Bereits im Frühjahr 2019 wurde der erste Gesetzentwurf zur Reform der Grunderwerbsteuer (GrESt) vorgestellt, der vor allem im Zusammenhang mit Anteilserwerben an grundbesitzenden Gesellschaften – sog. Share-Deals – größere Veränderungen bedeutet. Nach einem etwas angepaßten Entwurf aus Herbst 2019 ruhte das Gesetzgebungsverfahren mangels politischer Einigung und verfassungsrechtlicher Fragen allerdings. Nunmehr scheint sich die Große Koalition auf einen Reformvorschlag geeinigt zu haben, der aber kein neues Modell aufweist oder Personen- und Kapitalgesellschaften gleichstellt, sondern den bisherigen Gesetzentwurf an einigen Stellen modifiziert. Die Neuregelung soll möglicherweise schon im Juli dieses Jahres in Kraft treten.
Nunmehr geplante Änderungen im Überblick
- Ein Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG) sowie eine Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) sollen neu geschaffen werden.
- Die Schwellenwerte bei Anteilsübertragungen grundbesitzender Gesellschaften sollen in allen GrESt-Tatbeständen (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a und der neue § 1 Abs. 2b GrEStG) auf 90% gesenkt werden. Ausgenommen ist lediglich das Konzernprivileg des § 6a GrEStG.
- Die Haltefristen werden auf 10 Jahre verlängert. Dies betrifft im Wesentlichen die Anteilsvereinigungen nach §§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b (neu) GrEStG sowie die Befreiungsvorschriften der §§ 5 und 6 GrEStG, nicht jedoch die Konzernklausel des § 6a GrEStG.
Neuer Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG)
Als Kern des reformierten Rechts soll in Anlehnung an die derzeitige Rechtslage bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) nicht nur die Anteilsvereinigung von mehr als 90 % in einer Hand, sondern auch die unmittelbare oder mittelbare Veränderung des Gesellschafterbestandes einer Kapitalgesellschaft mit inländischem Grundbesitz in Höhe von mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren ein auf die Übereignung eines Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft darstellen. Ein einzelner Gesellschafter muss keine bestimmte Beteiligungshöhe überschreiten. Wie bei den Personengesellschaften gilt die Regelung damit nur für Neugesellschafter, d.h. Anteilsübertragungen zwischen sog. Altgesellschaftern bleiben für die 90%-Schwelle unbeachtlich, lösen allerdings eine neue zu überwachende 10-Jahres-Frist aus.
Ein sofortiger steuerfreier Erwerb aller Anteile unter Beteiligung eines Mit-Investors ist zukünftig bei Kapitalgesellschaften nicht mehr möglich. Auch für diese Fälle des neuen § 1 Abs. 2b GrEStG gilt jedoch die Konzernklausel (§ 6a GrEStG). Die Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG sind jedoch weiterhin nur für Personengesellschaften anwendbar.
Die Grunderwerbsteuer entsteht beim Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erst bei Vollzug des Anteilsübergangs, nicht also bereits beim Abschluss des Anteilskaufvertrags. Steuerschuldner sind nicht die Anteilsinhaber bzw. Erwerber, sondern die immobilienbesitzende Kapitalgesellschaft. Damit einher geht zukünftig eine erhöhte Aufklärungs- und ggf. Anzeigepflicht der Geschäftsführung der Immobilien haltenden Kapitalgesellschaft, wenn ihr Anteilsübergänge an der Gesellschaft - auch mittelbar in der „darüberliegenden“ Konzernstruktur - bekannt werden.
Schaffung einer Börsenklausel
Im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf waren Bedenken aufgekommen, dass durch den neuen Tatbestand bei Kapitalgesellschaften zukünftig durch direkte und indirekte Anteilsübergänge an börsennotierten Unternehmen unkontrollierbar Grunderwerbsteuer ausgelöst werden würde. Dem soll die sog. Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG vorbeugen. Danach werden an bestimmten Börsen gelistete und gehandelte Aktien für die 90%-Schwelle nicht berücksichtigt. Da dies zudem sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften (bei mittelbaren Anteilsbewegungen) gelten soll, besteht bei Immobilien-Personengesellschaften innerhalb eines börsennotierten Konzerns zukünftig wohl kein grunderwerbsteuerliches Hemmnis für dessen Übernahme mehr.
Diese Börsenklausel stellt zwar eine akzeptable Regelung für börsennotierte Unternehmen dar. Für die „einfachen“ GmbHs ist sie hingegen nicht vorgesehen. Mittelbare Anteilsübergänge können daher für die Immobilien-Tochtergesellschaft eines nicht börsennotierten Unternehmens wiederholt und übermäßig GrESt-Tatbestände auslösen, während die Immobilientochter eines börsennotierten Unternehmens durch die Börsenklausel begünstigt ist. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung wird erschwert dadurch, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung für „mittelbare“ Anteilsübergänge beim Ersatztatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG (und damit wohl auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG) keine 10-Jahres-Frist gilt.
Hinweis: Ebenfalls fehlt eine Ausnahme für operative Kapitalgesellschaften, bei denen zwar Grundbesitz vorhanden ist, dieser aber nicht das Wesen der Gesellschaft ausmacht. Hier kann der neue Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG zum sinnwidrigen Anfall von Grunderwerbsteuer bei Übertragung der GmbH auf die nächste Generation führen. Denn die Befreiungen der §§ 5 und 6 GrEStG sind insoweit nicht anwendbar und die personenbezogenen Befreiungen sind bei der fiktiven Übertragung der Kapitalgesellschaft auf eine „neue“ Kapitalgesellschaft zumindest zweifelhaft.
Verlängerung der Fristen von 5 auf 10 Jahre
Die derzeitigen Fünfjahresfristen (z.B. des § 1 Abs. 2a GrEStG oder § 1 Abs. 3 GrEStG sowie in den §§ 5 und 6 GrEStG) sollen auf zehn Jahre verlängert werden. Im neuen § 2b GrEStG ist diese Frist bereits so eingearbeitet. Ausgenommen soll lediglich das Konzernprivileg des § 6a GrEStG sein.
Für Personengesellschaften wird die Haltefrist sogar auf 15 Jahre verlängert, wenn der ausstehende Anteil an einer Immobilien-Personengesellschaft unter Anwendung einer Befreiung (§ 6 GrEStG) durch den/die anderen Gesellschafter steueroptimal erworben werden soll.
Übergangsregelungen
Die Neuregelungen sollen ab dem 01.07.2021 wirksam werden.
Wie auch der bisherige Gesetzentwurf vorsah, gilt die Altregelung in den Fällen weiter, in denen nach einem Erwerb von mindestens 90 %, aber weniger als 95 % in der Vergangenheit, der nach altem Recht nicht steuerbar war, die Anteile aufgestockt werden. Damit werden auch Hinzuerwerbe von Anteilen erfasst, die nach der Neuregelung nicht mehr steuerbar wären, weil die Beteiligungsgrenzen bereits vor dem Hinzuerwerb überschritten war. Für diese Fälle bedeutet dies eine ewige Überwachungsfrist zukünftiger Anteilsübergänge.
Für Personengesellschaften gilt Vertrauensschutz, wenn die bisherige 5-Jahres-Frist bei Inkrafttreten des Gesetzes schon abgelaufen war.
Für den neuen Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG soll eine spezielle Übergangsregelung gelten. Vor dem 01.07.2021 bereits übertragene Anteile werden für die § 1 Abs. 2b GrEStG-Schwelle nicht mitgerechnet. Dies gilt gleichermaßen für unmittelbare wie mittelbare Anteilsübertragungen an Kapitalgesellschaften.
Andererseits entfällt der im bisherigen Entwurf vorgesehene Vertrauensschutz für Verpflichtungsgeschäfte, die innerhalb eines Jahres vor Inkrafttreten der Reform abgeschlossen wurden. Damit dürften vor dem 01.07.2021 abgeschlossene, aber erst nach dem 01.07.2021 dinglich vollzogene Anteilsübertragungen nach den neuen Regelungen steuerbar sein.
Hinweis: Unsere Ausführungen basieren auf einem erst kürzlich bekannt gewordenen Gesetzentwurf, der erst demnächst von Bundestag und Bundesrat diskutiert und beschlossen werden soll. Die weiteren Entwicklungen sind also aufmerksam zu verfolgen; Änderungen und Ergänzungen können nicht ausgeschlossen werden.
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