Europäisches Enforcement

ESMA: Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den Halbjahresbericht nach IFRS

Mit Datum vom 13.5.2022 hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) das public statement „Implications of Russia's invasion of Ukraine on half-yearly financial reports“ veröffentlicht. Inhaltlich deckt dieses ausgewählte Aspekte der Rechnungslegung mit Bezug zum Ukraine-Krieg auf die Halbjahresberichterstattung nach IFRS (IAS 34) ab. Die Anwendung ist aber nicht nur auf den Halbjahresbericht (bei Geschäftsjahr = Kalenderjahr) beschränkt, sondern gilt auch für andere im Einklang mit den Anforderungen des IAS 34 aufgestellte Zwischenberichte. Die ESMA fordert Unternehmen zu einer transparenten Berichterstattung im Kontext des Ukraine-Krieges auf. Hierbei ist unter Beachtung der einschlägigen IFRS, z.B. auf die Einschätzung zum going concern oder die Angabe der Kriegsauswirkungen auf die strategischen Ziele der Emittenten oder die Risiken der Cybersicherheit einzugehen.

Mit Bezug zur IFRS-Rechnungslegung werden u.a. folgende Hinweise gegeben:

  • Anwendung von IAS 34: Für Emittenten mit wesentlichen Engagements in Russland, Belarus und/oder Märkten der Ukraine und/oder für die bestimmte Rohstoffe die Geschäftsgrundlage darstellen, stellt der Einmarsch Russlands in die Ukraine ein erhebliches Ereignis gem. IAS 34.15-15C dar. Mit Verweis auf IAS 1.17 und .31 können daher Angaben, die normalerweise nur für einen vollständigen IFRS-(Jahres-)Abschluss gefordert sind, auch im verkürzten Abschluss für das erste Halbjahr notwendig werden.
  • Angaben zu Ermessensentscheidungen und Unsicherheiten: Notwendig sind Angaben über bestehende wesentliche Unsicherheiten (material uncertainties), die sich auf Ereignisse oder Gegebenheiten beziehen, die erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen sowie zu Ermessensentscheidungen (IAS 1.122) und Schätzungsunsicherheiten (IAS 1.125). IAS 34.16A(d) erfordert auch ein Update der getroffenen Schätzungen (Angabe der Art und des Umfangs).
  • Wertminderungen nach IAS 36: In Abhängigkeit von der (un-)mittelbaren Betroffenheit der Bilanzierenden von den Ereignissen in der Ukraine sowie den aktuellen Sanktionen besteht für das Vorliegen mind. eines Wertminderungsindikators (IAS 36) eine erhöhte Wahrscheinlichkeit.
  • Gem. IAS 34.15B(j) und Artikel 5 (4) der Transparenzrichtlinie muss der Zwischenbericht auch Informationen über wesentliche Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen und Personen enthalten.

ESMA: Transparenz bei der Umsetzung von IFRS 17

Am 13.5.2022 hat die ESMA außerdem das public statement „Transparency on implementation of IFRS 17 Insurance Contracts“ mit Empfehlungen zu Angaben zum Übergang auf IFRS 17 (good disclosure practices on expected impacts) veröffentlicht. ESMA erwartet, dass Versicherungs-Unternehmen ihre internen Rechnungslegungsmodelle auch im Jahr 2022 weiterhin noch anpassen und kalibrieren (speziell bezogen auf die Interaktion mit IFRS 9). Hierfür verweist die ESMA auf die vergangenen Beratungen zur Implementierung in der TRG sowie mögliche Beratungen durch das IFRS IC.

Zur Schaffung von Transparenz bzgl. der Implementierung verweist die ESMA auf die Anforderungen von IAS 8.30 und IAS 8.31, insbesondere den Angaben über die erwarteten Auswirkungen von Unsicherheiten und Ermessenausübungen.

In den Fällen, in denen mit materiellen (significant) Auswirkungen unternehmensspezifisch zu rechnen ist, erwartet die ESMA folgende Informationen:

  • Angaben zu Informationen von wesentlichen bilanzpolitischen Entscheidungen zur Erstanwendung von IFRS 17; z.B. die Methoden zur Berechnung des Abzinsungssatzes oder auch die Anforderungen an die Aggregationsebene;
  • adressatengerechte Aufschlüsselung der erwarteten Auswirkungen und
  • Angaben zur Erläuterung der Art der Auswirkungen (Ansatz, Bewertung und Ausweis) zwecks Darstellung der Änderungen im Vergleich zu IFRS 4.

Die Angaben zu den erwarteten Auswirkungen sollten keine Standardformulierungen (boiler plate) enthalten und den Nutzern helfen die auf der Grundlage von IFRS 4 offengelegten Informationen so weit wie möglich auf die wichtigsten Darstellung nach IFRS 17 zuzuordnen. Die Angaben sollten Erläuterungen dazu enthalten, wie die Bilanzierung, die derzeit für verschiedene Arten von Versicherungsverträgen berichtet wird, sich (wahrscheinlich) nach IFRS 17 unterscheiden wird.

ESMA veröffentlicht neuen Auszug aus enforcement-Datenbank

Die nationalen enforcement-Instanzen beraten auf EU-Ebene im Rahmen der sog. European Enforcers' Coordination Sessions (EECS) zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung der IFRS in Europa. Aus der vertraulichen Datenbank der EECS hat die ESMA am 17.5.2022 einen neuen Auszug (Nummer 26) zu insgesamt elf Durchsetzungsentscheidungen europäischer enforcement-Stellen veröffentlicht.

Enthalten sind Entscheidungen von März 2020 bis November 2021:

  • IFRS 9: keine Berücksichtigung einer Bonitätsverbesserung bei der Bewertung der erwarteten Kreditverluste (ECL) bei Portfoliokrediten, sofern das credit enhancement nicht explizit im Kreditvertrag festgelegt wurde. Besteht eine separate Vereinbarung ist das credit enhancement separat zu erfassen.
  • IAS 2: Eine zu hohe Bewertung des Nettoveräußerungswerts der Vorräte aufgrund einer (geplanten) Verlängerung einer Exklusivvereinbarung, die nicht unter der Kontrolle des Emittenten steht (kein analoger Fall von firm sales or service contract gem. IAS 2.31).
  • IAS 2: Kosten für den Verkauf bei der Berechnung des Nettoveräußerungswerts von Vorräten sollen alle verkaufsnotwendigen und nicht nur die inkrementellen Kosten beinhalten.
  • IFRS 15: Zulässigkeit der zeitraumbezogenen Erfassung von Erlösen nach IFRS 15.35(c) (Bau von Schiffen) trotz ggf. nicht auszuschließender termination rights des Kunden nach jeweiligem Landesrecht.
  • IFRS 15: Fehlerhafte Beurteilung des Vorliegens einer signifikanten Finanzierungskomponente. Der Erhalt einer Anzahlung ohne Berücksichtigung der zeitlichen Komponente zwischen Zahlung und Leistung stellt keine Finanzierungskomponente dar.
  • IFRS 15: Fehlerhafter Ausweis von Einnahmen aus Rechtstreitigkeiten als Umsatzerlöse.
  • IFRS 16/IAS 36: Bei Abzug des Buchwerts der Leasingverbindlichkeit gem. IAS 36.76 und .78 vom Buchwert der CGU, sollte derselbe Betrag vom erzielbaren Betrag der CGU abgezogen werden.
  • IAS 36: Fehlende Berücksichtigung von COVID-19-Indikatoren für den impairment-Test.
  • IAS 36: Lagerhäuser eines Unternehmens sind keine eigenen CGUs, sondern als corporate assets den Filialen (CGUs) zuzuordnen.
  • IFRS 8: Fehlerhafte Abgrenzung als Ein-Segment-Unternehmen trotz Vorliegen mehrerer business units.
  • IAS 7/IAS 8: Eine Änderung im cash management ist eine Änderung der Tatsachen und Umstände, die nach IAS 8.16(a) keine Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden darstellt.

Die veröffentlichten Entscheidungen enthalten keinerlei rechtliche Bindungswirkung für die einzelnen Enforcer, ihnen kommt jedoch bei der Beurteilung vergleichbarer Sachverhalte eine faktische Bindungswirkung zu. Weiterführende Informationen erhalten Sie hier.

ESMA veröffentlicht Leitlinien zu alternativen Leistungskennzahlen

Zu den bereits im Juni 2015 veröffentlichten Leitlinien zu alternativen Leistungskennzahlen - die im Juli 2016 in Kraft getreten sind - wurden mehrere Fragen und Antworten in einem Sammeldokument veröffentlicht. Nun sind zwei weitere Fragen im Kontext der aktuellen ESG-Entwicklungen hinzugenommen worden:

  • Anwendung der Leitlinien auf ESG-bezogene Kennzahlen,
  • Von Emittenten verwendete Kennzeichnungen für ESG-Kennzahlen.

Das aktualisierte Sammeldokument finden Sie hier.