Blickpunkt: Angaben zu berichtspflichtigen Segmenten nach IFRS 8.23

Zugrunde liegende Anfrage beim IFRS IC

Das IFRS IC erhielt eine Anfrage zu folgenden Fragestellungen (wir berichteten in Bulletin Nr. 3-2024):
  • Notwendigkeit der Angabe der nach IFRS 8.23(a)-(i) geforderten Beträge für jedes berichtspflichtige Segment, wenn diese Beträge durch den Hauptentscheidungsträger (chief operating decision maker - CODM) nicht überprüft werden;
  • Verpflichtung eines Unternehmens nach IFRS 8.23(f) Angaben zu den wesentlichen Ertrags- und Aufwandsposten (material items of income and expense), die gemäß IAS 1.97 genannt werden, für jedes berichtspflichtige Segment zu tätigen, wenn das Unternehmen diese Beträge unter Anwendung einer anderen Vorschrift als IAS 1.97 ausweist bzw. angibt,
  • Bestimmung der „wesentlichen“ Posten nach IFRS 8.23(f): Ist ausschließlich von einer qualitativen Wesentlichkeit auszugehen? Sind wesentliche Posten auch solche, die eine Zusammenfassung quantitativ einzeln unwesentlicher Posten enthalten? Bezieht sich die Wesentlichkeit auf den Abschluss als Ganzes oder das jeweilige berichtspflichtige Segment?

Klarstellung des IFRS IC

Nach Befassung mit der Anfrage schlussfolgerte das IFRS IC in seiner vorläufigen Agenda Decision im November 2023, dass

  • die in IFRS 8.23(a)-(i) geforderten Angaben für jedes berichtspflichtige Segment anzugeben seien, wenn diese Beträge in der Bemessung des Gewinns oder Verlusts des Segments (bottom-line) enthalten sind, die der Hauptentscheidungsträger regelmäßig überprüft – auch wenn diese nicht dem CODM vorgelegt werden - oder diesem regelmäßig vorgelegt werden – auch wenn diese Beträge keinen Eingang in das Segmentergebnis finden;
  • für Zwecke der Angabe nach IFRS 8.23(f) auf wesentliche Beträge i.S.v. IAS 1.97 abzustellen ist.
    • a) Die Wesentlichkeit bezieht sich dabei auf die Definition in IAS 1.7 und ist auf den Abschluss als Ganzes (as a whole) anzuwenden.
    • b) Das berichtspflichtige Unternehmen hat IAS 1.30 und .31 zu berücksichtigen, um festzulegen, in welchem Aggregationsgrad es Informationen bereitstellt.
    • c) Bei der Beurteilung, ob ein Ertrags- oder Aufwandsposten wesentlich ist, sind sowohl qualitative als auch quantitative Faktoren zu berücksichtigen, die die Art oder den Umfang der Information oder beides repräsentieren.
    • d) Das Unternehmen hat keine wesentlichen Posten auszulassen, die in Anwendung anderer IFRS-Vorschriften als IAS 1.97 dargestellt oder angegeben werden.

Das IFRS kam zu dem Schluss, dass die bestehenden Regelungen eine ausreichende Basis für die Anwendung der Angabepflichten nach IFRS 8.23 darstellten und sah demnach von einem Standardsetting-Projekt ab.

Eingang zahlreicher Comment Letter und Vornahme von Klarstellungen am Wording der finalen Agenda Decision

Zu der veröffentlichten vorläufigen Agenda Decision erhielt das IFRS IC 27 Comment Letter. Während zum ersten Teil der Fragestellung überwiegend Konsens bestand, ergingen zum zweiten Teil der Fragestellungen zahlreiche kritische Rückmeldungen. 18 Verfasser von Comment Lettern stimmten dem zweiten Teil zur Frage nach der Bestimmung der Wesentlichkeit nicht zu. Nach zahlreichen Rückmeldungen bestünde die Gefahr, die Regelungen aus dem zweiten Teil der Agenda Decision könnten derart interpretiert werden, dass ein Unternehmen verpflichtet sei, eine vollständige Gewinn- und Verlustrechnung für jedes berichtspflichtige Segment darzustellen. Dies würde zu wesentlichen Änderungen in der Praxis führen und andere Angabepflichten aus IFRS 8.23 obsolet werden lassen. Nach Auffassung des IFRS IC kann eine solche Interpretation weder vom IASB gewollt sein, noch würden die Regelungen des IFRS 8.23 eine solche Interpretation unterstützen. Insofern fand dieser Hinweis auch Eingang in das geänderte Wording der finalen Agenda Decision.

Das IFRS IC ergänzte die vorläufige Agenda Decision entsprechend mit zusätzlichen Klarstellungen (Addendum zum IFRS IC Update June 2024).

  • So wurde Punkt a) der Agenda Decision insoweit angepasst, dass Unternehmen IAS 1.7 anzuwenden haben und zu beurteilen haben, ob ein Ertrags- oder Aufwandsposten wesentlich im Verhältnis zum Abschluss als Ganzes ist. 
  • Punkt c) der Agenda Decision wurde angepasst, um klarzustellen, dass die Begriffe „qualitative and quantitative factors“ die Bedeutung von Art oder Umfang der Informationen bei der Beurteilung, ob ein Ertrags- oder Aufwandsposten wesentlich ist, erläutern. Demnach hat ein Unternehmen qualitative oder quantitative Faktoren oder beides zu berücksichtigen, wenn es beurteilt, ob ein Ertrags- oder Aufwandsposten wesentlich ist. 
  • Punkt d) der Agenda Decision wurde dahingehend geändert, dass ein Unternehmen „circumstances including, but not limited to, those in Paragraph 98 of IAS 1“ berücksichtigt. Das IFRS IC geht davon aus, dass dies die Wechselwirkung zwischen IAS 1.97 und IAS 1.98 besser erklärt als dies in der vorläufigen Agenda Decision der Fall war.2 

Bestätigung durch den IASB

Der IASB legte in der anschließenden IASB-Sitzung vom 24.07.2024 kein Veto ein, so dass die finale Agenda Decision beschlossen wurde und demzufolge verpflichtend anzuwenden ist, sofern der Sachverhalt bei einem bilanzierenden Unternehmen einschlägig ist. Agenda Decisions sind in angemessener Zeit (sufficient) umzusetzen. Insofern hat die Klarstellung des IFRS IC bereits Auswirkungen auf Abschlüsse zum 31.12.2024.

Auswirkungen für die Bilanzierungspraxis

Die Klarstellung des IFRS IC zur Angabe wesentlicher Posten nach IFRS 8.23(f) dürfte zu einigen Änderungen in der Praxis führen, da bisher Unklarheit darüber bestand, in welchem Ausmaß diese Angaben zu tätigen sind bzw. wie die geforderte Wesentlichkeit der Posten auszulegen sei. So stellte sich die Frage, ob sogar sämtliche einschlägige GuV-Posten auf Segmentebene darzustellen seien, um der Angabepflicht zu genügen. Aus den Rückmeldungen ergab sich, dass einige Anwender die Regelungen bisher derart interpretiert hatten, dass nicht alle wesentlichen Posten gemäß IAS 1.97 anzugeben sind, sondern lediglich Posten aufgrund besonderer Vorgänge in Anlehnung an IAS 1.98. Insofern wurde in der Praxis bisher IAS 1.98 oftmals als Konkretisierung der Regelungen von IAS 1.97 interpretiert.

Das IFRS IC hat nunmehr klargestellt, dass die Lesart von IAS 1.98 so zu verstehen ist, dass neben den nach IAS 1.97 als wesentlich zu qualifizierenden Posten, auch Posten separat auszuweisen sind, die aus besonderen Vorgängen resultieren, wie z.B. außerplanmäßige Abschreibungen oder die Veräußerung von Sachanlagen. IAS 1.98 stellt damit keine Konkretisierung der unter IAS 1.97 genannten Posten dar. Insofern stellte das IFRS IC noch einmal klar, dass die in IAS 1.98 angegeben Umstände Beispiele darstellten, demnach keine abschließende Aufzählung, die den Anwendungsbereich von IAS 1.97 weder erweitert noch einschränkt.4  Damit sind nach IFRS 8.23(f) sämtliche Posten anzugeben, die gemäß IAS 1.97 – bezogen auf den Abschluss als Ganzes – wesentlich sind, und zwar unabhängig davon, ob ein in IAS 1.98 genannter Sachverhalt vorliegt. Es kommt demnach nicht auf das Vorliegen sog. unusual items an. IFRS 8.23(f) verlangt nach explizitem Hinweis des IFRS IC hierbei keine Angabe aller Posten auf Segmentebene, sondern nur wesentlicher.

Auch sei es für die Auslegung der Wesentlichkeit nach IFRS 8.23(f) gemäß IFRS IC nicht maßgeblich auf einschlägige bzw. vergleichbare US GAAP-Regelungen abzustellen (die abweichend vom IASB anstelle von „material items“ die Bezeichnung „unusual items“ verwenden), da insofern kein Fall von IAS 8.10-12 vorläge, der bei Fehlen eines IFRS das Heranziehen von Regelungen anderer Standardsetzer, wie US GAAP, vorsieht, da IFRS 8 ausreichende Regelungen hierzu enthalte. IFRS 8.BC60 überinterpretiere nicht die Regelungen in IFRS 8.23(f). So kann ein Ertrags- oder Aufwandsposten, der gemäß IAS 1.97 angegeben wird, gemäß IFRS IC qualitativ wesentlich sein – ohne gleichzeitig „unusual“ zu sein.5  Gemäß Rückmeldungen aus den Comment Letter wurde IAS 1.97 bisher so interpretiert, dass nicht alle wesentlichen Posten anzugeben seien, sondern lediglich Posten aufgrund besonderer Vorgänge in Anlehnung an IAS 1.98.

Die Bestimmung der Informationen, die für jedes berichtspflichtige Segment anzugeben sind, liegt gemäß IFRS IC im Ermessen der Unternehmen, die hierzu das Kernprinzip von IFRS 8 berücksichtigen, wonach Informationen anzugeben sind, die es den Abschlussadressaten ermöglichen, die Art und die finanziellen Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten, denen es nachgeht, sowie das wirtschaftliche Umfeld, in dem es tätig ist, beurteilen zu können.

Die Bedeutung der Klarstellung sowie deren Konsequenzen für die Praxis, seien in nachfolgendem Beispiel verdeutlicht.

 

Abschluss

Segment „Tools“

Segment „Mechanics“

Segment „Optics“

Umsatzerlöse

1.000 350 320 330

Materialaufwand

300 120 80 100

Personalaufwand

 

200 120 60 20

EBIT

500 110 180 210

 

Die Wesentlichkeit des Abschlusses als Ganzes soll in dem vorliegenden Beispiel 100 betragen. Nach einer Lesart der finalen Agenda Decision wären z.B. für das Segment „Tools“ im vorliegenden Beispiel die Posten Umsatzerlöse, Materialaufwand und Personalaufwand nach IFRS 8.23(f) anzugeben.


1 Vgl. IFRS IC, AP2 comment letters on Tentative Agenda Decision, Staff Paper, June 2024, p.16.
2 Vgl. IFRS IC, AP2 comment letters on Tentative Agenda Decision, Staff Paper, June 2024, p.14.
3 Vgl. IFRS IC, AP2 comment letters on Tentative Agenda Decision, Staff Paper, June 2024, p.9.
4 Vgl. IFRS IC, AP2 comment letters on Tentative Agenda Decision, Staff Paper, June 2024, p.13.
5 Vgl. IFRS IC, AP2 comment letters on Tentative Agenda Decision, Staff Paper, June 2024, p.13.