Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete

Eine Vermietung zu Wohnzwecken gilt als vollentgeltlich, wenn die Miete mindestens 50 % (bis 31.12.2020: 66 %) der ortsüblichen Marktmiete beträgt. In diesen Fällen erhalten Vermieter den vollen Werbungskostenabzug. Liegt die Miete darunter, sind die Kosten aufzuteilen. Offen war bislang, ob bei der Prüfung der ortsüblichen Marktmiete der örtliche Mietspiegel auch dann als Vergleichsgrundlage heranzuziehen ist, wenn zugleich eine entsprechende, im selben Haus liegende Wohnung an einen Dritten teurer vermietet wird. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 22.02.2021 (Az. IX R 7/20) geklärt.

Im Streitfall vermietete eine Immobilieneigentümerin zwei 57 m² große Wohnungen. Eine der beiden Wohnungen überließ sie ihrer Tochter zum reduzierten Mietzins i.H.v. monatlich EUR 300 zzgl. Nebenkosten i.H.v. EUR 70; den monatlichen Heizkostenabschlag i.H.v. EUR 49 entrichtete die Tochter direkt an den Energieversorger. Die zweite Wohnung wurde an einen Fremdmieter zum Mietzins i.H.v. monatlich EUR 500 zzgl. Nebenkosten i.H.v. EUR 78 vermietet. Das Finanzamt zog als Maßstab für die Prüfung der Ortsüblichkeit ausschließlich die Miete für die im selben Haus liegende und an einen fremden Dritten vermietete, vergleichbare Wohnung heran. Dementsprechend berücksichtigte es die für die vergünstigt vermietete Wohnung erklärten Werbungskosten nur mit einem Anteil von 64,01 %, da die zwischen Mutter und Tochter vereinbarte Miete i.H.v. EUR 370 weniger als 66 % der „ortsüblichen Marktmiete“ i.H.v. EUR 578 betrage. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der BFH entschied allerdings, dass die maßgebliche „ortsübliche Marktmiete“ vorrangig anhand des örtlichen Mietspiegels wie folgt zu ermitteln ist:
 

  Ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung
unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels
Umlagefähige Kosten nach der Betriebskostenverordnung
Ortsübliche Marktmiete


Der örtliche Mietspiegel ermöglicht eine leichte und schnelle Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete auf der Grundlage eines breiten Spektrums. Es ist daher gerade keine Prüfung im Einzelfall vorgesehen, ob nicht ein anderer Wert innerhalb dieser Spanne angemessener wäre; eine gewisse Bandbreite von den örtlich zu zahlenden Mieten ist typisch. Folglich ist jeder innerhalb der Preisspanne liegende Mietwert und nicht nur der Mittelwert als ortsüblich anzusehen.

Lediglich in Ausnahmefällen kommt der örtliche Mietspiegel nicht in Betracht. Dies gilt beispielsweise dann, wenn er nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst wird, an erheblichen Mängeln in der Datenerhebung leidet oder es sich um ein nicht vom Mietspiegel erfasstes Sonderobjekt handelt. Es bestehen dann für Finanzamt und Finanzgericht drei gleichrangige Möglichkeiten, die ortsübliche Marktmiete zu ermitteln:

  • Zugrundelegung eines Sachverständigengutachtens,
  • Rückgriff auf die Auskunft einer Mietdatenbank oder
  • Berücksichtigung der Entgelte von mindestens drei vergleichbaren Wohnungen.

Da im Streitfall keine Ausnahmesituation bestand, wurde der vorhandene Mietspiegel zur Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen. Laut Mietspiegeltabelle galt als ortsübliche Marktmiete am unteren Rand ein Mietzins von EUR 6,09/m². Unter Einbeziehung der monatlichen Heizkosten i.H.v. EUR 49 (abgekürzter Zahlungsweg) entsprach die mit der Tochter vereinbarte Miete demnach 89,89 % der ortsüblichen Marktmiete. Die Werbungskosten waren daher vollständig und nicht nur mit einem Anteil von 64,01 % anzuerkennen.


Hinweise: In seinem Beschluss vom 19.09.2008 (Az. IX B 102/08) hatte der BFH als Maßstab für die Ortsüblichkeit noch auf eine vergleichbare, im gleichen Haus liegende, fremdvermietete Wohnung abgestellt; hieran hält er ausdrücklich nicht mehr fest.

Die Frage, wie die ortsübliche Marktmiete bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu ermitteln ist, bleibt auch mit der Absenkung der Grenze auf 50 % von praxisrelevanter Bedeutung.

 

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