08. Dezember 2020
Die Bundesregierung brachte Mitte Oktober mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf die Insolvenzrechtsreform weiter voran, die ab 01.01.2021 in Kraft treten soll. Das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) soll eine EU-Richtlinie (2019/1023 vom 20.06.2019) umsetzen, den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie begegnen sowie das deutsche Sanierungs- und Insolvenzrecht deutlich ergänzen und fortentwickeln.
Insolvenzantragspflicht und Prognosezeiträume
Die Insolvenzantragspflicht war, so sie auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhte, von März bis Ende September 2020 auch für zahlungsunfähige Unternehmen ausgesetzt worden. Für überschuldete, aber nicht zahlungsunfähige Betriebe wurde diese Frist bis zum Ende dieses Jahres verlängert. Zukünftig beträgt die Maximalfrist für die Stellung des Insolvenzantrags nach Eintritt der unverzüglich zu erfüllenden Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit weiterhin drei Wochen, verdoppelt sich für den Überschuldungstatbestand auf sechs Wochen. Die Prognosezeiträume der Zeiträume bei der Überschuldungsprüfung werden jedoch verkürzt und gestaffelt: Im Jahr 2021 reicht es bei pandemiebetroffenen Unternehmen, wenn sie nachweisen, dass sie ihre Schulden in den nächsten vier Monaten begleichen können. Ab 2022 gilt dauerhaft im Regelfall ein Überprüfungszeitraum von einem Jahr. Der Prognosezeitraum für die drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt 24 Monate.
Neuer Restrukturierungsrahmen
Wesentlicher Bestandteil der Reform ist das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ (StaRUG). Dieses führt einen Restrukturierungsrahmen ein, der ein im Wesentlichen außergerichtliches und vom Unternehmen selbstverantwortlich geführtes Sanierungsverfahren eröffnet. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen (nur) drohend zahlungsunfähig sind.
In Änderung der bisher nötigen Einstimmigkeit ermöglicht der Restrukturierungsrahmen nun eine Unternehmensrettung, wenn nur 75 % der Gläubiger pro Gruppe, gemessen an der Forderungshöhe (nicht nach Köpfen) zustimmen. Damit können Unternehmen, die eine Mehrheit ihrer Gläubigerinnen und Gläubiger mit einem soliden Plan von ihrer Sanierungsperspektive überzeugen, ihr Sanierungskonzept künftig auch ohne förmliches Insolvenzverfahren umsetzen.
Unter dem neuen Rechtsrahmen können belastende Verträge beendet oder andere Rechtsverhältnisse, z.B. Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte, umgestaltet werden, wenn der andere Vertragspartner seine Zustimmung zur Anpassung oder Beendigung verweigert und ansonsten eine Insolvenz droht. Dies gilt aber nicht für Lohn- und Gehaltsansprüche und betriebliche Altersvorsorgen. Auch können Vollstreckungsmaßnahmen bis zu drei Monate lang vorübergehend gestoppt werden.
Der Restrukturierungsrahmen ist nicht so formell und fest geregelt wie das Insolvenzverfahren. Auch wenn individuell auf die Unternehmensbedürfnisse zugeschnittene Maßnahmen möglich sind, hat der Schuldner bestimmte Vorgaben zu erfüllen:
- Krisenanzeichen frühzeitig erkennen
- Gläubigerinteressen wahren
- umfassenden Restrukturierungsplan erstellen
- die aktuelle Situation des Unternehmens aufzeigen und geordnete Verhältnisse nachweisen
- die Planbetroffenen benennen und sie je nach Rechtsstellung in Gruppen einteilen
- die Rettungsmaßnahmen beschreiben, die das Unternehmen nachvollziehbar vor einer Insolvenz bewahren sollen.
Stimmen dem Restrukturierungsplan alle Gläubiger zu, kann er unmittelbar umgesetzt werden. Bei Zustimmung nur einer Mehrheit wird der Plan dem Gericht zur Bestätigung nach Prüfung der Voraussetzungen vorgelegt. Das Gericht kann einen neutralen Restrukturierungsbeauftragten zur Überwachung und Prüfung einsetzen oder eine Sanierungsmoderation vorgeben.
Überschuldung:
Von der COVID-19 Pandemie betroffene Unternehmen unterliegen ab 2021 zwar wieder der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Allerdings wird der Überschuldungsprüfung künftig ein gelockerter Maßstab zugrunde gelegt, der auf die derzeitigen Prognoseunsicherheiten Rücksicht nimmt.
Hinweis:
Durch die vorgeschlagenen Ergänzungen und Fortentwicklungen soll nach Aussage des Justizministeriums das deutsche Recht auch mit den Regelungen ausländischer Rechtsordnungen Schritt halten, deren Sanierungsrecht in der Vergangenheit immer wieder auch deutsche Unternehmen angezogen hat. Künftig soll eine Inanspruchnahme ausländischer Verfahrensvorschriften durch deutsche Unternehmen nicht mehr nötig sein.
Für weitere Informationen verweisen wir auf einen ausführlichen Beitrag auf unserer Web-Site zum vorangegangenen Referentenentwurf sowie unserem Web Seminar von Mitte Oktober.