Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Versicherungssteuerrechts (am 9. Dezember 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht) gilt in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Steuerbefreiung
- von Personenversicherungen, die Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abdecken und der Versorgung der Risikoperson oder deren nahen Angehörigen im Sinne des § 7 PflegeZG bzw. des § 15 AO dienen sowie
- von Versicherungen, deren Leistungsansprüche im Fall des Todes, des Erlebens oder des Alters begründet werden – unabhängig davon, wem die Versicherungsleistung zustehen soll.
Bereits im Gesetzgebungsverfahren gab es zahlreiche Vorbehalte gegen die neue Regelung. Einer der Hauptkritikpunkte ist der hohe administrative Aufwand und steigende IT-Kosten, die mit der Prüfung von Versicherungsverträgen auf ihre Steuerpflicht für die Versicherer entstehen.
Mit seinem Schreiben möchte das BMF diesen Zweifeln entgegenwirken, indem es die Auslegung in Form von Anwendungshinweisen konkretisiert.
Dabei geht die Finanzverwaltung im Wesentlichen auf die drei folgenden Punkte ein:
Anwendungszeitpunkt und Definition von „Vertragsschluss“ (§ 12 Abs. 3 VersStG)
– Rn 3 bis Rn 13
Die Neuregelung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG ist erstmalig auf Versicherungsverträge, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen werden, anzuwenden. Eine Änderung eines vor dem 1. Januar 2022 geschlossenen Vertrags wird als neuer Vertragsschluss angesehen, wenn das versicherte Risiko ausgetauscht wird oder zusätzliche Risiken abgesichert werden.
Eine Prämienerhöhung oder eine Leistungsausweitung vonseiten des Versicherers stellt dabei keinen neuen Vertragsschluss dar. Bei einer Erweiterung eines steuerbefreiten (Alt-)Vertrags um eine nicht steuerbefreite Abrede bleibt der ergänzte Vertrag nur dann weiterhin von der Versicherungssteuer befreit, wenn die Prämie des für sich genommen steuerfreien Teils im Zuge der Vertragserweiterung gesondert ausgewiesen wird.
Konkretisierung des Tatbestandmerkmals „der Versorgung dienen“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG) – Rn 14 bis Rn 56
Dem Schreiben zufolge dient eine Versicherung der Versorgung und ist folglich gemäß § 4 Abs.1 Nr. 5 Buchstabe b VersStG steuerfrei, wenn der Risikoperson die Versicherungsleistung im Versicherungsfall mittelbar oder unmittelbar zu Gute kommt. Eine entsprechende Konkretisierung wird in § 1 Abs. 6 Nr. 1 bis 6 VersStDV vorgenommen. Allerdings stellen sich Konstellationen, in denen Versicherungsnehmer und Risikoperson nicht identisch sind, teilweise als äußerst problematisch heraus.
Das BMF-Schreiben stellt eine Vielzahl dieser Fälle in zahlreichen Beispielen dar und zeigt unter welchen Umständen eine Versicherung der Versorgung der Risikopersonen dient und demnach von der Versicherungssteuer befreit ist. Unter anderem wird auf folgende Konstellationen eingegangen:
- Versicherungsabschluss für einen nahen Angehörigen (§ 7 PflegeZG, § 15 AO), z. B. Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Verlobten
- Gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung gegenüber der Risikoperson, z. B. Beihilfeablöseversicherung einer Kommune
- Gruppenversicherungsverträge, z. B. in Form einer Reisekrankenversicherung
- Versicherungsleistung entspricht einer finanziellen Naturalleistung, z. B. Kostenübernahme für eine Pflegekraft
- Einsetzen der Versicherung als Sicherungsmittel, z. B. Restschuldübernahme bei Erwerbsunfähigkeit
Steuerrechtliche Behandlung durch den Versicherer – Rn 57 bis 64
Des Weiteren ist der Versicherer dem BMF-Schreiben nach nicht dazu verpflichtet, das Fortbestehen der für die Steuerbefreiung maßgeblichen Kriterien kontinuierlich zu überprüfen, solange er nicht Kenntnis von Gegebenheiten erlangt, die zu einer abweichenden steuerrechtlichen Bewertung führen würden. Die Erstattung oder Nachentrichtung der Versicherungssteuer erfolgt regelmäßig über den Versicherer. Bei einer Nachentrichtung ist der Versicherer gemäß § 9 Abs. 7 VersStG dazu berechtigt, die Steuer vom Versicherungsnehmer nachträglich einzufordern oder im Leistungsfall eine entsprechende Kürzung vorzunehmen. Verweigert ein Versicherungsnehmer die Nachzahlung an den Versicherer ohne rechtliche Grundlage, kann der Versicherer beim Bundeszentralamt für Steuer beantragen, den Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner für die Versicherungssteuer in Anspruch nehmen zu lassen.
Abschließend geht das BMF-Schreiben in Abschnitt C auf relevante Prüffragen zur Beurteilung der Steuerfreiheit ein.
Zum BMF-Schreiben gelangen Sie über die Website des Bundesfinanzministeriums.