Bilanzierungsfähigkeit von Krypto-Token aus Hard Forks und Airdrops

Anlass und Problemstellung

Im bisherigen Diskurs über die Bilanzierung von Krypto-Token, wie z.B. die Kryptowährung „Bitcoin“, wird häufig die Zugangsart „Erwerb“ (explizit oder implizit) unterstellt. Gerade mit anderen Zugangsarten als dem Erwerb sind allerdings ebenfalls wesentliche Fragestellungen mit Blick auf die bilanzrechtliche Charakterisierung des Zugangs und der damit eng verknüpften bilanziellen Abbildung verbunden.

Besondere bilanzielle Herausforderungen ergeben sich etwa, wenn einem nach IFRS bilanzierenden Unternehmen „ohne eigenes Zutun“ neue Krypto-Token zufließen, d.h. keine unmittelbare Gegenleistung für den Erhalt erbracht wird. Dies betrifft insbesondere die Zugänge von Krypto-Token im Rahmen eines

  • sog. Hard Forks und
  • sog. Airdrops.

Technischer Hintergrund von Hard Forks

Bei der Weiterentwicklung von Kryptowährungen, die auf einer eigenen Blockchain basieren, ist zwischen sog. Soft Forks („weiche Gabelung“) und sog. Hard Forks („harte Gabelung“) zu unterscheiden. Infolge eines Soft Forks können die auf der Blockchain agierenden Parteien weiterhin miteinander kommunizieren, da die alte und die neue Version der Software kompatibel sind. Bei einem Hard Fork hingegen sind die Versionen nicht miteinander kompatibel. Vielmehr bestehen dann zwei voneinander unabhängige Blockchains, die bis zur harten Gabelung eine gemeinsame Transaktionshistorie aufweisen. Angesichts der gemeinsamen Transaktionshistorie erhalten die Inhaber der ursprünglichen Krypto-Token bei einem Hard Fork zusätzliche neue (artgleiche) Krypto-Token der neuen Blockchain.

Ein prominentes Beispiel ist der Hard Fork der Bitcoin-Blockchain im August 2017. Im Zusammenhang dieses Hard Forks erhielten sämtliche Bitcoin-Inhaber neue Bitcoin Cash-Werteinheiten in äquivalenter Anzahl entsprechend ihrem jeweiligen Bitcoin-Bestand.

Anknüpfungspunkte für die bilanzielle Charakterisierung des Zugangs bei einem Hard Fork

Fraglich ist, wie der Zugang der durch einen Hard Fork neu erhaltenen Werteinheiten bilanzrechtlich zu charakterisieren ist. Da der Inhaber der aus einem Hard Fork resultierenden, neuen Werteinheit keine direkte Gegenleistung oder andersartige Leistung für deren Erhalt erbringt, scheidet eine Charakterisierung als (entgeltlicher) Anschaffungsvorgang (oder Herstellungsvorgang) aus. Auch ein Tauschvorgang liegt insofern nicht vor, als keine Werteinheiten des ursprünglichen Tokens abgegeben werden müssen. Charakteristische Parallelen bestehen aufgrund der fehlenden Gegenleistung vielmehr zu einer Schenkung, wenngleich es nicht unmittelbar zu einem Vermögensabfluss bei einer anderen Partei kommt.

Zum einen ist die Charakterisierung als Schenkung indes nicht ganz zweifelsfrei, zum anderen enthalten die IFRS für Schenkungen ohnehin keine (konkreten) Regelungen. Daher ist hier auf die allgemeinen Grundsätze abzustellen.

Allgemeine Bilanzierungsfähigkeit

Krypto-Token erfüllen die allgemeinen Definitionskriterien eines Vermögenswertes des Conceptual Framework (2018) gem. CF.4.3 ff. So ist ihnen – unabhängig von der Zugangsart – aufgrund eines vergangenen Ereignisses zumindest das Potenzial inhärent, zu einem künftigen wirtschaftlichen Nutzenzufluss (etwa als Tauschmittel) zu führen, welcher vom Inhaber der Werteinheiten mittelbar oder unmittelbar kontrolliert wird. Der Ansatz eines Vermögenswertes ist i.S.d. Conceptual Framework jedoch nur dann geboten, wenn auch die allgemeinen Ansatzkriterien erfüllt werden, d.h., wenn der Ansatz zur Vermittlung von relevanten und glaubwürdig dargestellten Informationen über den entsprechenden Sachverhalt führt (CF.5.7). Der Nichtansatz eines Vermögenswertes aufgrund der Nichterfüllung der Ansatzkriterien ist jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig.

Der Ansatzfähigkeit von aus einem Hard Fork neu zugegangenen Krypto-Token kann v.a. die hohe Bewertungsunsicherheit (measurement uncer-tainty) entgegenstehen, und zwar dann, wenn für die Token zum Zugangszeitpunkt (noch) kein Marktpreis beobachtbar ist (Regelfall). In diesem Fall ist die Ansatzfähigkeit nur dann gegeben, wenn die alternative Wertfindung mit einem für bilanzielle Zwecke akzeptablen Maß an Bewertungsunsicherheit verbunden ist.

Wertfindung, wenn kein Marktpreis beobachtet werden kann

Zur Wertfindung von Krypto-Token, für die kein Marktpreis beobachtet werden kann, kämen i.S.e. Level-3-Bewertung des beizulegenden Zeitwertes prinzipiell modellgestützte Verfahren infrage. Die Entwicklung von modellgestützten Verfahren für die Bewertung von Krypto-Token steckt jedoch in der Wissenschaft und der Praxis noch in den Kinderschuhen. Es haben sich, soweit ersichtlich, noch keine belastbaren Modelle etabliert, anders als etwa in der Unternehmensbewertung. Vor diesem Hintergrund und weil die Akzeptanz der neuen Krypto-Token aus einem Hard Fork im Wirtschaftsverkehr zum Zugangszeitpunkt oftmals noch nicht absehbar sein dürfte, wird eine modellgestützte Bewertung von Token regelmäßig zu einer weiten Streuung von möglichen Werten führen. Ebendies ist gem. CF.5.20 (a) (analog) ein Szenario, bei dem die Bewertungsunsicherheit ein derart hohes Maß annehmen kann, dass der Anforderung an eine glaubwürdige Darstellung des Vermögenswertes durch den Ansatz nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Eine Aktivierung ist daher (zum jetzigen Zeitpunkt) abzulehnen, sofern die Bewertung der mittels Hard Fork neu zugegangenen Krypto-Token auf einer rein modellgestützten Bewertungstechnik gründet.

Weiterhin wäre es – insbesondere aus Objektivierungsgesichtspunkten - denkbar, zur Wertfindung auf den Preisrückgang der ursprünglichen Krypto-Token abzustellen. So wird sich zum Zeitpunkt des Hard Forks der Preis des ursprünglichen Tokens regelmäßig mindern, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass mit dem neuen Token eine neue unmittelbare Konkurrenz für den ursprünglichen Token entstanden ist. Da die Blockchain lediglich aufgeteilt wird, könnte vermutet werden, dass zum Zeitpunkt des Hard Forks bzw. zum Zeitpunkt seiner Ankündigung die Summe aus den Werten des ursprünglichen und des neuen Tokens theoretisch dem Wert des ursprünglichen Tokens unmittelbar vor dem Hard Fork entsprechen müsste. Demnach könnte der Preisrückgang des ursprünglichen Tokens jenen Wert determinieren, der dem neuen Token beizumessen ist.

Dagegen spricht jedoch erstens in praktischer Hinsicht, dass es regelmäßig nicht ohne weiteres möglich sein wird, den (potenziellen!) Preisrückgang des ursprünglichen Krypto-Tokens isoliert auf den Effekt aus dem Hard Fork zu reduzieren. Zweitens spricht aus inhaltlicher Sicht dagegen, dass der Preisrückgang des ursprünglichen Tokens bestenfalls ein Indikator für den Wert des neuen Tokens, keinesfalls aber ein für bilanzielle Zwecke hinreichend glaubwürdiger Wert sein kann. Schließlich entsteht durch den Hard Fork ein neuer Krypto-Token, dessen wirtschaftliches Nutzenpotenzial von den konkreten Erwartungen der (potenziellen) Nutzer in Bezug auf ebendiesen neuen Token abhängt.

Eine Wertermittlung der neuen Krypto-Token in Abhängigkeit von dem Wert des ursprünglichen Tokens kann folglich nicht überzeugen. Auch eine Aufteilung des bisherigen Buchwertes der ursprünglichen Krypto-Token auf die ursprünglichen und die neuen Token, wie es insbesondere im steuerlichen Kontext diskutiert wird, kommt aus den genannten Gründen nicht infrage.

Die hier (an-)diskutierten Bewertungsverfahren für die aus einem Hard Fork zugegangenen Krypto-Token, für die kein Marktpreis vorliegt, sind u.E. (noch) nicht hinreichend geeignet, um den allgemeinen Ansatzkriterien des Conceptual Framework genügen zu können. Ein Ansatz dieser Token scheidet somit zum Zugangszeitpunkt aufgrund der hohen Bewertungsunsicherheit aus.

Beobachtbarer Marktpreis

Ist (ausnahmsweise) bereits zum Zugangszeitpunkt ein Preis für die neuen Krypto-Token am Markt beobachtbar, reduziert dies die Bewertungsunsicherheit erheblich, insbesondere wenn der Token an einer (Krypto-)Handelsplattform gehandelt wird. Gerade dann, wenn der Preis an einem aktiven Markt i.S.d. IFRS 13 beobachtet werden kann, wird die Preisstellung hinreichend objektiviert. In diesem Fall sind die allgemeinen Ansatzkriterien erfüllt, ein Ansatz ist dann geboten.

Fraglich könnte sein, ob die allgemeinen Ansatzkriterien auch dann erfüllt sind, wenn zwar ein Preis am Markt beobachtet werden kann, es sich aber bei diesem Markt um einen nicht aktiven Markt handelt. In einem solchen Fall ist die Preisstellung mitunter weniger aussagekräftig. Durch den Marktbezug wird der beobachtbare Preis gleichwohl insofern objektiviert, als seine Ermittlung – abseits von ggf. erforderlichen Anpassungen (z.B. mit Blick auf die Liquidität) – nicht in der Sphäre des bilanzierenden Unternehmens liegt. Die allgemeinen Ansatzkriterien sind daher auch hier erfüllt. In der Konsequenz ist ein Ansatz von mittels Hard Fork zugegangenen Krypto-Token, für die ein Preis auf einem nicht aktiven Markt beobachtet werden kann, geboten. Dies auch deshalb, weil nur in Ausnahmefällen der Ansatz eines Vermögenswertes aufgrund von Bewertungsunsicherheit zu unterbleiben hat.

Aus diesen Überlegungen folgt, dass ein Ansatz von mittels Hard Fork zugegangenen Krypto-Token, die zum Zugangszeitpunkt mangels eines beobachtbaren Marktpreises nicht angesetzt wurden, gleichwohl dann geboten ist, sobald ein Marktpreis an einem aktiven Markt oder an einem nicht aktiven Markt beobachtet werden kann. Dies dürfte oftmals zeitnah nach dem Hard Fork der Fall sein.

Technischer Hintergrund von Airdrops

Während bei einem Hard Fork ein neuer Krypto-Token als technisch bedingtes „Nebenprodukt“ von Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Weiterentwicklung eines Blockchain-Projekts automatisch entsteht, handelt es sich bei einem Airdrop um eine bewusste, von einer einzelnen Partei initiierte Ausgabe von Krypto-Token, typischerweise von sog. Utility-Token. Insofern besteht hier – anders als bei einem Hard Fork – keine unmittelbare Verbindung zu einem bereits bestehenden Token.

Die Verteilung erfolgt bei einem Airdrop regelmäßig entweder an die Inhaber (bzw. Wallet-Adressen) eines anderen Krypto-Token oder erfordert die Erfüllung von bestimmten Bedingungen, z.B. die Unterstützung des Projekts in sozialen Medien via „Likes“ oder „Shares“. Die Intention eines Airdrops besteht aus Sicht der ausgebenden Partei insbesondere darin, Aufmerksamkeit für das neue Blockchain-Projekt zu generieren und die Nutzerbasis zu erhöhen.

Anknüpfungspunkte für die bilanzielle Charakterisierung des Zugangs und Übertragung der bisherigen Ergebnisse auf Airdrops

Mittels Airdrop zugegangenen Krypto-Token liegt weder ein Erwerb (inkl. Tausch) noch ein Herstellungsvorgang zugrunde. Vielmehr weisen die Charakteristika dieser Zugangstransaktion wesentliche Parallelen zu der eines Hard Forks auf, insbesondere auch in Bezug auf die Bewertungsunsicherheit zum Zugangszeitpunkt. So ist auch bei einem Airdrop bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der erhaltene, neue Token an einem Handelsplatz notiert ist oder sich anders ein Marktpreis ableiten lässt, keine für bilanzielle Zwecke hinreichend belastbare Wertfindung möglich. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass allein die Ausgabe der Token im Rahmen eines Airdrops ohne die tatsächliche Einsatzmöglichkeit auf der von der ausgebenden Partei regelmäßig noch aufzubauenden Plattform nicht zu einem intrinsischen Wert der Token führt. Vielmehr ist die Werthaltigkeit dieser Token höchst fraglich, auch mit Blick auf den Umstand, dass es für die emittierende Partei nicht mehr bzw. weniger Kosten verursacht, mehr bzw. weniger Token zu erstellen und an ggf. beliebig viele Parteien zu verteilen.

Es ist folglich sachgerecht, die Ergebnisse zur Bilanzierung von Krypto-Token aus einem Hard Fork auf die Bilanzierung jener Token aus Airdrops zu übertragen. Mithin sind die mittels Airdrop zugegangenen Krypto-Token u.E. erst dann bilanziell anzusetzen, wenn ein beobachtbarer Marktpreis vorliegt.

 


In Anlehnung an Kirsch/von Wieding/Höbener, IRZ 11/2020, S. 495-500.

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