Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei Mitarbeiterentsendungen

Im Rahmen konzerninterner internationaler Mitarbeiterentsendungen kann das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen inländischer Arbeitgeber sein, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt (§ 38 Abs. 1 S. 2, 1. HS EStG a.F.; ab 01.01.2020: „(...) oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen“). Wie ein zivilrechtlicher Arbeitgeber ist auch ein solch wirtschaftlicher Arbeitgeber zur Einbehaltung, Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer verpflichtet. Wird eine wirtschaftliche Arbeitgeberstellung im Vorfeld nicht zutreffend identifiziert, sind Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung regelmäßig vorprogrammiert. Hilfreich ist dazu das Urteil des BFH vom 04.11.2021 (Az. VI R 22/19), das Grundsätze aufstellt, wann ein in Deutschland ansässiges aufnehmendes Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist.

Im Streitfall überließ eine in der Schweiz ansässige Muttergesellschaft (= entsendendes Unternehmen) ihrer deutschen Tochtergesellschaft (= aufnehmendes Unternehmen) im Rahmen einer Dienstleistungsvereinbarung interimsweise einen Geschäftsführer, der seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte und zugleich Verwaltungsrat der Muttergesellschaft sowie CEO der Unternehmensgruppe war. Er handelte ausschließlich kraft seiner Bestellung für die deutsche Gesellschaft; ein Geschäftsführerdienstleistungsvertrag wurde nicht geschlossen. Die von der deutschen Gesellschaft an die schweizerische Gesellschaft für die Überlassung zu zahlenden Monatspauschalen orientierten sich betragsmäßig an der Vergütung ihres vorherigen Geschäftsführers; die Vergütungen, die der Geschäftsführer von der schweizerischen Gesellschaft bezog, blieben unverändert. Nach Auffassung des Finanzamts war die deutsche Gesellschaft wirtschaftlicher Arbeitgeber des Geschäftsführers und somit betreffend den an die schweizerische Gesellschaft zu zahlenden Monatspauschalen zum Lohnsteuerabzugsverfahren verpflichtet. Das FG folgte dem uneingeschränkt. Der BFH monierte im Rahmen des Revisionsverfahrens allerdings eine unzureichende Aufarbeitung des Sachverhalts und wies die Rechtssache an das FG zurück.

Zwar lag der Einsatz des Geschäftsführers unstreitig im Interesse der deutschen Gesellschaft. Dies allein reicht aber ebenso wenig für eine wirtschaftliche Arbeitgeberstellung aus, wie die Tatsache, dass die deutsche Gesellschaft an die schweizerische Gesellschaft Monatspauschalen entrichtete, die an die Vergütung ihres vorherigen Geschäftsführers angelehnt waren. Denn hieraus ergibt sich nicht, dass die Monatspauschalen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt auch in einer Beziehung zu dem von der schweizerischen Gesellschaft an den Geschäftsführer gezahlten Arbeitslohn standen. Beispielsweise enthielt die im Streitfall zugrundeliegende Vereinbarung weder eine Klausel zur Erstattung des an den Geschäftsführer zu zahlenden Arbeitslohns noch waren die gegenüber dem aufnehmenden Unternehmen zu erbringenden Arbeitsleistungen, deren zeitlicher Umfang oder das hierfür konkret zu zahlende Arbeitsentgelt klar formuliert.

Der BFH deutet die zwischen den beiden Gesellschaften bestehende Vereinbarung daher vielmehr dahingehend, dass die schweizerische Gesellschaft die Überlassung des Geschäftsführers schuldete und sich die deutsche Gesellschaft im Gegenzug verpflichtete, die Monatspauschalen an die Muttergesellschaft zu entrichten. Somit wäre die Vergütung des Geschäftsführers lediglich ein Preisbestandteil der Monatspauschalen gewesen und die deutsche Gesellschaft nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzunehmen.

Bei Organen juristischer Personen ist zudem zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag. Fehlt wie im Streitfall ein Geschäftsführerdienstleistungsvertrag, ist daher nicht nachvollziehbar, ob und inwieweit der Geschäftsführer in die Arbeitsabläufe des aufnehmenden Unternehmens eingebunden war und dessen Weisungen unterlag. Allein die Organstellung als Geschäftsführer reicht also nicht für eine Einordnung als wirtschaftliches Arbeitsverhältnis.

Hinweis:

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die sorgfältige Gestaltung im Rahmen von Mitarbeiterentsendungsfällen das A und O ist. Insofern ist es zu begrüßen, dass der BFH die Rechtssache an das FG zurückverweist und eine lückenlose Sachverhaltsaufklärung einfordert; dazu hat er ihm einige Prüfungsschwerpunkte auferlegt. Die finale Beurteilung durch das FG bleibt mit Spannung abzuwarten. Dass das Verfahren noch eine frühere Rechtslage betrifft, ist substanziell indes nicht bedeutsam. Sie planen, Ihre Mitarbeiter im Konzernverbund global einzusetzen? Wir beraten Sie gern und stellen Ihnen maßgeschneiderte Lösungen mit steueroptimierter Ausrichtung für Ihr Unternehmen vor.