IDW veröffentlicht Fragen & Antworten zur Erstellung des aktienrechtlichen Vergütungsberichts

Aktuelle Veröffentlichung

Am 22. Dezember 2021 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) auf seiner Website ein FAQ-Papier veröffentlicht, das den Titel "Fragen und Antworten: Erstellung eines Vergütungsberichts gemäß § 162 AktG" trägt. Das IDW geht darin auf häufig gestellte Fragen zur praktischen Umsetzung der Anforderungen des § 162 AktG an die Erstellung eines aktienrechtlichen Vergütungsberichts ein.

Hintergrund

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)[1] wurde die Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017[2] in nationales Recht umgesetzt. In diesem Zusammenhang führte der Gesetzgeber für börsennotierte Unternehmen neue gesetzliche Vorschriften zur Vergütungsberichterstattung ein.

Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft sind nach § 162 AktG zur Aufstellung eines eigenständigen, von der Rechnungslegung abgekoppelten Vergütungsberichts verpflichtet. Dies gilt für ab dem 1. Januar 2021 beginnende Geschäftsjahre. Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, ist der erste aktienrechtliche Vergütungsbericht damit für das Geschäftsjahr 2021 zu erstellen.

Inhalt

Im aktienrechtlichen Vergütungsbericht sind Angaben zur Vergütung jedes einzelnen gegenwärtigen und früheren Mitglieds des Vorstands resp. des Aufsichtsrats vorzunehmen. Darüber hinaus bedarf es Angaben zu Leistungen an Mitglieder des Vorstands sowie einer Vielzahl weiterer Einzelangaben. Wesentliche bisher erforderliche Angaben, insbes. die individualisierte Berichterstattung über die Vorstandsvergütung (§§ 285
Nr. 9a Sätze 5 ff., 314 Abs. 1 Nr. 6a, Sätze 5 ff. HGB a.F.) sowie über die Grundzüge des Vergütungssystems
(§§ 289a Abs. 2, 315 Abs. 2 Satz 1 HGB a.F.), wurden aus dem (Konzern-)Anhang bzw. dem (Konzern-)
Lagebericht herausgelöst und – zumeist in erheblich veränderter Ausgestaltung - in den neuen Vergütungsbericht nach § 162 AktG verlagert. Im (Konzern-)Anhang bleibt es bei den nicht-individualisierten, bereits bisher erforderlichen Angaben (z.B. die sog. Gesamtbezügeangabe) ohne weitere Differenzierung zwischen börsennotierten AGs und anderen Unternehmen.

Ausblick

§ 162 AktG wirft eine Reihe von Auslegungsfragen auf. Das IDW möchte die Praxis unterstützen, indem es sich dazu positioniert. Bei den Antworten handelt es sich um Handlungsempfehlungen an die Praxis, also ausdrücklich um nicht verbindliche Hinweise zur Auslegung des § 162 AktG.

Überblick über die Positionen des IDW

Nachfolgend geben wir einen – notwendigerweise verkürzten - Überblick zu ausgewählten, vom IDW dargestellten Aspekten.

Begriffspaar „gewährt“ und „geschuldet“ (Seite 2 ff.)

§ 162 Abs. 1 Satz 1 AktG verwendet die Begriffe „gewährt“ und „geschuldet“. Von diesen Merkmalen hängt es ab, in welchem Vergütungsbericht für welches Jahr eine Vergütung anzugeben ist, denn eine aufwandsbezogene „Abgrenzung“ verfolgt § 162 AktG nicht. 

Weil sich dies aus der Auslegung der Gesetzesbegründung ergibt, bezeichnet es das IDW als „sachgerecht“, eine Vergütung dann im Vergütungsbericht anzugeben, wenn sie im Berichtsjahr tatsächlich zugeflossen (= gewährt) oder die zugrunde liegende Verpflichtung fällig ist (= geschuldet). In der Praxis wurde unter Verweis auf das Informationsinteresse der Analysten der Wunsch artikuliert, Vergütungen bereits im Vergütungsbericht für das (frühere) Geschäftsjahr anzugeben, in dem die der Vergütung zugrunde liegende (ein- oder mehrjährige) Tätigkeit, die der Vergütung zugrunde liegt, vollständig erbracht worden ist. Immerhin findet sich in der Gesetzesbegründung die Aussage, der genaue Zuflusszeitpunkt solle nicht reguliert werden, sondern es könne der Praxis überlassen bleiben zu klären, wann dieser Zeitpunkt anzunehmen sei. Dem IDW reicht diese Fiktion aus, diese von der Praxis begehrte Sichtweise unbeanstandet zu lassen.

Wird also bspw. der Jahresbonus 2021 erst im Jahr 2022 fällig und ausgezahlt, ist es sachgerecht, ihn im Vergütungsbericht 2022 anzugeben. Wenn die zugrunde liegende Tätigkeit aber bereits vollständig im Jahr 2021 erbracht worden ist, ist es nicht unvertretbar, ihn bereits im Vergütungsbericht 2021 anzugeben. Die stetig anzuwendende Vorgehensweise bedarf der Erläuterung im Vergütungsbericht.

Tätigkeit (Seite 6)

Zwar geht aus dem Wortlaut des § 162 AktG nicht explizit hervor, ob die Vergütung für sämtliche oder lediglich für bestimmte Tätigkeiten angabepflichtig sind. Sachgerecht ist nach Auffassung des IDW, die Vergütung nur insoweit anzugeben, wie sie die Vorstands- bzw. Aufsichtsratstätigkeit vergütet.

Gesetzlich explizit ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob nur die Vergütung für die Organtätigkeit bei der berichtenden Gesellschaft oder ob auch Vergütungen anzugeben sind, die das Organmitglied der berichtenden Gesellschaft als Gegenleistung für die Organtätigkeit bei einem bzw. für einen anderen Rechtsträger desselben Konzerns erhält. Wenn die Organtätigkeiten für die berichtende Gesellschaft und die andere Konzerngesellschaft miteinander sachlich verknüpft sind, bezeichnet es das IDW als sachgerecht, auch die entsprechenden Vergütungen durch die anderen Konzerngesellschaften in die Vergütung des Organmitglieds der berichtenden Gesellschaft einzubeziehen. Wenn eine solche sachliche Verknüpfung nachweislich nicht besteht, sei dies indes nicht notwendig. Dennoch sei es auch in diesem Fall zulässig, die Vergütung für die Organtätigkeit für eine andere Konzerngesellschaft in die Vergütung des Organmitglieds der berichtenden Gesellschaft einzubeziehen. Im Zweifel, also wenn das Bestehen einer sachlichen Verknüpfung nicht nachweislich entkräftet werden kann, bestehe die Vermutung, dass eine solche Verknüpfung besteht.

Hinterbliebene (Seite 7)

Die Angabepflichten des § 162 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG gelten zwar für ehemalige Organmitglieder, nach Auffassung des IDW nicht aber für Hinterbliebene, also Witwen, Witwer oder Waisen, früherer Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats.

Vergleichende Darstellung (Seite 8 ff.)

Gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG ist eine vergleichende Darstellung der jährlichen Veränderung

  • der (Gesamt-)Vergütung des jeweiligen Organmitglieds,
  • der Ertragsentwicklung der Gesellschaft sowie
  • der Durchschnittsvergütung der Arbeitnehmer (Vollzeitäquivalent)

einschließlich einer Erläuterung, welcher Kreis von Arbeitnehmern einbezogen wurde, zwingender Bestandteil des Vergütungsberichts. Der Satzbau des deutschen Gesetzestextes ist missglückt und weicht von den zwingend in nationales Recht umzusetzenden Vorgaben der EU-Richtlinie ab. Die gebotene richtlinienkonforme Auslegung[3] führt zu der Schlussfolgerung, dass zwingend für die letzten fünf Geschäftsjahre jeweils die jährliche Veränderung der Vergütung der Organmitglieder, der Ertragslage der Gesellschaft und der durchschnittlichen Arbeitnehmervergütung gegenüber zu stellen ist, also für jeden der berichtspflichtigen Parameter jeweils eine Angabe zur Veränderung zwischen vergangenem und vorvergangenem Geschäftsjahr, zwischen vorvergangenem Geschäftsjahr und dem davor liegenden Geschäftsjahr und so fort.[4] Dies bezeichnet auch das IDW als sachgerecht. Im Hinblick auf die erstmalige Anwendung des § 162 AktG sei es sachgerecht, für die Organvergütung und die Ertragsentwicklung vom ersten Jahr an einen vollen Fünf-Jahres-Vergleich darzustellen, da die gesetzlichen Regelungen zur Erstanwendung ein sog. „Hineinwachsen“ nur für die Arbeitnehmervergütung erlauben.

Hinzuweisen ist darauf, dass das IDW hinsichtlich zweier Aspekte von der als sachgerecht bezeichneten Auslegung abweichende Auffassungen zulassen möchte:

  • Mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut kann es nach Auffassung des IDW unbeanstandet bleiben, wenn nur die jährliche Veränderung der durchschnittlichen Arbeitnehmervergütung über die letzten fünf Geschäftsjahre berichtet, während für die übrigen Vergleichsgrößen eine jährliche Veränderung angegeben wird.
  • Aus diesem Grund soll es nach Auffassung des IDW auch unbeanstandet bleiben können, wenn die Gesellschaft in den Vertikalvergleich mit allen drei Vergleichsgrößen „hineinwächst“, d.h. im ersten Jahr für alle drei Vergleichsgrößen nur die Veränderung von 2021 gegenüber 2020 angibt.

Besondere Angaben zu Aktienoptionen und Aktien

Gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG sind

  • die Anzahl der gewährten oder zugesagten Aktien und Aktienoptionen sowie
  • deren wichtigsten Ausübungsbedingungen und auch etwaige Änderungen dieser Bedingungen

angabepflichtig. Anders als für echte Aktienoptionen und Aktien gehen für aktienbasierte Vergütungen mit Barausgleich (bspw. Stock Appreciation Rights) aus § 162 AktG keine Angabepflichten hervor. Nach Auffassung des IDW reicht es aus, die nach § 162 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG erforderlichen Angaben auf solche Aktienoptionen und Aktien zu beschränken, die im Berichtsjahr gewährt oder zugesagt wurden. Die Angaben zu einem „Entwicklungsspiegel“ auszuweiten, wird aber empfohlen.

Doppelangaben

Da das aktienrechtliche Konzept zur Zuordnung eines Vergütungsbestandteils zu einer Berichtsperiode vom Konzept nach HGB abweicht, kann es vorkommen, dass ein Vergütungsbestandteil im Vergütungsbericht gem. § 162 AktG nochmals angabepflichtig ist, obwohl er bereits in einem handelsrechtlichen Vergütungsbericht angabepflichtig war.

Ausblick

Voraussichtlich wird das IDW den Fragen- und Antworten-Katalog ergänzen, wenn sich im Rahmen der erstmaligen Anwendung der neuen Vorschriften weitere Auslegungsfragen stellen.

 

[1] BGBl 2019, Teil I, S. 2637-2651.

[2] ABl EU 2017 Nr. L 132, S. 1-25.

[3] Koch, in: Hüffer/Koch (Hrsg.), AktG, § 162 Rn. 6.

[4] Bayer/Scholz, in: Henssler (Hrsg.), Beck Online Großkommentar, § 162 AktG Rn. 84, 92; Spindler, in: MüKo-AktG - Nachtrag zum ARUG II, § 162 AktG Rn. 46.

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