27. November 2020
REFERENTENENTWURF DES BMF
Der am 20.11.2020 vorgelegte Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer – das so genannte Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) – betrifft in erster Linie die Durchführung des Abzugs- und Erstattungsverfahrens für im Abzugswege erhobene Steuern und soll mögliche Missbrauchs- und Steuerhinterziehungstaktiken frühzeitig verhindern. Daneben werden die Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung von in einem inländischen Register eingetragenen Rechten angepasst sowie Anti-Treaty-Shopping-Regelungen vor dem Hintergrund neuer EU-Vorgaben eingeführt. Über den titelgebenden Gegenstand hinaus sieht der Gesetzentwurf zudem Änderungen im Umwandlungssteuerrecht sowie der Abgabenordnung vor.
ABZUGSTEUER: NEUFASSUNG DER ENTLASTUNGSREGELUNGEN FÜR AUSLÄNDISCHE STEUERPFLICHTIGE
Der Gesetzgeber beabsichtigt, gewerbsmäßigen Betrugsmodellen, die insbesondere bei Erstattungen von Kapitalertragsteuer zu einer abstrakt bestehenden Gefahr von Doppelerstattungen führen (Cum/Ex- oder Cum/Cum-Gestaltungen) die Grundlage zu entziehen. Dazu sollen gegenüber der Finanzverwaltung – konzentriert beim Bundeszentralamt für Steuern – sowohl für beschränkt als auch für unbeschränkt Steuerpflichtige erweiterte elektronische Meldepflichten der zum Kapitalertragsteuerabzug Verpflichteten eingeführt werden. Diese beinhalten insbesondere ergänzende Angaben zu den Steuerbescheinigungen für unbeschränkt Steuerpflichtige, Daten zu unbescheinigter Kapitalertragsteuer, Daten zu Abstandnahmen vom Steuerabzug und aggregierte Daten zum Steuerabzug. Im Zuge der damit verbundenen Vereinfachungen durch die Reduzierung der bestehenden Entlastungsverfahren soll sowohl das optionale Kontrollmeldeverfahren – derzeit in § 50d Abs. 5 und 6 EStG geregelt – als auch das bisherige in § 50d Abs. 2 EStG enthaltene Wahlrecht zwischen Erstattung und Änderung der Steueranmeldung durch rückwirkende Freistellungsbescheinigungen gestrichen werden. Ab dem Jahr 2024 ist diesbezüglich beim Bundeszentralamt für Steuern eine vollständig digitalisierte Antragsbearbeitung vorgesehen.
RECHTEÜBERLASSUNG: KEINE BESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT BEI INLÄNDISCHER REGISTEREINTRAGUNG
Eine beschränkte Steuerpflicht kann sich aus der Überlassung oder Veräußerung eines Rechts (z. B. Patente) ergeben, das in ein inländisches öffentliches Register eingetragen ist oder im Inland verwertet wird. Nach dem vorgelegten Referentenentwurf soll die diesbezügliche Besteuerung auf Fälle mit einem substanziellen Inlandsbezug beschränkt werden; abzustellen wäre dann ausschließlich auf eine inländische Nutzung – mithin Verwertung – der betroffenen Rechte. Die Gesetzesbegründung führt – entgegen einem BMF-Schreiben vom 06.11.2020 – ergänzend aus, dass die Fälle der bloßen Eintragung in ein inländisches Register letztlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen.
MISSBRAUCHSBEKÄMPFUNG: ANTI-TREATY-SHOPPING
Die Missbrauchsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG soll umfassend überarbeitet und den Erfordernissen des Unionsrechts und des internationalen Steuerrechts angepasst werden. Grundsätzlich handelt es sich um eine Entlastungsregelung für ausländische Gesellschaften. Soll allerdings eine ausländische Gesellschaft mit dem ausschließlichen Ziel zwischengeschaltet werden, nicht berechtigte Abkommensvorteile in Form einer Entlastung von Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug zu erlangen, sind diese nicht zu gewähren.
Die Voraussetzungen der persönlichen und sachlichen Entlastungsberechtigung sollen nun verschärft werden. Nach der Neuregelung hat eine ausländische Gesellschaft ungeachtet bestehender DBA-Vorschriften zukünftig keinen Anspruch auf eine Quellensteuerentlastung,
- soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen dieser Anspruch nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (sog. persönlicher Entlastungsanspruch) und
- soweit die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser ausländischen Gesellschaft aufweist (sog. sachliche Entlastungsberechtigung).
Entsprechende Rückausnahmen – die Entlastung wird also gewährt - bestehen beim Nachweis, dass in der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft nicht vordergründig ein steuerlicher Vorteil zu sehen ist. Bislang reichte dafür aus, dass für die Zwischenschaltung keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe bestehen.
SONSTIGE ÄNDERUNGEN
Im Umwandlungssteuergesetz soll ein neuer § 2 Abs. 5 aufgenommen werden, der für Verluste aus bestimmten missbräuchlichen Ge-staltungen ein Verrechnungsverbot vorsieht. Verfahrensrechtlich wird eine Änderung des § 251 Abs. 2 Satz 2 AO zur Vollstreckung von Verwaltungsakten vorgeschlagen und mit einem neu eingefügten § 88c AO eine Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch der Finanzbehörden über kapitalmarktbezogene Gestaltungen angeregt.
INKRAFTTRETEN
Das Gesetz soll – vorbehaltlich spezieller zeitlicher Anwendungsregelungen in den Einzelsteuergesetzen – am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.
Ob und inwieweit sich inhaltlich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens unter Einbezug entsprechender Beratungen im Bundestag und Bundesrat noch Änderungen zum vorgelegten Referentenentwurf ergeben werden, bleibt abzuwarten.