Beispielfall
TU wird drei Monate nach der Erstkonsolidierung unter steuerlicher Aufdeckung der stillen Reserven mit MU verschmolzen. Die Planung zur Verschmelzung war bereits vor dem Erwerb beschlossen. Fraglich ist, ob und Inwieweit die geplante Verschmelzung im Rahmen der Erstkonsolidierung zu berücksichtigen ist.
Stichtags- vs. Nachstichtagsereignisse
Die Berücksichtigung einer vor dem Erwerbsstichtag geplanten Umstrukturierung bei der Erstkonsolidierung auch dann, wenn rechtsverbindliche Schritte (Verträge usw.) erst nach dem Erwerbsstichtag geschehen, soll nach einem Teil des Schrifttums zulässig oder geboten sein. IFRS 3.10 verlangt allerdings bei der Erstkonsolidierung nur die Vermögenswerte und Schulden anzusetzen, die am Erwerbsstichtag bestehen. Notwendig ist damit eine Unterscheidung zwischen combination und post-combination events. Diese Grundanforderung wird auch in IFRS 3.45 (zwölf-monatiger Bewertungszeitraum) und IFRS 3.11 (geplante Restrukturierungen) betont. Die geplante Verschmelzung wäre danach nicht zu berücksichtigen.
Sonderregelungen für Steuern?
Eine abweichende Beurteilung könnte sich aus IFRS 3.24 ergeben. Dort ist für den Ansatz und die Bewertung von latenten Steuern der Vorrang von IAS 12 festgehalten. Er gilt allerdings nur für latente Steuern. Wenig sinnvolle Folge könnte also sein, dass die aus dem gleichen Umstrukturierungsplan resultierenden tatsächlichen Steuern noch nicht zu berücksichtigen wären (post-combination event gem. IFRS 3), die latenten Steuern aber evtl. doch.
Bezüglich latenter Steuern betont IFRS 3.BC280 allerdings, dass „most, if not all, of the requirements of IAS 12... are arguably consistent with the revised standard's recognition principle“. Während also für die Bewertung IAS 12 Vorrang eingeräumt wird (abweichend von IFRS 3 kein fair value), sieht der IASB solche Abweichungen beim Bilanzansatz nicht. Der Rekurs auf die generellen Ansatzvorgaben von IFRS 3, findet sich schließlich implizit auch in IAS 12.68. Eine Berücksichtigung nachträglicher Informationen ist demzufolge nur dann zulässig, wenn diese Sachverhalte und Umstände den Erwerbsstichtag erhellen. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit den Vorgaben von IFRS 3.45 ff. zur Berücksichtigung nachträglicher Informationen. Für latente Steuern auf inside basis differences (hier immaterielle Vermögenswerte) folgt: Maßgeblich sind die Differenzen am Erwerbsstichtag. Vor diesem Stichtag geplante, aber erst danach umgesetzte Änderungen dieser Differenzen sind Nachstichtagsereignisse und in der Erstkonsolidierung nicht zu berücksichtigen.
Ergebnis und weiterführende Hinweise
Die geplante Verschmelzung ist ein Nachstichtagsereignis und bei der Erfassung latenter und tatsächlicher Steuern im Rahmen der Erstkonsolidierung nicht zu berücksichtigen. Für zu versteuernde outside basis differences zwischen Nettovermögen des Erwerbsobjekts zu Konzernbuchwerten und steuerlichem Beteiligungsbuchwert gilt etwas anderes: Diese sind nach IAS 12.39(b) nicht zu latenzieren, wenn in absehbarer Zukunft nicht mit ihrer Umkehr zu rechnen ist. Besteht am Erwerbsstichtag eine zu versteuernde outside basis difference und plant der Erwerber bereits vor dem Stichtag Maßnahmen, die zu deren Auflösung führen, so ist eine Latenzierung vorzunehmen.
*Literaturhinweis: Entnommen aus Lüdenbach, PiR 6/2021, S. 192.