig ausgewählte Hinweise zur IFRS-Rechnungslegung dargestellt. Für Einzelheiten sowie die vollständigen Erläuterungen wird auf die Veröffentlichung des IDW verwiesen.
- Beherrschung nach IFRS 10 ist im Einzelfall zu prüfen. Die IFRS enthalten kein den Vorschriften des § 296 Abs. 1 HGB vergleichbares Vollkonsolidierungswahlrecht. Auch begründen Kapitalausfuhrbeschränkungen für sich genommen keinen Verlust der Beherrschung. Bei unmittelbarer Betroffenheit des Mutterunternehmens ist einzelfallbezogen der Katalog des IFRS 10 zu prüfen, insbesondere, ob bestehende Rechte nicht mehr substanziell i. S. d. IFRS 10 sind (IFRS 10.B23).
- In Abhängigkeit von der (un-)mittelbaren Betroffenheit der Bilanzierenden von den Ereignissen in der Ukraine sowie den aktuellen Sanktionen gegen bzw. durch Russland ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen mind. eines Anhaltspunktes für eine Wertminderung nach IAS 36 gegeben. Der zu verwendende Kapitalisierungszins (Vorsteuer-Zinssatz) bei der Bemessung des value in use für die Bestimmung des erzielbaren Betrags hat sich weiterhin an langfristigen Analysen von durchschnittlichen Marktrenditen und an einer Marktrisikoprämie, die aktuell am oberen Rand der Bandbreite historischer Prämien liegt, zu orientieren (siehe hierzu auch den Fachlichen Hinweis des FAUB des IDW zur Unternehmensbewertung vom 20.3.2022).
Der Fragen und Antwortenteil zu Finanzinstrumenten wurde durch das zweite Update vom 14.4.2022 nochmals ergänzt und aktualisiert und umfasst eine Vielzahl von Einzelthemen, u.a.:
- Ableitung des fair value am Markt nach IFRS 13: Prüfung, ob aufgrund der gegenseitigen Sanktionen für zum fair value bewertete finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf dem entsprechenden Markt (Ukraine/Russland) geordnete Geschäftsvorfälle beobachtet werden können. Konsequenzen aus dem Zusammenspiel von Marktzugang und in-/aktiven Märkten für die Ermittlung des fair value: Sofern ein Unternehmen keinen Zugang mehr zu einem bisherigen Markt in der Ukraine, in Russland oder Belarus hat und auch kein alternativer Markt existiert, kann der Preis von einem solchen Markt (aktiv oder nicht aktiv) zwar Eingang in die fair value-Ermittlung im Rahmen eines sachgerechten Bewertungsverfahrens finden, jedoch sind erforderliche Anpassungen i.S. von IFRS 13 notwendig. Anzuwendende Bewertungsverfahren/-methoden und Inputfaktoren: Derzeit kann es sich als schwierig erweisen, einen angemessenen Zinssatz für Abzinsungen zu ermitteln (z.B. für Rubel-Instrumente). Entsprechende Unsicherheiten sind in der Bewertung zu berücksichtigen.
- Anhaltspunkte für die Beurteilung der Betroffenheit von bilanzierenden Unternehmen von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges: Die Kriegsauswirkungen müssen unternehmensindividuell beurteilt werden. Die Betroffenheit kann sich zum einen unmittelbar z.B. aufgrund von direkten Geschäftsbeziehungen in die Ukraine, nach Russland und/oder Belarus ergeben. Zum anderen kann ein Kreditnehmer ein indirektes Risiko besitzen, d. h. mittelbar von den Kriegsgeschehnissen betroffen sein.
- Ermittlung der erwarteten Kreditverluste: Bei der Ermittlung der erwarteten Kreditverluste sind neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch Auswirkungen auf die Werthaltigkeit von Sicherheiten zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn diese in einem Krisenland belegen oder durch Sanktionsmaßnahmen zugriffsbeschränkt sind. Bei Verträgen über Sicherheiten sind potenzielle force majeure-Klauseln zu beurteilen, welche die Sicherungsleistung im Fall höherer Gewalt ausschließen. Werden Finanzgarantien als integraler Bestandteil eines finanziellen Vermögenswertes betrachtet, sind auch deren Bedingungen bei der Höhe der erwarteten Kreditverluste zu berücksichtigen.
- Aufgrund von Auswirkungen durch Verfügungsbeschränkungen (z.B. Ausschluss aus dem SWIFT-System) ist zu würdigen, ob eine Restriktion so weitreichend ist, dass diese für die zugrundeliegenden Kassen- und Bankenbestände einer Einbeziehung in die Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente entgegensteht (Kriterien nach IAS 7.6).
- Sollte der Umtausch einer der betroffenen Währungen (z.B. der ukrainischen Hrywnja oder des belarussischen Rubels) vorübergehend zum Datum des Geschäftsvorfalls oder einem nachfolgenden Abschlussstichtag ausgesetzt sein, ist von den Unternehmen der Kurs zu verwenden, der am ersten darauffolgenden Tag gilt, an dem ein Umtausch wieder möglich ist (IAS 21.26). Dieser Fall kann zusätzliche Anhangangabepflichten auslösen.
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DRSC schreibt kritischen Brief an EU zur EFRAG-Konsultation zu ESRS
Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) hat sich im Vorfeld des durch die EFRAG gestarteten Konsultationsprozesses zu den Europäischen Sustainability Reporting Standards (ESRS) kritisch bzgl. des Umfangs und des Prozesses gegenüber EFRAG sowie der EU-Kommission geäußert. Das DRSC hat seine Kritik zum Konsultationsprozess mit einem Brief vom 10. Mai 2022 an die Europäische Kommission und die EFRAG bereits vorab geäußert. Unter der Überschrift „Getting it right!“ schlägt das DRSC spezifische Änderungen für einen angepassten Konsultationsprozess vor. Anlass der Kritik war die hohe Anzahl der Standardentwürfe nebst dem umfangreichen Fragenkatalog vor dem Hintergrund der gesetzten Konsultationsfrist von 100 Tagen, welche das DRSC als nicht verhältnismäßig kritisiert. Relevante stakeholder würden davon abgehalten in einer effizienten Art und Weise zu antworten und so das – aus Sicht des DRSC – oberste Ziel der Entwicklung hochwertiger Standards gefährden.
Das DRSC spricht sich u.a. für einen gestaffelten Prozess aus, in welchem auch die Standards des ISSB deutlich stärker berücksichtigt werden sollten. Weitere Informationen finden Sie hier.