Blickpunkt: Einfluss öffentlicher Null-Emissions-Ankündigungen auf die Bildung von Rückstellungen nach IAS 37
Einleitung
Unternehmen veröffentlichen zum Teil selbst gesteckte Ziele im Hinblick auf zukünftige CO2-Emissionen (bspw. zu sog. Null-Emissions-Strategien) und Informationen über geplante Investitionen, um umweltschonender produzieren zu können. Das IFRS IC hat in seiner Sitzung von März 2024 eine – noch durch den IASB zu bestätigende - finale Agenda-Entscheidung (AD) zu klimabezogenen Verpflichtungen nach IAS 37 getroffen (siehe auch Kapitel 4.2). Das IFRS IC hatte sich mit einer Anfrage beschäftigt, inwieweit öffentliche Ankündigungen zu klimaschutzkonformen Verhalten eines Unternehmens Einfluss auf die Passivierung von Rückstellungen in deren Abschluss haben können. In dem von einem Nichtunternehmen eingereichten Fall wurde unterstellt, dass ein Unternehmen öffentlich angekündigt hat, innerhalb eines definierten Zeitraumes seine Treibhausgasemissionen um mindestens 60 % senken und nach diesem Zeitraum ggf. verbleibende Treibhausgasemissionen mittels des Erwerbs von CO2-Zertifikaten ausgleichen zu wollen. Es stellt sich grundlegend die Frage, wie mit konkret definierten und bezifferten Selbstverpflichtungen von Unternehmen, die bspw. im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, im Hinblick auf IAS 37 umzugehen ist.
Kriterien zur Rückstellungsbildung nach IAS 37
Nach IAS 37.14 ist eine Rückstellung zu passivieren, wenn ein Unternehmen aufgrund eines vergangenen Ereignisses eine gegenwärtige rechtliche oder faktische Verpflichtung hat, deren Erfüllung wahrscheinlich zum Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen führt und eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist. Das Bestehen einer gegenwärtigen Verpflichtung muss dabei wahrscheinlich sein, demnach müssen zum Abschlussstichtag mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. IAS 37.17 konkretisiert dabei, dass das Unternehmen keine Möglichkeit haben darf, sich der Erfüllung der Verpflichtung zu entziehen. Dies ist nur der Fall, wenn die Erfüllung der Verpflichtung rechtlich durchgesetzt werden kann oder das Ereignis gerechtfertigte Erwartungen bei anderen Parteien hervorruft, dass das Unternehmen die Verpflichtung erfüllen wird (faktische Verpflichtung). IAS 37 sieht überdies nur den Ansatz von Rückstellungen für Verpflichtungen vor, die unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens bestehen. Hat das Unternehmen dagegen die Möglichkeit, Ausgaben für eine bestehende Verpflichtung durch künftige Aktivitäten vermeiden zu können, z.B. durch eine geänderte Verfahrensweise, besteht nach IAS 37.19 keine gegenwärtige Verpflichtung, so dass der Ansatz einer Rückstellung nicht in Betracht kommt.
Bestehen einer faktischen Verpflichtung
Da freiwillig von Unternehmen auferlegte Selbstverpflichtungen keine rechtliche Verpflichtung darstellen, kann – wenn überhaupt – aus selbst gesteckten Nachhaltigkeitszielen nur eine faktische Verpflichtung folgen. So kann eine Ankündigung, dass man anstrebe, die CO2-Emissionen um einen definierten Betrag reduzieren zu wollen, noch keine ausreichende Verpflichtung begründen, es kommt auf die Absolutheit der Aussage an. Die beabsichtigte Maßnahme muss also hinreichend spezifiziert und quantifiziert sein, um eine Verpflichtung zu begründen. Im Rahmen der aktuellen AD, die auf einen ursprünglichen Sachverhalt begrenzt bleibt und eine gewünschte Ergänzung nicht explizit adressiert, hat das IFRS IC in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich gemacht, dass eine Verpflichtung (unabhängig davon, ob diese rechtlicher oder faktischer Natur ist) immer eine andere Partei betrifft, die nicht zwingend identifizierbar sein muss. Eine Verpflichtung kann daher gemäß IAS 37.20 auch gegenüber der Öffentlichkeit in ihrer Gesamtheit bestehen.
Faktische Verpflichtung zur Vornahme von Aktivitäten in der Zukunft begründet keinen Ansatz einer Rückstellung
Selbst wenn aus der Ankündigung von Unternehmen zur Emissionsreduzierung eine faktische Verpflichtung abgeleitet werden könnte, so besteht zu diesem Zeitpunkt noch keine gegenwärtige Verpflichtung, die nicht durch eine zukünftige Einstellung der Unternehmenstätigkeit vermieden werden könnte. Im Hinblick auf etwaig vorzunehmende Investitionen zur Reduzierung von Emissionen stellt sich die Frage, ob die geplanten Ausgaben für zukünftige Anschaffungen (Gegenbuchung: immaterieller Vermögenswert) rückstellungsfähig sein können. Gemäß IFRS IC liegt noch kein Ressourcenabfluss aus der Saldogröße aus den Kosten der vorzunehmenden Investitionen (z.B. Modernisierungen, Prozessoptimierungen, Einführung neuer Technologien) und den anzusetzenden neuen oder ggf. erweiterten bestehenden Vermögenswerten vor, sondern vielmehr ein Ressourcentausch. Die erhaltenen Ressourcen kann das Unternehmen nutzen, um Produkte herzustellen, die es mit Gewinn verkaufen kann.
Hat sich ein Unternehmen z.B. verpflichtet CO2-Zertifikate erwerben zu wollen, um zukünftige Treibhausgasemissionen ausgleichen zu können, besteht zum Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung eine faktische Verpflichtung zum Ausgleich von zukünftigen Treibhausgasemissionen. Das Unternehmen hat aber noch keine Emissionen, also einen erstattungspflichtigen „Schaden“ verursacht. Da die mit der Verpflichtung auferlegten Treibhausgase zum Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung noch nicht emittiert sind, kann zu diesem Zeitpunkt kein Verstoß gegen die Auflage und damit keine Verpflichtung zum Ausgleich bestehen. Erst mit der Emission der Treibhausgase liegt ein “Schaden“ vor, deren Erfüllung durch Erwerb von CO2-Zertifikaten zu einem Abfluss von wirtschaftlichen Ressourcen führt.
Zum Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung solcher klimafreundlichen Maßnahmen fehlt es i.d.R. an der vollständigen Erfüllung der Ansatzkriterien nach IAS 37.14.
In dem an das IFRS IC herangetragenen Fall hat das IFRS IC jedenfalls entschieden, dass zum Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung aus IAS 37 keine Rückstellung anzusetzen ist.
Wir verweisen bzgl. des Themas auch auf zwei Beiträge in der PiR, Heft 3/2024 sowie auf einen Beitrag von Lüdenbach/Freiberg im BetriebsBerater, Heft 15/2024, S. 811 ff.
Anlage - Überblick über die Projekte des IASB (Stand vom 28.03.2024)
Maintenance Projects | Next Milestone | Expected Date |
Amendments to the Classification and Measurement of Financial Instruments | Final Amendment | May 2024 |
Provisions - Targeted Improvements | ED | H2 2024 |
Addendum to the Exposure Draft Third edition of the IFRS for SMEs Accounting Standard | ED | March 2024 |
Climate-related and Other Uncertainties in the Financial Statements | Decide Project Direction | April 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Transaction Price (Amendments to IFRS 9) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards –Hedge Accounting by a First-time Adopter (Amendments to IFRS 1) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Gain or Loss on Derecognition (Amendments to IFRS 7) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Determination of a ‘De Facto Agent’ (Amendments to IFRS 10) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Introduction and Credit Risk Disclosures (Amendments to Guidance on implementing IFRS 7) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Cost Method (Amendments to IAS 7) | Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Disclosure of Deferred Difference between Fair Value and Transaction Price (Amendments to Guidance on implementing IFRS 7) |
Final Amendment | Q3 2024 |
Annual Improvements to IFRS Accounting Standards – Derecognition of Lease Liabilities (Amendments to IFRS 9) | Final Amendment | Q3 2024 |
Power Purchase Agreements | Final Amendment | Q3 2024 |
Updating the Subsidiaries without Public Accountability: Disclosures Standard | ED | May 2024 |
Use of a Hyperinflationary Presentation Currency by a Non-hyperinflationary Entity (IAS 21) | ED | Q3 2024 |
Standard-Setting Projects | Next Milestone | Expected Date |
Disclosure Initiative - Subsidiaries without Public Accountability: Disclosures | IFRS Accounting Standard | May 2024 |
Dynamic Risk Management | ED | H1 2025 |
Financial Instruments with Characteristics of Equity | ED Feedback | May 2024 |
Management Commentary | Decide Project Direction | Q2 2024 |
Primary Financial Statements | IFRS Accounting Standard | April 2024 |
Rate-regulated Activities | IFRS Accounting Standard | 2025 |
Second Comprehensive Review of the IFRS for SMEs Accounting Standard | IFRS for SMEs Accounting Standard | H2 2024 |
Business Combinations – Disclosures, Goodwill and Impairment | ED Feedback | H2 2024 |
Equity Method | ED | H2 2024 |
Research Projects | Next Milestone | Expected Date |
Business Combinations under Common Control | Project Summary | April 2024 |
Post-implementation Review of IFRS 15 Revenue from Contracts with Customers | Feedback Statement | H2 2024 |
Post-implementation Review of IFRS 9 - Impairment | Feedback Statement | Q3 2024 |
Application Question | Next Milestone | Expected Date |
Climate-related Commitments (IAS 37) | TAD Feedback | March 2024 |
Payments Contingent on Continued Employment during Handover Periods (IFRS 3) | TAD Feedback | March 2024 |
Disclosure of Revenues and Expenses for Reportable Segments (IFRS 8) | TAD Feedback | March 2024 |
Strategy & Governance Projects | Next Milestone | Expected Date |
ISSB Consultation on Agenda Priorities | Feedback Statement | Q2 2024 |
Taxonomy Projects | Next Milestone | Expected Date |
IFRS Sustainability Disclosure Taxonomy | IFRS Sustainability Disclosure Taxonomy | April 2024 |
IFRS Accounting Taxonomy Update – Primary Financial Statements | Proposed IFRS Taxonomy Update | Q2 2024 |
IFRS Accounting Taxonomy Update – Subsidiaries without Public Accountability: Disclosures and Amendments to IFRS 7 and IFRS 9 | Proposed IFRS Taxonomy Update | H2 2024 |