Neue Grundsteuer: Finanzverwaltung ermöglicht den Nachweis niedrigerer gemeiner Werte im sog. Bundesmodell
In Kürze
Nach Beschlüssen des BFH ist das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zumindest dann verletzt, wenn der pauschal festgestellte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt. Das heißt, ist der Grundsteuerwert multipliziert mit 0,714 größer als der gemeine Wert, kommt der Ansatz des gemeinen Werts in Frage. Diese Voraussetzung übernehmen auch die aktuellen Ländererlasse. Ob die Grundsätze der BFH-Beschlüsse, die das Grundvermögen betreffen, auch für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (LuF) anwendbar sind, geht aus den aktuellen Ländererlassen nicht eindeutig hervor. Details, insbesondere über die Anforderungen an den Nachweis des gemeinen Werts, finden sie nachfolgend unter den jeweiligen Überschriften.
Die BFH-Beschlüsse
Der BFH hatte bezüglich des sog. Bundesmodells zur neuen Grundsteuer mit Beschlüssen vom 27.05.2024 in zwei Fällen Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheides gewährt. Denn zumindest bei summarischer Prüfung war nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten erfolgreich führen könnten (siehe unseren
Insight vom 14.06.2024).
Die Reaktion der Finanzverwaltung
Überraschend schnell reagierte die Finanzverwaltung auf diese Beschlüsse mit koordinierten Ländererlassen vom 24.06.2024. Zwar sind Billigkeitsmaßnahmen bei der Feststellung von Grundsteuerwerten grundsätzlich ausgeschlossen. Soweit die pauschale Grundsteuerwertermittlung allerdings im Einzelfall gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung der angewendeten Bewertungsvorschriften vorzunehmen. Deshalb ermöglicht die Finanzverwaltung für das sog. Bundesmodell unter bestimmten, eng definierten Voraussetzungen den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts und damit auch einer entsprechenden Aussetzung der Vollziehung des auf pauschalen Werten basierenden Grundsteuerwertbescheides.
Gilt die 40%-Grenze nur für das Grundvermögen oder auch für Betriebe der LuF?
Die BFH-Beschlüsse betreffen Fälle des Grundvermögens. Die aktuellen Ländererlasse sprechen einerseits vom „Siebenten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes“ bzw. von einem „Unterschied zwischen dem gemäß §§ 218 ff. BewG ermittelten Grundsteuerwert und dem gemeinen Wert“, andererseits vom „Grundvermögen“. Ersteres beinhaltet Betriebe der LuF, Letzteres nicht. Da eine verfassungskonforme Auslegung alle Vermögensarten umfasst, erscheint eine Beschränkung der 40%-Grenze auf das Grundvermögen nicht zielführend.
Anforderungen an den Nachweis
Es reicht allerdings nicht aus, den niedrigeren Wert nur darzulegen, der Steuerpflichtige muss diesen auch nachweisen. Dies kann durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten bzw. entsprechend akkreditierten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken erfolgen. Als Nachweis kann ebenfalls ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis dienen. Bedingung ist insoweit, dass die maßgeblichen Verhältnisse der wirtschaftlichen Einheit zum Erwerbszeitpunkt gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind.
Korrektur auch ohne Einspruch möglich
In Fällen, in denen der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt, aber kein Einspruch gegen den Bescheid eingelegt und dieser deshalb bestandskräftig wurde, kommt möglicherweise eine Korrektur im Rahmen der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung in Betracht. Dazu muss die Wertfortschreibungsgrenze von EUR 15.000 überschritten sein.
Aussetzung der Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden
Schließlich ist nach den Ländererlassen im Hinblick auf die o.g. Beschlüsse des BFH ab sofort auch Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von angefochtenen Grundsteuerwertbescheiden zu entsprechen. Insoweit muss jedoch schlüssig dargelegt werden, dass die 40 %-Grenze erreicht wird. Ein Verkehrswertgutachten ist zum Zeitpunkt des Antrags zwar noch nicht vorzulegen, aber in einer vom Finanzamt festgesetzten angemessenen Frist einzureichen. „Vorbehaltlich anderweitiger Erkenntnisse“ sollen regelmäßig 50 % des Grundsteuerwerts von der Vollziehung ausgesetzt werden.
Ausblick
Auf politischer Ebene wird zudem überlegt, im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2024 die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für Zwecke der Grundsteuer in § 220 BewG aufzunehmen. Die Gesetzesänderung hätte nach den Vorstellungen der Verwaltung dann klarstellenden Charakter. Insoweit bliebt allerdings die weitere Entwicklung abzuwarten.