Europäische Komission überprüft Mehrwertsteuervorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen

Hintergrund der Initiative

Auf Basis der derzeit geltenden Mehrwertsteuerrichtlinie sind die meisten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit. Dies hat zur Folge, dass Anbieter von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen in der Regel kein, oder nur ein eingeschränktes Recht auf Vorsteuerabzug besitzen. Dadurch wird die Mehrwertsteuer bei Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor häufig zu einem Kostenfaktor, der durch die Preisgestaltung häufig an die Kunden weitergegeben wird.

Zwar ermöglichen einige Instrumente der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie z.B. die Besteuerungsoption oder die Bildung von Mehrwertsteuergruppen, die Belastung durch sog. versteckte Mehrwertsteuer zu reduzieren. Aber auch dies ist einer stetigen Entwicklung u.a. durch die Rechtsprechung auf EU-Ebene unterworfen (vgl. Urteil in der Rechtssache Skandia vom 17.09.2014, C-7/13, Urteil in der Rechtssache Danske Bank vom 11. März 2021, C-812/19).

Darüber hinaus sind die Regelungen für Finanzdienstleistungen sehr komplex und werden in der Praxis EU-weit nicht immer einheitlich angewendet. Dies führt zu Verzerrungen innerhalb der EU und zu Rechtsunsicherheiten, was sich auch in den zahlreichen Gerichtsverfahren vor dem EuGH im Bereich der Mehrwertsteuer zeigt.

Aufgrund der vielfältigen und sich schnell entwickelnden Arten von Finanzdienstleistungen (z.B. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen, E-Geld und dem Hochfrequenzhandel) sowie deren regulatorischem Kontext, führt dies zu einer ebenso komplexen Anwendung betreffend der Ausnahmeregelungen zur Befreiung dieser Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer.

Zusammenfassend führt die Steuerbefreiung der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen aufgrund der oben genannten Schwierigkeiten u.a. zu einer Verringerung der Effizienz, einem hohen Verwaltungsaufwand sowie zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen, die ähnliche, nicht steuerbefreite Dienstleistungen erbringen, oder gegenüber Unternehmen, die in Drittländern außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer tätig sind.

Ziele

Mit einer Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften soll insbesondere die Komplexität der anzuwendenden Vorschriften reduziert werden und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Aus Sicht der EU-Kommission soll auf diese Weise ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes gestärkt werden und generell ein Beitrag zur umfassenderen Überarbeitung des Mehrwertsteuersystems geleistet werden, um es robuster und effizienter zu machen. 

Zur Diskussion stehende Maßnahmen

Folgenden Lösungsansätze für eine Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen werden im Rahmen der Konsultation von der EU- Kommission aufgeführt:

  • Abschaffung der Steuerbefreiung

Hierbei könnten mehrere Alternativen in Betracht gezogen werden. So könnten z. B. Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (alle oder einige Arten) zum Regelsatz besteuert werden, oder es könnten auch ermäßigte Sätze zugelassen und gleichzeitig ein Mindeststeuersatz festgelegt werden.

  • Beibehaltung der Steuerbefreiung, jedoch Änderung ihres Anwendungsbereichs, indem nur bestimmte Arten von Dienstleistungen besteuert werden, z. B. gebührenbasierte im Gegensatz zu zinsbasierten Dienstleistungen.
  • Einführung eines einheitlichen Optionsmodells zur Anwendung einer Kostenverteilungsregelung für den Finanz- und Versicherungssektors im Binnenmarkt.

Anmerkungen

Durch Beantwortung  eines Fragebogens kann die Öffentlichkeit noch bis zum 03.05.2021 durch Teilnahme am Konsultationsverfahren Stellung beziehen.

Ein geplanter Vorschlag zur Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen soll im 4. Quartal 2021 unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der öffentlichen Konsultation erfolgen.