FAB positioniert sich zum Zeitpunkt der aufwandswirksamen Erfassung der Inflationsausgleichsprämie

Gesetzliche Regelung

Durch das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz vom 19.10.2022[1] hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern sog. Inflationsausgleichsprämien steuer- und sozialabgabenfrei gewähren können. Das Gesetz ist am 25.10.2022 verkündet worden und am 1.10.2022 in Kraft getreten. Diese „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ in der Zeit vom 26.10.2022 bis 31.12.2024 (maßgeblich ist der Zuflusszeitpunkt beim Begünstigten) in Form von Zuschüssen und Sachbezügen an die Arbeitnehmer gewährten Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise sind nach dem neu ins EStG eingefügten § 3 Nr. 11c EstG bis zu einem Betrag von 3.000 € steuerfrei. Die gewährten Leistungen unterliegen zudem auch nicht der Sozialabgabenpflicht. Gemäß Gesetzeswortlaut muss die Inflationsausgleichsprämie zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise gewährt werden. Im Gesetz ist damit ein Veranlassungszusammenhang zwischen der gewährten Leistung und den gestiegenen Verbraucherpreisen angelegt.

Tarifvertragliche Regelungen

Die in der Zwischenzeit zwischen Arbeitsgeberverbänden und Gewerkschaften verhandelten Tarifvereinbarungen enthalten Regelungen, wonach die dem jeweiligen Tarifvertrag unterliegenden Unternehmen verpflichtet werden, eine Inflationsausgleichsprämie (ggf. in mehreren Teilbeträgen) an Mitarbeiter auszuzahlen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Auszahlung erfolgt in der Regel in zwei Tranchen von je 1.500 € und zu im jeweiligen Tarifvertrag festgelegten Auszahlungszeitpunkten im Kalenderjahr 2023 und 2024, die zum Teil je nach Tarifvertrag auf Dezember 2022 bzw. Dezember 2023 vorgezogen werden dürfen.

Aufwandswirksame Erfassung von Inflationsausgleichszahlungen

In der Praxis wirft dies die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber in seinem handelsrechtlichen Jahres- oder Konzernabschluss bzw. in seinem IFRS-Konzernabschluss den Aufwand aus der Inflationsausgleichsprämie zu erfassen hat. U.a. mit dieser Frage hat sich der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) in seiner 270. Sitzung am 1.12.2022 auseinandergesetzt. Eine Berichterstattung zu der nunmehr vertretenen Rechtsauslegung wurde am 23.12.2022 im Mitgliederbereich der Website www.idw.de veröffentlicht. Darin greift das IDW die Regelungen zu folgenden zwei Branchen auf:

1. Beispiel Chemie-Industrie

Die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der IG Bergbau, Chemie und Energie verhandelte Vereinbarung vom 18.10.2022 sieht vor, dass Arbeitnehmer in der Chemie- und Pharmabranche zwei tarifliche Zahlungen in Höhe von je 1.500 € erhalten, die spätestens zum 31.1.2023 und 31.1.2024 zu leisten sind. Unternehmen dürfen die beiden Zahlungen auch als Gesamtbetrag auszahlen und den Auszahlungszeitpunkt vorverlegen. Die Anspruchsvoraussetzungen sehen in diesem Fall vor, dass der Arbeitnehmer im Kalendermonat vor dem jeweiligen Auszahlungsmonat für mindestens zwölf Arbeitstage Anspruch auf Entgelt aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis hat. Bei einer betriebsbedingten Kündigung erhalten Arbeitnehmer ebenfalls eine Auszahlung, sofern sie in dem Monat vor dem jeweiligen Auszahlungszeitpunkt für zwölf Tage Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung gehabt haben. Gleiches gilt bei einer Eigenkündigung noch im November 2022. Bei einer Eigenkündigung erst im Januar 2023 besteht dagegen kein Anspruch. Die Gesamtlaufzeit des Tarifabschlusses endet in allen Tarifbezirken am 30.6.2024.

Im IFRS-Abschluss sind die beiden zu leistenden Inflationsausgleichszahlungen der Tarifvereinbarung Chemie nach Auffassung des FAB bilanziell als zwei separate Zusagen des Arbeitgebers zu betrachten. Bei den beiden Zahlungen handelt es sich jeweils um kurzfristig fällige Leistungen an Arbeitnehmer (short-term employee benefits) i.S. von IAS 19.8 ff., d.h. es liegen Leistungen an Arbeitnehmer vor, bei denen zu erwarten ist, dass sie innerhalb von zwölf Monaten nach Ende der Periode, in der die entsprechende Arbeitsleistung erbracht wurde, vollständig gegenüber dem Arbeitnehmer erbracht werden. Die Periodisierung des Aufwands hat nach Auffassung des FAB über die erforderliche Dienstzeit (service period) und damit über die 12 Arbeitstage zu erfolgen, auf die ein Arbeitnehmer laut Tarifvertrag im Kalendermonat vor dem jeweiligen Auszahlungsmonat mindestens Anspruch auf Entgelt aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis haben muss.

„Bei dem unterstellten kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr und einer Wahl des jeweils spätestmöglichen Auszahlungszeitpunkts (zum 31.1.2023 und zum 31.1.2024) ist bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen im Abschluss zum 31.12.2022 der Aufwand für die erste Inflationsgeldzahlung und im Abschluss zum 31.12.2023 der Aufwand für die zweite Inflationsgeldzahlung jeweils in voller Höhe (jeweils 1.500 €) zu erfassen.“

Im handelsrechtlichen Jahresabschluss ist der Aufwand gemäß seiner wirtschaftlichen Verursachung zu erfassen. „Wie nach IFRS ist es jedenfalls auch sachgerecht, diese Verursachung in der durch die mindestens zwölf Arbeitstage umfassende, zu entgeltende Tätigkeit zu sehen, die der begünstigte Arbeitnehmer in dem (jeweiligen) Auszahlungsmonat unmittelbar vorangegangenen Kalendermonat im Rahmen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbracht haben muss, um Anspruch auf die Zahlung(en) des tariflichen Inflationsgelds zu haben.“ Erfolgen die Zahlungen am 31.1.2023 und am 31.1.2024, wäre nach der vom FAB vertretenen Sichtweise, die im Kalenderjahr 2023 erfolgte Zahlung wirtschaftlich durch die Tätigkeit im Dezember 2022 verursacht und mithin Aufwand des Geschäftsjahres 2022. Die im Kalenderjahr 2024 erfolgte Zahlung wäre wirtschaftlich durch die Tätigkeit im Dezember 2023 verursacht und mithin Aufwand des Geschäftsjahres 2023. Der Aufwand wäre jeweils durch den Ansatz einer sonstigen Verbindlichkeit zu erfassen.

2. Beispiel Metall- und Elektroindustrie

Im Falle der Tarifvereinbarung der Metall- und Elektroindustrie, die am 18.11.2022 zwischen der IG Metall und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. zustande kam, haben Vollzeitbeschäftigte, die am Stichtag 1.3.2023 (Inflationsausgleichsprämie I) bzw. 1.3.2024 (Inflationsausgleichsprämie II) in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen und die zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, einen Anspruch auf eine Inflationsausgleichsprämie I bzw. II in Höhe von je 1.500 €. Ausgenommen sind Beschäftigte, die am jeweiligen Stichtag ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben. Arbeitgeber sind berechtigt, den Stichtag für die beiden Auszahlungen auf den 1.12.2022 bis 1.12.2023 vorzuziehen. In diesem Fall reduziert sich die entsprechende Vorbeschäftigungszeit, die als Anspruchsvoraussetzung vereinbart worden ist, von sechs Monaten auf drei Monate.

Für den IFRS-Abschluss gelten die vorstehenden Ausführungen zur Tarifvereinbarung Chemie analog mit dem Unterschied, dass in diesem Fall die Periodisierung des Aufwands über eine service period von jeweils sechs bzw. im Falle des vorgezogenen Stichtags über jeweils drei Monate erfolgt. Die service period beginnt in beiden Fällen am 1.9.2022 bzw. 1.9.2023. Der Beginn der Dienstzeitperiode ist grundsätzlich auch der Beginn der Aufwandserfassung, wobei es für die Inflationsausgleichsprämie I nach Ansicht des FAB vertretbar wäre, mit der Periodisierung des Aufwands pro rata temporis statt am 1.9.2022 erst am 18.11.2022, dem Zeitpunkt des (materiellen) Zustandekommens der Tarifvereinbarung, zu beginnen.

Auch für den handelsrechtlichen Jahresabschluss vertritt der FAB die Auffassung, dass der Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie I und II jeweils über den Zeitraum von (grundsätzlich) sechs bzw. drei Monaten erdient wird. „Danach wäre im Falle der Inflationsausgleichsprämie I der Aufwand aus der Auszahlung bei arbeitgeberseitiger Wahl des Stichtags 1.3.2023 in Höhe von vier Sechsteln solcher des Geschäftsjahres 2022 (Monate September bis Dezember 2022) und in Höhe von zwei Sechsteln solcher des Geschäftsjahres 2023 (Monate Januar und Februar 2023). Das gilt analog für eine zum 31.3.2024 zu zahlende Inflationsausgleichsprämie II, für die der Aufwand aus der Auszahlung in Höhe von vier Sechsteln solcher des Geschäftsjahres 2023 und in Höhe von zwei Sechsteln solcher des Geschäftsjahres 2024 wäre. Wird der Stichtag für die Inflationsausgleichsprämie I auf den 1.12.2022 vorgezogen, ist der Aufwand aus der Zahlung in voller Höhe dem Geschäftsjahr 2022 zuzurechnen. Das gleiche gilt für einen auf den 1.12.2023 vorgezogenen Stichtag für die Inflationsausgleichsprämie II. Der Erdienungszeitraum wäre in diesem Fall der 1.9.2023 bis 30.11.2023. Der Zeitraum, über den der Aufwand pro rata temporis angesammelt wird, beginnt grundsätzlich mit Beginn der Erdienungsperiode am 1.9.2022. Aus Sicht des FAB ist der 18.11.2022, als Beginn des Ansammlungszeitraums ebenfalls vertretbar.

Soweit eine Zahlung der Inflationsausgleichsprämien an die Begünstigten am jeweiligen Abschlussstichtag nicht erfolgt ist, ist bei Wahl des Stichtags 1.3. für den bis dahin wirtschaftlich verursachten Aufwand eine Verbindlichkeitsrückstellung zu bilden. Die Verbindlichkeitsrückstellung ist unter Berücksichtigung von Fluktuationswahrscheinlichkeiten zu bewerten (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB), da die (potenziell) begünstigte Person am 01.03. des jeweils folgenden Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen muss.

3. Andere Sachverhalte

Der FAB weist in seiner Berichterstattung ausdrücklich darauf hin, dass seinen Ausführungen die Annahme zugrunde liegt, dass der verpflichtete Arbeitgeber seinen Jahres-/Konzernabschluss zu einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr aufstellt.

Die Ausführung des FAB zu den beiden exemplarisch beurteilten Tarifvereinbarungen lassen sich sinngemäß auf die Erfassung des Aufwands aus Inflationsausgleichsprämienzahlungen übertragen, die Arbeitgeber aufgrund einer entsprechenden Pflicht aus einem anderen als der beiden genannten Tarifverträge, aufgrund des Abschlusses einer entsprechenden Betriebsvereinbarung oder aufgrund einer entsprechenden Individualvertraglichen (freiwilligen) Zusage an ihre Arbeitnehmer leisten müssen. Auf andere Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen sind die Argumente selbstverständlich übertragbar, allerdings ist eine Beurteilung der Einzelheiten des jeweiligen Sachverhalts (Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit den beiden durch das IDW betrachteten Vereinbarungen) erforderlich.

 

[1] BGBl. I S. 1743.

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