Bestehen bei Unternehmensverkäufen unterschiedliche Vorstellungen über den Wert des Unternehmens, die im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen nicht abschließend geklärt werden können, vereinbaren die Parteien regelmäßig sog. Earn-Out-Klauseln. Dabei wird neben dem fixen Kaufpreis eine variable Zusatzzahlung vereinbart, die häufig an bestimmte Parameter (Umsatz, Rohertrag etc.) geknüpft ist und später nur dann fällig wird, wenn bestimmte im Kaufvertrag festgelegte Bedingungen in der Zukunft tatsächlich eintreten.
Beim Verkäufer entsteht ein Gewinn aus der Unternehmensveräußerung im Zeitpunkt der Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber, und zwar unabhängig davon, wann der vereinbarte Kaufpreis fällig ist oder tatsächlich zufließt; nachträgliche Änderungen des Veräußerungspreises wirken unter Umständen allerdings auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück. Ob und inwieweit ein variabler Kaufpreisanteil im Rahmen einer Earn-Out-Gestaltung als rückwirkendes Ereignis zu qualifizieren ist, hatte das FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 30.03.2021 (5 K 2442/17) zu entscheiden.
Im Streitfall wurden sämtliche Anteile an einer GmbH & Co. KG und damit einhergehend auch sämtliche Anteile an der Komplementär-GmbH im Rahmen einer Earn-Out-Gestaltung veräußert. Vereinbarungsgemäß zahlte der Käufer im Jahr 2010 den festen Kaufpreisanteil i.H.v. rd. EUR 5 Mio. an den Verkäufer, den dieser der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde legte. In den folgenden Jahren erhielt der Verkäufer weitere (variable) Kaufpreiszahlungen, die er in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen als laufende Einkünfte erfasste. Das Finanzamt qualifizierte diese Zahlungen hingegen als nachträgliche Kaufpreiszahlungen, die bereits bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Jahr 2010 zu berücksichtigen seien. Das FG Rheinland-Pfalz sah dies unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH anders und bewertete den variablen Kaufpreisanteil als gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisforderung, die im Rahmen eines Veräußerungstatbestands nicht dem Stichtagsprinzip unterliegt, also als laufenden Ertrag.
Als gewinn- bzw. umsatzabhängig sieht auch der BFH u.a. Kaufpreisforderungen an, die
- auf der Abtretung von künftigen Gewinnanteilen aus dem Gewinnbezugsrecht des Erwerbers,
- auf der Vereinbarung der Zahlung eines prozentualen Anteils des auf die veräußerte Beteiligung entfallenden Gewinnanteils auf Lebenszeit oder
- auf der Vereinbarung eines variablen Kaufpreises, der von der tatsächlich verkauften Anzahl eines Produkts in einem festgelegten Zeitraum abhängig ist,
beruhen.
Aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung waren im Streitfall sowohl Anspruch als auch Höhe des zusätzlichen Entgelts dem Grunde nach umsatzabhängig. Eine rückwirkende Einbeziehung in die Ermittlung des ursprünglichen Veräußerungsgewinns verstößt damit nach Auffassung des FG gegen die Systematik der steuerlichen Leistungsfähigkeit und das handelsrechtliche Realisationsprinzip. Denn im Zeitpunkt der Veräußerung war der Kaufpreisanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach „so gut wie sicher“; es fehlte somit an einer Gewinnrealisierung der nachträglichen Zahlungen im Veräußerungsjahr.
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 9/21 anhängig. In gleichgelagerten Fällen sollte ein Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. Mitunter kann es aber auch vorteilhafter sein, die variablen Kaufpreiszahlungen rückwirkend und ggf. unter Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes i.S.v. § 34 EStG zu versteuern.
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