Bei der Errichtung gemischt genutzter Gebäude stellt sich die Frage, welcher Aufteilungsmaßstab für die Inanspruchnahme des aus den Herstellungskosten begehrten Vorsteuerabzugs sachgerecht ist. In Betracht zu ziehen sind grundsätzlich entweder ein Flächen- oder ein Umsatzschlüssel. Der BFH konkretisiert in seinem Urteil vom 11.11.2020 (Az. XI R 7/20) seine diesbezüglich bisher ergangene Rechtsprechung.
Im Streitfall errichtete die Klägerin einen gemischt genutzten Gebäudekomplex mit einem Supermarkt, der umsatzsteuerpflichtig verpachtet wird, und einer Senioren-Wohnanlage, die umsatzsteuerfrei verpachtet wird. Zur Vorsteueraufteilung wählte sie in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen zunächst einen Flächenschlüssel. Nach einer Außenprüfung reduzierte das Finanzamt den abziehbaren Anteil der Vorsteuer von rd. 37 % auf rd. 34 %. Hiergegen wandte die Klägerin ein, dass bei den verpachteten Flächen erhebliche Ausstattungsunterschiede bestünden und machte sodann – nunmehr basierend auf einem Umsatzschlüssel – eine abzugsfähige Vorsteuer von rd. 48 % geltend. Der BFH bestätigte letztlich die Auffassung der Klägerin.
Nach den vom EuGH und BFH aufgestellten Grundsätzen zur Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei gemischt genutzten Gebäuden ist dabei von zwei Phasen auszugehen:
- In einer ersten Phase sind die auf der Eingangsstufe erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen den verschiedenen Ausgangsumsätzen direkt zuzuordnen, was bei den laufenden Aufwendungen regelmäßig unproblematisch ist. Hingegen ist bei Herstellungskosten davon auszugehen, dass nicht ein bestimmter Gebäudeteil, sondern ein bestimmter Prozentsatz des Gebäudes für steuerpflichtige/steuerfreie Umsätze genutzt wird. Eine räumlich-gegenständliche Zuordnung scheidet hier aus.
- In einer zweiten Phase sind die nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge grundsätzlich nach einem Flächenschlüssel aufzuteilen. Bei – wie im Streitfall - erheblichen Unterschieden in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume ist jedoch ein Umsatzschlüssel heranzuziehen.
Finanzamt und Finanzgericht gingen im Streitfall – abweichend zu den vorgenannten Grundsätzen - von einer sachgerechten Anwendung des Flächenschlüssels aus und hätten einen Umsatzschlüssel nachrangig nur dann anerkannt, wenn er präziser als der Flächenschlüssel gewesen wäre. Allerdings muss nach Auffassung des BFH nicht die Klägerin beweisen, dass der Umsatzschlüssel präziser als ein Flächenschlüssel ist - vielmehr darf das Finanzamt den Flächenschlüssel nur anwenden, wenn er präziser als ein Umsatzschlüssel ist. Vorliegend würdigt der BFH daher die Ausstattungen des Supermarktes und der Senioren-Wohnanlage innerhalb des einheitlich zu beurteilenden Gebäudekomplexes als im erheblichen Maße unterschiedlich, sodass im Streitfall der objektbezogene Umsatzschlüssel sachgerecht ist.
Hinweis:
Bei begehrtem Umsatzschlüssel als Aufteilungsmaßstab sollte der Steuerpflichtige ausreichend dokumentieren, welche unterschiedliche Ausstattung die den unterschiedlichen Zwecken dienenden Bauteile aufweisen und warum diese Unterschiede letztlich als „erheblich“ einzuordnen sind.
Dass die Klägerin im Streitfall zunächst einen Flächenschlüssel als Aufteilungsmaßstab gewählt hatte, ist aus Sicht des BFH unschädlich, weil keine Bindung an diese Wahl besteht, wenn der Schlüssel nicht sachgerecht ist. Insoweit ist eine nachträgliche Änderung also möglich.