Neue Konzeption der Besteuerung von Mehr- oder Minderabführungen bei Organschaften

Bei in organschaftlicher Zeit verursachten Minder- oder Mehrabführungen wurde die bisherige Ausgleichspostenmethodik durch eine sog. Einlagelösung ersetzt. Dies hat einige steuerliche Implikationen zur Folge und bringt verschiedene Anwendungsfragen - vor allem für den Übergang vom alten in das neue System - mit sich.

Zwar dürfte die primäre Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, mit der neuen Einlagelösung eine Vereinfachung in der Besteuerung von Organschaften zu erreichen. So sollen nunmehr vor allem die vielschichtigen Unsicherheiten im Hinblick auf den Rechtscharakter der Ausgleichsposten oder ihre Behandlung in Umwandlungs- und Veräußerungsfällen wegfallen. Gleichermaßen könnte jedoch die Beendigung bzw. weitere Verhinderung von Steuerstundungsmodellen und damit die Finanzierungsfunktion einen wichtigen Einfluss auf die neuen Regelungen gehabt haben.

Hintergrund

Die Organschaft bezweckt eine Beseitigung steuerlicher Doppelbelastung. In manchen Fällen könnten aber Einkommensteile einer Organgesellschaft doppelt oder gar nicht besteuert werden, was mit dem bisherigen System von Ausgleichsposten vermieden werden sollte. Zu einer Doppel- oder Nichtbesteuerung käme es ohne Ausgleichsposten dann, wenn bei Veräußerung einer Organbeteiligung die Ursache für die Bildung eines Ausgleichspostens noch besteht. Mit den entsprechenden Änderungen in § 14 Abs. 4 KStG wird der aktive Ausgleichsposten bei Minderabführungen nunmehr durch die Annahme einer Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft und der passive Ausgleichsposten bei Mehrabführungen durch die Annahme einer Einlagenrückgewähr ersetzt.

Systematik der Einlagelösung

Mehr- oder Minderabführungen resultieren überwiegend aus Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz durch unterschiedliche Bewertung von Aktiv- und Passivposten. Auf der anderen Seite sind die beiden Ebenen der Organschaft – Organträger und Organgesellschaft – zu betrachten, so dass sich für die unterschiedlichen Konstellationen folgende steuerlichen Folgen ergeben.

Mehrabführung

Eine steuerliche Mehrabführung (der handelsrechtlich abgeführte Gewinn der Organgesellschaft ist größer als der Steuerbilanzgewinn) resultiert aus:

  • Vorverlagerung von AfA (steuerlich),
  • Verminderung bzw. Streichung von Aktivposten oder
  • Erhöhung bzw. Einstellung von Passivposten.

Bei Mehrabführungen ist zwischen vororganschaftlichen und organschaftlichen Sachverhalten zu unterscheiden.

Die in vororganschaftlicher Zeit verursachten Abweichungen gelten gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG wie bisher als Gewinnausschüttung der Organgesellschaft an den Organträger, wobei die allgemeine Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zur Anwendung kommt.

Organschaftlich verursachte Mehrabführungen gelten gem. § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG unmittelbar als Einlagenrückgewähr und umgehen somit die übliche Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG. Auf Ebene der Organgesellschaft mindern sie gem. § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG im Wege eines sog. Direktzugriffs das steuerliche Einlagekonto. Unverändert kann das steuerliche Einlagekonto durch organschaftliche Mehrabführungen auch negativ werden.

Für den Organträger fingiert § 14 Abs. 4 Satz 2 KStG eine Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger, sie mindert also den Beteiligungsbuchwert für die Organgesellschaft. Soweit die Mehrabführung den Buchwert übersteigt, kommt es zu einem steuerpflichtigen Beteiligungsertrag, der wie ein Veräußerungsgewinn den Regelungen des § 3 Nr. 40 Buchst. c) i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG bzw. des § 8b Abs. 2 KStG unterliegt.

Im Unterschied zur anteiligen Behandlung bei der bisherigen Ausgleichspostenmethode wirkt sich die Mehrabführung ungeachtet der Höhe der Organbeteiligung in voller Höhe auf den Beteiligungsbuchwert des Organträgers aus.

Minderabführung

Eine steuerliche Minderabführung (der handelsrechtlich abgeführte Gewinn der Organgesellschaft ist kleiner als der Steuerbilanzgewinn) resultiert aus:

  • Nichtanerkennung von Rückstellungen (wie Drohverlust),
  • Unterschiedliche Aktivierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Handels- und Steuerbilanz,
  • Unterschiedliche Abschreibungsdauern in Handels- und Steuerbilanz,
  • Bewertungsdifferenzen bei Passivposten oder
  • Nichtansatz von Passivposten (steuerlich).

Nach der Neuregelung gelten Minderabführungen der Organgesellschaft generell als Einlage des Organträgers in die Organgesellschaft, unabhängig davon, ob sie in vororganschaftlicher oder organschaftlicher Zeit verursacht sind.

Bei der Organgesellschaft erhöht sich nach § 27 Abs. 6 KStG das Einlagekonto.

Beim Organträger erhöht sich der Beteiligungsbuchwert für die Organgesellschaft, und zwar (anders als bisher) ungeachtet der Höhe der Organbeteiligung in voller Höhe. Die Erhöhung sollte zudem nach überwiegender Auffassung (wie bei der bisherigen Ausgleichspostenlösung) einkommensneutral erfolgen.

Sonderfall der mittelbaren Organschaft

Im Fall eines zwischen einer sog. Großmutter-Gesellschaft und einer sog. Enkel-Gesellschaft abgeschlossenen und durchgeführten Ergebnisabführungsvertrages sind unmittelbare Einlagen ausgeschlossen. Deshalb dürfte die Einlage über die Beteiligungskette erfolgen, sodass zuerst eine Einlage des Organträgers in die vermittelnde Gesellschaft und dann wiederum eine Einlage der vermittelnden Gesellschaft in die eigentliche Organgesellschaft vorzunehmen ist.

Anwendungsregelung und aktueller Beratungsbedarf

Die Neuregelungen der Einlagelösung sind erstmals auf Mehr- bzw. Minderabführungen anzuwenden, die in einem Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft erfolgen, das nach dem 31.12.2021 endet.

Der Wechsel von der organschaftlichen Ausgleichspostenmethode zur Einlagelösung bringt verschiedene steuerliche Implikationen mit sich, die im jeweiligen Einzelfall weitergehend zu prüfen sind. Insbesondere ergeben sich Fragestellungen im Zusammenhang mit

  • der Ermittlung des entstehenden Beteiligungsertrags,
  • der Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens bzw. des Schachtelprivilegs des § 8b KStG,
  • dem Wahlrecht auf Bildung einer gewinnmindernden Rücklage oder
  • der Auswirkung auf die Bilanzierung latenter Steuern.

Gerne unterstützen wir Sie hierbei. Bitte sprechen Sie Ihren steuerlichen Berater dazu an.