Vermeidung von Doppelangaben bei freiwilliger vorzeitiger Erstellung eines Vergütungsberichts nach den Vorschriften des ARUG II
Grds. haben Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften erstmals für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr einen Bericht über die Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrats nach den Vorschriften des § 162 AktG (i. d. F. ARUG II) zu erstellen (sog. aktienrechtlicher Vergütungsbericht). Einige Unternehmen ziehen es in Betracht, freiwillig bereits für ein früheres (vor dem 1. Januar 2021 beginnendes) Geschäftsjahr einen aktienrechtlichen Vergütungsbericht zu erstellen.
Ein Unternehmen kann bereits für ein vor dem 1. Januar 2021 beginnendes Geschäftsjahr einen Bericht über die Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrats nach den Vorschriften des ARUG II (Vergütungsbericht nach § 162 AktG) erstellen. In diesem Fall sind für dieses Geschäftsjahr bereits die Vorschriften des HGB i. d. F. des ARUG II anzuwenden (Art. 83 Abs. 1 Satz 3 EGHGB). Das Unternehmen braucht dann schon im korrespondierenden Abschluss/Lagebericht – unter bestimmten Voraussetzungen - nicht mehr individualisiert über die Bezüge und Leistungen an Vorstandsmitglieder (§§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5-8, 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 5-8 HGB i. d. F. vor Inkrafttreten des ARUG II) und nicht mehr über die Grundzüge des Vergütungssystems (§§ 289a Abs. 2, 315a Abs. 2 HGB i. d. F. vor Inkrafttreten des ARUG II) berichten. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus dem Ziel des Gesetzgebers, durch die Änderungen des HGB Doppelangaben, d. h. Angaben im Anhang bzw. Lagebericht einerseits und im Vergütungsbericht nach § 162 AktG andererseits, zu vermeiden.
Welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit in dem korrespondierenden Abschluss/Lagebericht auf die handelsrechtlichen Angaben nach §§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5 bis 8, 289a Abs. 2 bzw. §§ 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 5 bis 8, 315a Abs. 2 HGB i. d. F. vor Inkrafttreten des ARUG II verzichtet werden darf, wurde in einer gemeinsamen Berichterstattung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) und des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) über deren 262. Sitzungen am 26. bzw. 27. November 2020, die am 14. Dezember 2020 im Mitgliederbereich der Homepage des IDW veröffentlicht worden ist, spezifiziert.
Vergütungsbericht nach § 162 AktG
Wird ein Vergütungsbericht nach § 162 AktG bereits für ein vor dem 1. Januar 2021 beginnendes Geschäftsjahr erstellt, kann es sein, dass die Vergütung der Vorstandsmitglieder im Berichtsjahr noch nicht nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung beschlossenen, den Vorgaben des § 87a AktG genügenden Vergütungssystems, sondern noch „nach der bestehenden Vergütungspraxis“ (§ 26j Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGAktG) erfolgt. In einem solchen Fall würde der Vergütungsbericht bestimmte, nach § 162 AktG geforderte Angaben nicht enthalten können. Hierbei kann es sich aber trotzdem um einen Vergütungsbericht nach § 162 AktG, der zum Verzicht auf die genannten Angaben im korrespondierenden Abschluss/Lagebericht berechtigt, handeln, da ein solcher Vergütungsbericht gesetzlich geforderte Angaben nur enthalten muss, „soweit sie inhaltlich tatsächlich vorliegen“ (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AktG).
FAB und HFA vertreten die Auffassung, dass ein freiwillig vorzeitig erstellter Vergütungsbericht nach § 162 AktG auch dann zur vorzeitigen Anwendung des HGB i. d. F. des ARUG II – und damit zum Verzicht auf die Angaben zur individualisierten Vorstandsvergütung und zu den Grundzügen des Vergütungssystems im korrespondierenden Abschluss/Lagerbericht – berechtigt, wenn die Vergütung der Vorstandsmitglieder (noch) nicht nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung beschlossenen Vergütungssystems, das den Vorgaben des § 87a AktG genügt, erfolgt. Gleiches gilt, wenn die Vergütung der Vorstandsmitglieder bereits nach Maßgabe eines von der Hauptversammlung nach § 120a Abs. 1 AktG beschlossenen Vergütungssystems erfolgt, das den Vorgaben des § 87a AktG genügt.
Angabe der Grundzüge des Vergütungssystems
Die vorzeitige Anwendung der Vorschriften des HGB i. d. F. des ARUG II setzt jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut (Art. 83 Abs. 1 Satz 1 EGHGB) nicht die Veröffentlichung der bestehenden Vergütungspraxis, die der Vergütung der Vorstandsmitglieder zugrunde liegt, voraus. Eine gesetzliche Veröffentlichungspflicht besteht zwar für das Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder, über das bis zum Ablauf der ersten ordentlichen Hauptversammlung, die auf den 31.12.2020 folgt, Beschluss zu fassen ist. Dieses Vergütungssystem kann aber von der bestehenden Vergütungspraxis, die dem freiwillig vorzeitig erstellten Vergütungsbericht nach § 162 AktG zugrunde liegt, abweichen.
Das Ziel des Art. 83 Abs. 1 Satz 3 EGHGB besteht darin, bei einer freiwilligen vorzeitigen Erstanwendung der Vergütungsberichterstattung nach § 162 AktG Doppelangaben zu vermeiden. Es kann umgekehrt aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelung bezweckt, in diesem Fall bislang handelsrechtlich geforderte Angaben bereits unterlassen zu dürfen. Infolgedessen ist nach Auffassung des FAB und des HFA ein Verzicht auf die Berichterstattung über die Grundzüge des Vergütungssystems im korrespondierenden Lagebericht nur dann zulässig, wenn eine andere, gleichwertige Beschreibung erfolgt. Eine gleichwertige Beschreibung liegt insbesondere dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung der Abschlussprüfung die Beschreibung der Grundzüge des Vergütungssystems (entspricht hier der „bestehenden Vergütungspraxis“) entsprechend § 120a Abs. 2 AktG auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlich ist und für mindestens zehn Jahre kostenfrei öffentlich zugänglich gehalten wird.
Zeitpunkt der Erstellung des Vergütungsberichts nach § 162 AktG
Wegen des Wortlauts des Art. 83 Abs. 1 Satz 3 EGHGB („Wurde […] bereits […] erstellt“) und weil es sich bei der rechtzeitigen Erstellung des Vergütungsberichts nach § 162 AktG um eine Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften des HGB i. d. F. des ARUG II handelt, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Abschlussprüfung des korrespondierende Abschlusses und Lageberichts vom Vorstand und Aufsichtsrat herbeiführbar ist, ist es für einen zulässigen Verzicht auf die bisherige handelsrechtliche Vergütungsberichterstattung nach Auffassung des FAB und des HFA erforderlich, dass bereits spätestens zum Zeitpunkt der Beendigung der Abschlussprüfung des korrespondierenden Abschlusses und Lageberichts ein vom Vorstand und Aufsichtsrat erstellter Vergütungsbericht nach § 162 AktG vorliegt.
Prüferischer Umgang mit einem freiwillig vorzeitig erstellten Vergütungsbericht
Dem Jahresabschlussprüfer eines Unternehmens muss in einem „Übergangsjahr“ bereits spätestens bis zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks zu diesem Jahresabschluss nebst Lagebericht ein „Vergütungsbericht“ mit den Angaben nach § 162 AktG vorgelegt worden sein. Der Abschlussprüfer muss dann im Rahmen der Jahresabschlussprüfung das ihm vorgelegte Dokument dahingehend durchsehen, ob es materiell einen Vergütungsbericht nach § 162 AktG darstellt. Es bedarf dann keines sonstigen Hinweises im Bestätigungsvermerk zum korrespondierenden Jahresabschluss und Lagebericht und auch keiner Erteilung des Bestätigungsvermerks unter einer aufschiebenden Bedingung. Die formelle Prüfung nach § 162 Abs. 3 AktG (außerhalb der Abschlussprüfung) braucht dann erst nach der Erteilung des Bestätigungsvermerks zum Jahresabschluss und Lagebericht durchgeführt zu werden.
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