Mindestlohnsumme als Stolperstein für Unternehmensnachfolgen
Während die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a, 13b ErbStG der ursprünglichen gesetzgeberischen Absicht einer staatlichen Förderung von Unternehmensnachfolgen und Vermeidung von Zwangsveräußerungen und dem einhergehenden Verlust von Arbeitsplätzen dienen sollten, ergibt sich derzeitig ein ganz anderes Bild.
Aufgrund pandemiebedingter Schließungen und Entlassungen oder Zahlungen von Kurzarbeitergeld gingen oder gehen die Lohnzahlungen zurück. Dadurch dürfte es oftmals zur Nichteinhaltung der Mindestlohnsumme in der Haltefrist kommen, sodass der ursprünglich begünstigte Erwerb rückwirkend in Teilen der Besteuerung unterworfen wird. Bei der Regelverschonung beträgt die Mindestlohnsumme grundsätzlich 400 % der Ausgangslohnsumme in der fünfjährigen Haltefrist, bei Wahl der Optionsverschonung 700 % der Ausgangslohnsumme in der siebenjährigen Haltfrist. Auch für geplante Übertragungen kann der coronabedingte Einbruch der Lohnsummen negative Auswirkungen auf die Begünstigung haben, wenn nach der Vorschrift des § 13a ErbStG für die Ermittlung der Ausgangslohnsumme die durchschnittlichen Lohnzahlungen der letzten fünf Wirtschaftsjahre zu berücksichtigen sind, die vor der Corona-Pandemie erfolgten.
Durch die „Gleich lautende Erlasse“ der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30. Dezember 2021 sollen nun „Billigkeitsmaßnahmen“ im Zusammenhang mit der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen in der Haltefrist geregelt werden. Durch diese befristete Sonderregelung soll verhindern werden, dass in Corona-Krisenfällen nachträglich Erbschaft- und Schenkungsteuer fällig wird und die Unternehmen dadurch zusätzlich belastet werden.
Worum geht es?
Die „Gleich lautende Erlasse“ vom 30. Dezember 2021 knüpfen an die bereits in der Abgabenordnung vorgesehene abweichende Steuerfestsetzung oder einen Steuererlass an, sofern die Festsetzung oder die nachträgliche Erhebung der Steuer unbillig wäre.
Auf Basis einer Einzelfallprüfung kann die Finanzbehörde nunmehr auf die Nacherhebung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer verzichten, wenn nachweislich eine Kausalität zwischen der Pandemie und dem Unterschreiten der Mindestlohnsumme besteht. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn kumulativ
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von Anfang März 2020 bis Ende Juni 2022 die rechnerisch erforderliche Lohnsumme unterschritten wurde,
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Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und
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der Betrieb einer Branche angehört, die von einer verordneten Schließung wegen der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen war.
Diese begünstigende Regelung steht allen Fällen offen, in denen die Regel- oder Optionsverschonung, die Abschmelzung oder der Steuererlass bei Großerwerben sowie die Stundung der Steuer in Anspruch genommen wurde.
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Zeitraum unter Berücksichtigung des Pandemiegeschehens möglicherweise über den 30. Juni 2022 hinweg verlängert wird.
Wichtig ist allerdings, dass für das kumulative Vorliegen der vorgenannten Kriterien keine anderen Gründe für die Unterschreitung der Mindestlohnsumme vorliegen dürfen; diese muss also ausschließlich pandemiebedingt sein. Andererseits sind die dargestellten Billigkeitsmaßnahmen nicht ausgeschlossen, wenn die drei Umstände nicht kumulativ vorliegen. Vielmehr ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob angesichts besonderer Umstände dennoch von der erforderlichen Kausalität ausgegangen werden kann.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen möglicher Billigkeitsmaßnahmen und etwaigen Fragestellungen rund um diese Lohnsummenthematik in Ihrem Unternehmen, aber auch der Umsetzung nötiger Schritte gegenüber der Finanzverwaltung unterstützen wir Sie gerne, sprechen Sie uns an.