Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG liegen vor, wenn eine Immobilie veräußert wird, bei der der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Hiervon ausgenommen sind Immobilien, die im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren (ausschließlich) zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Die in der Praxis sehr streitanfällige Frage, wann eine Immobilie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, war auch Gegenstand des BFH-Urteils vom 14.02.2023 (Az. IX R 11/21).
Im Streitfall erwarb ein Ehepaar im Jahr 2008 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu jeweils hälftigem Miteigentum und bewohnte es bis zum Auszug des Ehemanns im Jahr 2015 zusammen mit dem gemeinsamen Sohn. Die Ehe wurde im Jahr 2017 geschieden. Im Rahmen der anschließenden notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung veräußerte der geschiedene Ehemann seinen hälftigen Miteigentumsanteil an seine geschiedene Ehefrau und erzielte daraus einen Veräußerungsgewinn, für den er die Steuerfreistellung gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG beanspruchte. Das Finanzamt folgte dem nicht, da nach dem trennungsbedingten Auszug aus dem Familienheim keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken mehr vorliege; der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts war demnach erfüllt. Das erstinstanzliche Finanzgericht und der BFH sahen dies genauso.
Die für die begehrte Steuerfreistellung einschlägige Voraussetzung einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken verlangt, dass eine Immobilie vom Steuerpflichtigen bewohnt wird; unschädlich ist, wenn er diese gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt indes vor, wenn der Steuerpflichtige die Immobilie entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Überlässt der Steuerpflichtige die Immobilie allerdings einem kindergeldberechtigten Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung, wird dies dem Eigentümer als eigene Nutzung zugerechnet, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Bei zeitgleicher Überlassung an einen Dritten – wie im Streitfall die Kindsmutter – liegt aber keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor.
Bezogen auf den Streitfall widerspricht eine alleinige Wohnnutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des geschiedenen Ehemanns durch dessen im Zeitpunkt des Auszugs neunjährigen Sohn der Lebenswirklichkeit. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Kind nach dem Auszug seines Vaters im Haushalt seiner Mutter lebte und der strittige hälftige Miteigentumsanteil beiden überlassen wurde. Der BFH betont zudem, dass sich die beiden Miteigentumsanteile des geschiedenen Ehepaares weder gegenständlich konkretisieren noch mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen lassen. Somit bewohnte die geschiedene Ehefrau nach dem Auszug des geschiedenen Ehemanns das gesamte ehemalige Familienheim gemeinsam mit ihrem Sohn und nicht nur den ihr zuzurechnenden Miteigentumsanteil. Eine solche Nutzung durch die geschiedene Ehefrau kann nicht dem geschiedenen Ehemann als Eigennutzung zugerechnet werden und war letztlich für die begehrte Steuerfreistellung schädlich. Dass die geschiedene Ehefrau das minderjährige Kind betreute, war dabei irrelevant.