Gesundheitswesen und Sozialwirtschaft | Januar 2021

Inhaltsverzeichnis

Der aktuelle Sachstand bezüglich der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 beschlossenen Gemeinnützigkeitsrechtsreform

Seit Herbst 2019 wurde in den zuständigen parlamentarischen Gremien sowie auf Verbandsebene und in der interessierten Öffentlichkeit intensiv über die Notwendigkeit bzw. über etwaige Inhalte einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts diskutiert. Nach längerem Ringen insbesondere im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags ist die Gemeinnützigkeitsrechtsreform im Rahmen des „Jahressteuergesetzes 2020“ kurz vor dem Jahreswechsel 2020/2021 erfolgreich verabschiedet worden und grundsätzlich noch in 2020 in Kraft getreten.

Mit den beschlossenen Änderungen sind eine Vielzahl von Anregungen der Praxis aufgegriffen und umgesetzt worden. Weitere, aus Sicht betroffener steuerbegünstigten Körperschaften notwendige oder zumindest sinnvolle Änderungen und Ergänzungen sind allerdings – zumindest bis auf weiteres – nicht beschlossen worden; mit weiteren Rechtsänderungen dürfte deshalb in den kommenden Jahren zu rechnen sein.

Als Stichworte hierfür sind beispielhaft zu nennen:

  • die Schaffung einer maßvollen Steuerbelastung beim Verzicht auf die bzw. bewussten „Ausstieg“ aus der Gemeinnützigkeit – ein hierfür von den Bundesländern unterbreiteter Vorschlag ist im JStG 2020 nicht umgesetzt worden -,
  • eine Anpassung der körperschaftlichen und gewerbesteuerlichen Freibeträge auf Gewinne steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe - – ein hierfür von den Bundesländern unterbreiteter Vorschlag ist im JStG 2020 gleichfalls nicht umgesetzt worden -,
  • die Schaffung eines abgestuften Sanktionssystems bei Verstößen gegen die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts,
  • eine sachgerechte Vereinfachung der Verpflichtung zur satzungsmäßigen Mittelverwendung incl. Rücklagenbildung sowie deren Dokumentation in einer „Mittelverwendungsrechnung“,
  • die Einführung einer – auch die Finanzbehörden bindenden – sog. „Business Judgement Rule“ in § 63 AO (im Hinblick auf eine gemeinnützigkeitsrechtliche ex-post-Beurteilung von ex-ante-Entscheidungen zuständiger Organe steuerbegünstigter Körperschaften),
  • die rechtsmittelfähige jährliche Feststellung der nicht zeitnah zu verwendenden Mittel incl. der Rücklagendotierungen,
  • besondere Grunderwerbsteuerbefreiungen für Umstrukturierungen im gemeinnützigen Bereich,
  • der Verzicht auf das Merkmal „nicht der Erwerbs wegen“ in § 66 Abs. 2 Satz 1 AO (auch zur Vermeidung umfangreicher Nebenrechnungen zur sog. „wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre“).

In der aktuellen Legislaturperiode, die im September 2021 enden wird, dürften allerdings keine weiteren gesetzgeberischen Aktivitäten zu erwarten sein. Im Jahr 2021 wird es vielmehr darum gehen, die praktischen Anwendungsfragen, welche bei den jetzt beschlossenen Rechtsänderungen schon aufgetreten sind und sicher noch weiter auftreten werden, sachgerecht zu klären. Hierzu ist die Finanzverwaltung in besonderem Maße aufgerufen; sie beabsichtigt dem Vernehmen nach, dieser Notwendigkeit möglichst zeitnah durch eine (vermutlich ersten) Anpassung der Regelungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu §§ 51 bis 68 AO zu entsprechen.

Wesentliche Rechtsänderungen für steuerbegünstigte Körperschaften

Die Ergänzungen bzw. Änderungen des § 57 AO („Unmittelbarkeit“) und des § 58 AO („Steuerlich unschädliche Betätigungen“) waren schon Gegenstand unserer umfangreichen Erläuterungen im Newsletter vom November 2020; sie sind inhaltlich in das JStG 2020 übernommen worden. Die von uns hierzu im November 2020 formulierten offenen Anwendungsfragen stellen sich unverändert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen.

Zusätzlich ist insbesondere auf folgende Rechtsänderungen hinzuweisen, die teilweise im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Veränderungen erfahren haben oder zusätzlich (über die Gesetzesentwurfsfassungen hinaus) geschaffen worden sind:

  • Erhöhungen des sog. Übungsleiter-Freibetrags von jährlich € 2.400,-- auf jährlich € 3.000,-- und der sog. Ehrenamtspauschale von jährlich € 720,-- auf jährlich € 840,-- (§ 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG) – diese Änderungen sind am 1.1.2021 in Kraft getreten -.

    Nicht angepasst wurden – vermutlich versehentlich - die Haftungsregelungen des § 31a und des § 31b BGB. Danach haften Vereinsmitglieder und Organmitglieder des Vereins (z. B. Vorstandsmitglieder) bei leichter Fahrlässigkeit nur, wenn sie unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung von nicht mehr als € 720,-- jährlich erhalten. Es wird allerdings mit einer zeitnahen Anpassung dieses Betrages im BGB gerechnet;
     
  • Erhöhung des sog. vereinfachten Spendennachweises bei Zuwendungen von bisher € 200,-- auf € 300,-- (§ 50 Abs. 4 EStDV) – diese Änderung ist am 1.1.2021 in Kraft getreten; sie gilt damit für Zuwendungen, die dem Zuwendungsempfänger nach dem 31.12.2019 zugeflossen sind (vgl. § 84 Abs. 2c EStDV), was den vereinfachten Spendennachweis auch für Spendenzuflüsse im Jahr 2020 ermöglicht -;
  • Notwendigkeit von Zuwendungsbestätigungen nach amtlichem Muster (für Spendenabzugszwecke) auch für ausländische Spendenempfänger (Aufhebung des § 50 Abs. 1 Satz 2 EStDV) – diese  Änderung wird am 1.1.2025 in Kraft treten -,
  • Einführung eines „Zuwendungsempfängerregisters“ beim Bundeszentralamt für Steuern (§ 60b AO) – diese Änderung wird am 1.1.2024 in Kraft treten -.

    Meldepflichten für steuerbegünstigte Körperschaften löst das Zuwendungsempfängerregister nicht aus; die notwendigen Datenübermittlungen erfolgen vielmehr (amtsintern) durch das zuständige Finanzamt,
     
  • Abschaffung der Verpflichtung zur zeitnahen satzungsmäßigen Mittelverwendung für ´steuerbegünstigte Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als € 45.000,-- (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO) – diese Regelung ist am 29.12.2020 in Kraft getreten; sie gilt damit nach unserer Auffassung (rückwirkend) schon für 2020 -.

    Die Formulierung der gesetzlichen Neuregelung lässt offen, ob sich die Grenze von € 45.000,-- auf die Brutto- oder auf die Nettoeinnahmen bezieht. Es dürfte aus unserer Sicht auf die Bruttoeinnahmen (incl. Umsatzsteuer) abzustellen sein. Unklar ist derzeit außerdem, ob eine Überschreitung der Grenze von € 45.000,-- die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung für alle Mittel der Körperschaft bewirkt oder nur für die im Jahr der Überschreitung zugeflossenen Mittel,
     
  • Erweiterung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke des § 52 Abs. 2 AO um die Förderung
    • des Klimaschutzes,
    • der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden,
    • der Ortsverschönerung,
    • des Freifunks,
    • der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen

(§ 52 Abs. 2 Nrn. 8, 10, 22, 23, 26 AO) – diese Änderungen sind am 29.12.2020 in Kraft getreten -,

  • Ergänzung der sog. „Katalog-Zweckbetriebe“ des § 68 AO durch Flüchtlingshilfeeinrichtungen und durch Einrichtungen der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen (§ 68 Nrn. 1c und 4 AO) – diese Ergänzungen sind am 29.12.2020 in Kraft getreten -,
  • Einführung eines Vertrauensschutzes für steuerbegünstigte Körperschafen bei der Mittelweitergabe an andere steuerbegünstigte Körperschaften (§ 58a AO) – diese Regelung ist am 29.12.2020 in Kraft getreten -,
  • Ablehnung oder Aufhebung einer Feststellung nach § 60a AO („Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen“) auf der Basis der tatsachlichen Geschäftsführung (§ 60a Abs. 6 AO) – diese Regelung ist am 29.12.2020 in Kraft getreten -,
  • Erhöhung der sog. „Besteuerungsgrenze“, bezogen auf Einnahmen aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von bisher € 35.000,-- auf € 45.000,-- (§ 64 Abs. 3 AO) – diese Regelung ist am 29.12.2020 in Kraft getreten; sie gilt damit nach unserer Auffassung (rückwirkend) schon für 2020 -,
  • Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen gegenüber Kindern in Kindertageseinrichtungen sowie gegenüber Studierenden und Schülern an Hochschulen im Sinne der Hochschulgesetze der Länder, an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Berufsakademie, an öffentlichen Schulen und an Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, sowie an staatlich anerkannten Ergänzungsschulen und an Berufsschulheimen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, auf Verpflegungsdienstleistungen und Beherbergungsleistungen (§ 4 Nr 23 UStG) – diese Änderung ist am 1.1.2021 in Kraft getreten -.
  • Einführung der Umsatzsteuerbefreiung für die eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundenen Leistungen, die erbracht werden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Sanitäts- und Rettungsdiensten, die die landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, oder Einrichtungen, die nach § 75 SGB V die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen (§ 4 Nr. 14 Buchst. f UStG) – diese Ergänzung ist am 1.1.2021 in Kraft getreten -.

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