Steht die Kettenzusammenfassung von BgA auf der Kippe?
Steht die Kettenzusammenfassung von BgA auf der Kippe?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss vom 31. Januar 2024 (V R 43/21) Zweifel an der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) anerkannten Kettenzusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art geäußert. Der BFH hat das BMF daher aufgefordert dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 S. 3 der Finanzgerichtsordnung beizutreten. Der BFH sieht den Beitritt als erforderlich an, da die Richter des BFH es als zweifelhaft ansehen, ob die Finanzverwaltung den § 4 Abs. 6 S. 1 KStG zutreffend auslegt. Genauer bezeichnet halten es die Richter für möglich, dass die Regelungen des BMF-Schreibens vom 12. November 2019 (IV C 7 – S 2706/08/10004, BStBl I 2009, 1303) nicht mit geltendem Recht in Einklang stehen.
Im vorliegenden Fall unterhielt die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die Betriebe Wasserversorgung und Freibad. Im Jahr 2007 entschied sich die Klägerin dafür, die alte Kesselanlage zur Beheizung des betriebenen Freibades zu ersetzen und stattdessen ein auf die Wärmebedürfnisse des Freibades ausgerichtetes Blockheizkraftwerk (BHKW I) auf dem Gelände des Freibades zu errichten. Das BHKW I wird mit Biogas betrieben. Die entsprechende Biogasanlage befindet sich an einem anderen Ort auf gemeindlichem Gebiet. Die für die Biogaserzeugung notwendige Wärme wurde durch ein zweites, kleineres BHKW (BHKW II) an der Biogasanlage produziert. Der in beiden BHKW erzeugte Strom wurde an die Stadtwerke als Stromversorger verkauft.
Während der Monate Mai bis September wurde die im BHKW I produzierte Wärme überwiegend zur Erwärmung des Freibades verwendet. In den Wintermonaten wurde hingegen ein Neubaugebiet (Drittkunden), für das ein Anschlusszwang bestand, mit Wärme versorgt.
In den Streitjahren 2009 bis 2014 verrechnete die Klägerin in ihren Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades im Rahmen eines BgA „Versorgung“ mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und aus der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der zwei BHKW. Dem hielt das Finanzamt entgegen, dass der Freibadbetrieb nicht mit dem BgA „Versorgung“ zusammengefasst werden könne. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass eine nach dem Gesamtbild der Verhältnisse objektive enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nach § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG insoweit nicht bestehe.
Im erstinstanzlichen Verfahren gab das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 17. Juni 2021 – K 115/17) der Klage statt und ließ die Verrechnung der Verluste aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus einem zusammengefassten Versorgungs-BgA zu.
Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein und macht mit dieser geltend, dass das FG zu Unrecht eine wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Sinne von § 4 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 KStG zwischen dem BgA Freibad und dem BgA BHKW („Versorgung“) angenommen habe.
Der seit Anfang 2024 für die Besteuerung der öffentlichen Hand zuständige V. Senat äußert nun Zweifall an der Sichtweise des BMF zur Anwendung des § 4 Abs. 6 KStG (BMF v. 12.11.2009, BStBl. I 2009, 1303). Im Streitfall ist somit einerseits zu klären, ob nach § 4 Abs. 6 S. 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden BgA möglich ist und andererseits, ob die Vorschrift eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA gestattet.
Die Finanzverwaltung verlangt für die Anwendung von § 4 Abs. 6 KStG bislang keine organisatorische Verflechtung, sondern lässt es ausreichen, dass zur Ausübung des steuerlichen Wahlrechts für den zusammengefassten BgA lediglich eine eigenständige Gewinnermittlung vorgenommen wird. Zudem erkennt das BMF die Kettenzusammenfassung mehrerer BgA an und sieht es als ausreichend an, dass die Zusammenfassungsvoraussetzungen nur zwischen dem zusammenzufassenden und einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegt. Im vorliegenden Fall zwischen BgA BHKW und BgA Freibad, nicht aber auch zum BgA Wasserversorgung.
Der V. Senat des BFH fordert das BMF daher dazu auf, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
Ermöglicht § 4 Abs. 6 S. 1 KStG eine Zusammenfassung ohne organisatorische Verflechtung der zusammenzufassenden Betriebe gewerblicher Art (BgA)?
Gestattet § 4 Abs. 6 S. 1 KStG eine mehrstufige Zusammenfassung von mehr als zwei BgA, bei der auf einer ersten Stufe zwei BgA zusammengefasst werden und es dann auf einer zweiten Stufe für die Zusammenfassung dieser zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA ausreicht, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 S. 1 KStG nur zu einem der bereits zusammengefassten BgA vorliegen?
Es bleibt abzuwarten ob und wie sich das BMF im vorliegenden Fall einlässt und wie der V. Senat die Voraussetzungen der Zusammenfassung von BgA gemäß § 4 Abs. 6 KStG zukünftig auslegt. Mit einer Entscheidung in dieser Angelegenheit wird nach aktuellem Stand noch in diesem Jahr gerechnet.