Nachhaltigkeitsthemen im Fokus der Rechnungslegung

Nachhaltigkeitsthemen haben für die externe Rechnungslegung von Unternehmen eine zunehmende Bedeutung. Lange Zeit wurden ESG-Kriterien (Environment Social Governance), zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Geschäftsführung, als Teil einer internen und/oder externen Berichterstattung belächelt oder als notwendiges Übel angesehen. Gegenwärtig zeigt sich aufgrund einiger neuer Entwicklungen ein gänzlich anderes Bild.

Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene

Mit der Entscheidung der europäischen Kommission, die EU-Wirtschaft mit Hilfe des Green Deals bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen, entstehen weitreichende Folgen für alle Unternehmen innerhalb der EU.[1] Die EU sieht für den Transformationsprozess der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität einen Investitionsbedarf von ca. 1 Billion Euro. Maßgeblich für die Bereitstellung dieses Kapitals werden nicht nur Zahlungen der öffentlichen Hand, sondern insbesondere die Kapitalmärkte sein.

Die Folge sind verschiedene regulatorische Maßnahmen. Unter anderem solche Maßnahmen im Rahmen der EU-Finanzmarktregulierung, die kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken, Versicherungen, aber auch Finanzvermittler treffen bzw. betreffen werden. Hierzu zählen die

  • Offenlegungs-VO (Verordnung (EU) 2019/2088)[2] (effektiv ab 10. März 2021) zu vorvertraglichen Informationen im Finanzdienstleistungssektor,
  • die Benchmark-VO „Low Carbon Benchmark VO“ (Verordnung (EU) 2019/2089)[3] sowie
  • die Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852)[4] zur Klassifizierung nachhaltiger Investments.

Unternehmen, die zur nichtfinanziellen Berichterstattung unter der EU-Richtlinie 2014/95/EU (sog. CSR-Richtlinie) verpflichtet sind, müssen künftig in ihren nichtfinanziellen Erklärungen Angaben darüber aufnehmen, wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind. Betroffene Unternehmen müssen dann ab dem 1. Januar 2022 entsprechende Taxonomieangaben in ihre nichtfinanzielle Berichterstattung aufnehmen – einschließlich der Vorjahrsangaben.

Es bleibt abzuwarten, ob der finale Entwurf des delegierten Rechtsaktes mit Wirkung zum 1. Januar 2022 in Kraft treten kann, da die am 18. Dezember 2020 beendete öffentliche Konsultation über 46.000 eingegangene Rückmeldungen verzeichnete. Die Auswertung der Rückmeldungen dürfte eine Verzögerung des finalen Entwurfs erwarten lassen.

Zusätzlich zu den Regulierungen durch die EU lassen sich auf nationaler Ebene, bspw. durch das am 13. Januar 2020 geänderte Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, Neuerungen mit ESG-Bezug beobachten.

Die Implikationen der Anforderungen oder Hinweise sind vielfältig. Der Schwerpunkt der Anforderung scheint zunächst auf dem Kapitalmarkt zu liegen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Banken und Finanzdienstleister mit ihrem Kreditgeschäft mittelfristig Rückgriff auf den Klassifikationsrahmen und die Taxonomien nehmen müssen.

Als Konsequenz kann erwartet werden, dass Unternehmen zukünftig in Abhängigkeit von ESG-kompatiblen Investitionen unterschiedliche Refinanzierungskosten haben werden. Diverse Herausforderungen ergeben sich dann bei der Datenerhebung, z. B. bei Lieferketten, der Datenaus­wertung und des geeigneten Reportings.

Kritik an und Chancen durch ESG

Die bisher größte Kritik vieler Adressaten von ESG Informationen ist derzeit noch die geringe Anzahl von extern geprüften Daten. Die Datenqualität ist jedoch für die Bewertungszwecke diverser Investoren wichtig. Bspw. sind Banken und Real Estate-Unternehmen gehalten, geeignete ESG Daten zu erheben und entsprechende Rating- bzw. Bewertungsmodelle zu implementieren.

Die Umlenkung der Kapitalströme in Richtung Sustainable Finance bedeutet für viele Unternehmen eine Chance für neue Produkte, Dienstleistungen und die Erschließung neuer Kundensegmente. Hierzu zählt, dass Finanzprodukte oder das Fondsvermögen mit ESG-Investments in den nächsten Jahren sehr stark anwachsen werden. Die Ausgestaltung geeigneter ESG-Reportingprozesse und die Verankerung in der internen Steuerung mit geeigneten Tools sind zu empfehlen.

Fazit

Für viele Unternehmen ergeben sich grundlegende Fragen der Transformation der Wirtschaft hin zu einer Klimaneutralität mit ihren Auswirkungen u. a. für das gegenwärtige Geschäftsmodell, die Bewertung von Produktionsanlagen, immateriellen Vermögenswerten oder eines mittelfristigen  oder längerfristigen Going Concerns.

Für Rechnungslegung nach HGB und IFRS bedeutet dies, dass zukünftig vermehrt Fragen zu Bewertung und Ausweis zu beantworten sein werden.

BDO ist in diversen nationalen und internationalen Organisationen und Gremien vertreten, um die Auswirkungen von Sustainable Finance und ESG auf die Rechnungslegung und Prüfung mitzugestalten.

Der aktuelle Wildwuchs an unterschiedlichen ESG-Standards bzw. Frameworks führt zu einer zusätzlichen Komplexität und zu einer Notwendigkeit für Orientierung für betroffene Unternehmen, die sich mit bedarfsgerechten ESG Themen auseinandersetzen wollen. Über neuere Entwicklungen werden wir Sie zukünftig an dieser Stelle informieren. Sollten Sie individuelle ESG-Fragestellungen mit Rechnungslegungs-, Beratungs- und Prüfungsbezug haben, so wird BDO Sie gerne begleiten und unterstützen.

 

[1] Verfügbar unter https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de

[2] Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R2088&from=DE

[3] Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R2089&from=DE

[4] Verfügbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R0852&from=DE

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